Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
Und könten sie sich auch, bey meinem singen, regen,
Sie würden vor verdruß mir aus dem wege gehn.
Jndessen wilst du doch, daß ich noch ferner dichte:
Und weil du so befiehlst, so dicht ich, wie ich kan.
Denn schämt sich meine nacht schon vor dem hellen lichte,
So steht mir dennoch auch kein ungehorsam an.
Wiewol ich kan in dem dir nicht gehorsam leben,
Was deines briefes schluß von meiner hand begehrt.
Denn deine schreiben sind nur würdig aufzuheben,
Leanders aber nichts als heisser flammen werth.


Leander an Floretten, als er lange
zeit keinen vers von ihr gesehn.
FLorette! meine poesie
Liegt allbereit in letzten zügen.
Soll sie nun nicht im grabe liegen,
So nimm dir, Schönste! doch die müh,
Sie von den nahen todes-ketten
Durch deine verse zu erretten.


Florettens antwort.
LEanders kleiner brief ist mir zu händen kommen,
Leanders, welcher stets was nettes dichten kan.
Denn weil ein kluger geist bey dir den sitz genommen,
So zeigt dein kleiner brief von dir was großes an.
Jedoch was schertzest du vom grab und letzten zügen?
Was hält'st du mich vor dir, so ich niemalen bin?
Sollt ich die ärtztin seyn, so müstest du erliegen,
Denn meiner verse krafft sinckt vor den deinen hin.
Und wilst du ja hinfort noch an Floretten schreiben,
So sinne selbst was aus, wovon der inhalt sey.
Mir will von meiner hand niemals ein brief bekleiben,
Es trage denn zuvor dein kiel die würckung bey.
Leanders
Leanders aus Schleſien
Und koͤnten ſie ſich auch, bey meinem ſingen, regen,
Sie wuͤrden vor verdruß mir aus dem wege gehn.
Jndeſſen wilſt du doch, daß ich noch ferner dichte:
Und weil du ſo befiehlſt, ſo dicht ich, wie ich kan.
Denn ſchaͤmt ſich meine nacht ſchon vor dem hellen lichte,
So ſteht mir dennoch auch kein ungehorſam an.
Wiewol ich kan in dem dir nicht gehorſam leben,
Was deines briefes ſchluß von meiner hand begehrt.
Denn deine ſchreiben ſind nur wuͤrdig aufzuheben,
Leanders aber nichts als heiſſer flammen werth.


Leander an Floretten, als er lange
zeit keinen vers von ihr geſehn.
FLorette! meine poeſie
Liegt allbereit in letzten zuͤgen.
Soll ſie nun nicht im grabe liegen,
So nimm dir, Schoͤnſte! doch die muͤh,
Sie von den nahen todes-ketten
Durch deine verſe zu erretten.


