Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Gewiß, es liegt die zeit mir immer in gedancken,
Da die vertrauligkeit mit uns spatzieren gieng:
Da der vergnügte sinn in einem grünen schrancken
Der sorgen schwere last gantz an den nagel hieng:
Da wir bey frischer milch nicht kalte worte machten,
Und unsre liebe sich nach wunsch und lust besprach:
Da wir bald an ein buch, bald an die Floris dachten;
Nun aber folget mir fast nichts als unmuth nach.
Denn Seladon ist weg, ich kan ihn nicht mehr schauen.
Er sitzt im rosen-pusch, und wo Florette singt;
Jch aber lieg' und geh' in abgeschiednen auen,
Da kein dergleichen lied vor meinen ohren klingt.
Jch kan der freyen lufft nicht so, wie du, geniessen:
Bey trübem wasser quillt kein tropffen reiner lust.
Die verse wollen auch nicht, wie die deinen, fliessen.
Mehr sag' ich itzund nicht, es ist dir vor bewust.
Was aber fragest du: Kan auch Leander fehlen?
Ach stelle, wo du wilst, die hohen lobsprüch' ein.
Könnt' ich, so wie du schreibst, die freyen hertzen siehlen,
Florettens würde längst in meinen händen seyn.
Denn ließ' ich wiesen, gärt' und alle wälder stehen;
Jch sagte: Schatten, flüß' und vogel gute nacht!
Und würde gantz vergnügt in dieses zimmer gehen,
Das mir des himmels hand zum paradiese macht.
Den gruß, den du mir bringst, der wird Floretten gelten,
Weil sie der nachtigall im fingen gleiche geht.
Denn ihre liebligkeit will meine Muse schelten,
Jndem ihr tieffer thon sich nicht so hoch erhöht.
Es wünscht zwar Seladon Leandern viel vergnügen;
Allein dein süßer wunsch verbleibet ohne frucht;
Denn meine liebe muß in lauter ängsten liegen,
Weil deine schwester sie stets zu ermorden sucht.
Drum mache, daß ihr grimm nicht mein gelücke störe.
Denn ihrer augen gunst ist meines hertzens ruh.
Ja mache, daß ich bald Floretten singen höre:
Jhr und dem Seladon hör' ich am liebsten zu.
Register
Vermiſchte Gedichte.
Gewiß, es liegt die zeit mir immer in gedancken,
Da die vertrauligkeit mit uns ſpatzieren gieng:
Da der vergnuͤgte ſinn in einem gruͤnen ſchrancken
Der ſorgen ſchwere laſt gantz an den nagel hieng:
Da wir bey friſcher milch nicht kalte worte machten,
Und unſre liebe ſich nach wunſch und luſt beſprach:
Da wir bald an ein buch, bald an die Floris dachten;
Nun aber folget mir faſt nichts als unmuth nach.
Denn Seladon iſt weg, ich kan ihn nicht mehr ſchauen.
Er ſitzt im roſen-puſch, und wo Florette ſingt;
Jch aber lieg’ und geh’ in abgeſchiednen auen,
Da kein dergleichen lied vor meinen ohren klingt.
Jch kan der freyen lufft nicht ſo, wie du, genieſſen:
Bey truͤbem waſſer quillt kein tropffen reiner luſt.
Die verſe wollen auch nicht, wie die deinen, flieſſen.
Mehr ſag’ ich itzund nicht, es iſt dir vor bewuſt.
Was aber frageſt du: Kan auch Leander fehlen?
Ach ſtelle, wo du wilſt, die hohen lobſpruͤch’ ein.
Koͤnnt’ ich, ſo wie du ſchreibſt, die freyen hertzen ſiehlen,
Florettens wuͤrde laͤngſt in meinen haͤnden ſeyn.
Denn ließ’ ich wieſen, gaͤrt’ und alle waͤlder ſtehen;
Jch ſagte: Schatten, fluͤß’ und vogel gute nacht!
Und wuͤrde gantz vergnuͤgt in dieſes zimmer gehen,
Das mir des himmels hand zum paradieſe macht.
Den gruß, den du mir bringſt, der wird Floretten gelten,
Weil ſie der nachtigall im fingen gleiche geht.
Denn ihre liebligkeit will meine Muſe ſchelten,
Jndem ihr tieffer thon ſich nicht ſo hoch erhoͤht.
Es wuͤnſcht zwar Seladon Leandern viel vergnuͤgen;
Allein dein ſuͤßer wunſch verbleibet ohne frucht;
Denn meine liebe muß in lauter aͤngſten liegen,
Weil deine ſchweſter ſie ſtets zu ermorden ſucht.