Florettens antwort.
LEanders kleiner brief iſt mir zu haͤnden kommen,
Leanders, welcher ſtets was nettes dichten kan.
Denn weil ein kluger geiſt bey dir den ſitz genommen,
So zeigt dein kleiner brief von dir was großes an.
Jedoch was ſchertzeſt du vom grab und letzten zuͤgen?
Was haͤlt’ſt du mich vor dir, ſo ich niemalen bin?
Sollt ich die aͤrtztin ſeyn, ſo muͤſteſt du erliegen,
Denn meiner verſe krafft ſinckt vor den deinen hin.
Und wilſt du ja hinfort noch an Floretten ſchreiben,
So ſinne ſelbſt was aus, wovon der inhalt ſey.
Mir will von meiner hand niemals ein brief bekleiben,
Es trage denn zuvor dein kiel die wuͤrckung bey.
Leanders
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0310" n="308"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
          <l>Und ko&#x0364;nten &#x017F;ie &#x017F;ich auch, bey meinem &#x017F;ingen, regen,</l><lb/>
          <l>Sie wu&#x0364;rden vor verdruß mir aus dem wege gehn.</l><lb/>
          <l>Jnde&#x017F;&#x017F;en wil&#x017F;t du doch, daß ich noch ferner dichte:</l><lb/>
          <l>Und weil du &#x017F;o befiehl&#x017F;t, &#x017F;o dicht ich, wie ich kan.</l><lb/>
          <l>Denn &#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;ich meine nacht &#x017F;chon vor dem hellen lichte,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;teht mir dennoch auch kein ungehor&#x017F;am an.</l><lb/>
          <l>Wiewol ich kan in dem dir nicht gehor&#x017F;am leben,</l><lb/>
          <l>Was deines briefes &#x017F;chluß von meiner hand begehrt.</l><lb/>
          <l>Denn deine &#x017F;chreiben &#x017F;ind nur wu&#x0364;rdig aufzuheben,</l><lb/>
          <l>Leanders aber nichts als hei&#x017F;&#x017F;er flammen werth.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Leander an Floretten, als er lange<lb/>
zeit keinen vers von ihr ge&#x017F;ehn.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">F</hi>Lorette! meine poe&#x017F;ie</l><lb/>
          <l>Liegt allbereit in letzten zu&#x0364;gen.</l><lb/>
          <l>Soll &#x017F;ie nun nicht im grabe liegen,</l><lb/>
          <l>So nimm dir, Scho&#x0364;n&#x017F;te! doch die mu&#x0364;h,</l><lb/>
          <l>Sie von den nahen todes-ketten</l><lb/>
          <l>Durch deine ver&#x017F;e zu erretten.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Florettens antwort.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">L</hi>Eanders kleiner brief i&#x017F;t mir zu ha&#x0364;nden kommen,</l><lb/>
          <l>Leanders, welcher &#x017F;tets was nettes dichten kan.</l><lb/>
          <l>Denn weil ein kluger gei&#x017F;t bey dir den &#x017F;itz genommen,</l><lb/>
          <l>So zeigt dein kleiner brief von dir was großes an.</l><lb/>
          <l>Jedoch was &#x017F;chertze&#x017F;t du vom grab und letzten zu&#x0364;gen?</l><lb/>
          <l>Was ha&#x0364;lt&#x2019;&#x017F;t du mich vor dir, &#x017F;o ich niemalen bin?</l><lb/>
          <l>Sollt ich die a&#x0364;rtztin &#x017F;eyn, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te&#x017F;t du erliegen,</l><lb/>
          <l>Denn meiner ver&#x017F;e krafft &#x017F;inckt vor den deinen hin.</l><lb/>
          <l>Und wil&#x017F;t du ja hinfort noch an Floretten &#x017F;chreiben,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;inne &#x017F;elb&#x017F;t was aus, wovon der inhalt &#x017F;ey.</l><lb/>
          <l>Mir will von meiner hand niemals ein brief bekleiben,</l><lb/>
          <l>Es trage denn zuvor dein kiel die wu&#x0364;rckung bey.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Leanders</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0310] Leanders aus Schleſien Und koͤnten ſie ſich auch, bey meinem ſingen, regen, Sie wuͤrden vor verdruß mir aus dem wege gehn. Jndeſſen wilſt du doch, daß ich noch ferner dichte: Und weil du ſo befiehlſt, ſo dicht ich, wie ich kan. Denn ſchaͤmt ſich meine nacht ſchon vor dem hellen lichte, So ſteht mir dennoch auch kein ungehorſam an. Wiewol ich kan in dem dir nicht gehorſam leben, Was deines briefes ſchluß von meiner hand begehrt. Denn deine ſchreiben ſind nur wuͤrdig aufzuheben, Leanders aber nichts als heiſſer flammen werth. Leander an Floretten, als er lange zeit keinen vers von ihr geſehn. FLorette! meine poeſie Liegt allbereit in letzten zuͤgen. Soll ſie nun nicht im grabe liegen, So nimm dir, Schoͤnſte! doch die muͤh, Sie von den nahen todes-ketten Durch deine verſe zu erretten. Florettens antwort. LEanders kleiner brief iſt mir zu haͤnden kommen, Leanders, welcher ſtets was nettes dichten kan. Denn weil ein kluger geiſt bey dir den ſitz genommen, So zeigt dein kleiner brief von dir was großes an. Jedoch was ſchertzeſt du vom grab und letzten zuͤgen? Was haͤlt’ſt du mich vor dir, ſo ich niemalen bin? Sollt ich die aͤrtztin ſeyn, ſo muͤſteſt du erliegen, Denn meiner verſe krafft ſinckt vor den deinen hin. Und wilſt du ja hinfort noch an Floretten ſchreiben, So ſinne ſelbſt was aus, wovon der inhalt ſey. Mir will von meiner hand niemals ein brief bekleiben, Es trage denn zuvor dein kiel die wuͤrckung bey. Leanders

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/310
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/310>, abgerufen am 24.11.2024.