Drum mache, daß ihr grimm nicht mein geluͤcke ſtoͤre.
Denn ihrer augen gunſt iſt meines hertzens ruh.
Ja mache, daß ich bald Floretten ſingen hoͤre:
Jhr und dem Seladon hoͤr’ ich am liebſten zu.
Regiſter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0319" n="317"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Gewiß, es liegt die zeit mir immer in gedancken,</l><lb/>
          <l>Da die vertrauligkeit mit uns &#x017F;patzieren gieng:</l><lb/>
          <l>Da der vergnu&#x0364;gte &#x017F;inn in einem gru&#x0364;nen &#x017F;chrancken</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;orgen &#x017F;chwere la&#x017F;t gantz an den nagel hieng:</l><lb/>
          <l>Da wir bey fri&#x017F;cher milch nicht kalte worte machten,</l><lb/>
          <l>Und un&#x017F;re liebe &#x017F;ich nach wun&#x017F;ch und lu&#x017F;t be&#x017F;prach:</l><lb/>
          <l>Da wir bald an ein buch, bald an die Floris dachten;</l><lb/>
          <l>Nun aber folget mir fa&#x017F;t nichts als unmuth nach.</l><lb/>
          <l>Denn Seladon i&#x017F;t weg, ich kan ihn nicht mehr &#x017F;chauen.</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;itzt im ro&#x017F;en-pu&#x017F;ch, und wo Florette &#x017F;ingt;</l><lb/>
          <l>Jch aber lieg&#x2019; und geh&#x2019; in abge&#x017F;chiednen auen,</l><lb/>
          <l>Da kein dergleichen lied vor meinen ohren klingt.</l><lb/>
          <l>Jch kan der freyen lufft nicht &#x017F;o, wie du, genie&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Bey tru&#x0364;bem wa&#x017F;&#x017F;er quillt kein tropffen reiner lu&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Die ver&#x017F;e wollen auch nicht, wie die deinen, flie&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Mehr &#x017F;ag&#x2019; ich itzund nicht, es i&#x017F;t dir vor bewu&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Was aber frage&#x017F;t du: Kan auch Leander fehlen?</l><lb/>
          <l>Ach &#x017F;telle, wo du wil&#x017F;t, die hohen lob&#x017F;pru&#x0364;ch&#x2019; ein.</l><lb/>
          <l>Ko&#x0364;nnt&#x2019; ich, &#x017F;o wie du &#x017F;chreib&#x017F;t, die freyen hertzen &#x017F;iehlen,</l><lb/>
          <l>Florettens wu&#x0364;rde la&#x0364;ng&#x017F;t in meinen ha&#x0364;nden &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Denn ließ&#x2019; ich wie&#x017F;en, ga&#x0364;rt&#x2019; und alle wa&#x0364;lder &#x017F;tehen;</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;agte: Schatten, flu&#x0364;ß&#x2019; und vogel gute nacht!</l><lb/>
          <l>Und wu&#x0364;rde gantz vergnu&#x0364;gt in die&#x017F;es zimmer gehen,</l><lb/>
          <l>Das mir des himmels hand zum paradie&#x017F;e macht.</l><lb/>
          <l>Den gruß, den du mir bring&#x017F;t, der wird Floretten gelten,</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie der nachtigall im fingen gleiche geht.</l><lb/>
          <l>Denn ihre liebligkeit will meine Mu&#x017F;e &#x017F;chelten,</l><lb/>
          <l>Jndem ihr tieffer thon &#x017F;ich nicht &#x017F;o hoch erho&#x0364;ht.</l><lb/>
          <l>Es wu&#x0364;n&#x017F;cht zwar Seladon Leandern viel vergnu&#x0364;gen;</l><lb/>
          <l>Allein dein &#x017F;u&#x0364;ßer wun&#x017F;ch verbleibet ohne frucht;</l><lb/>
          <l>Denn meine liebe muß in lauter a&#x0364;ng&#x017F;ten liegen,</l><lb/>
          <l>Weil deine &#x017F;chwe&#x017F;ter &#x017F;ie &#x017F;tets zu ermorden &#x017F;ucht.</l><lb/>
          <l>Drum mache, daß ihr grimm nicht mein gelu&#x0364;cke &#x017F;to&#x0364;re.</l><lb/>
          <l>Denn ihrer augen gun&#x017F;t i&#x017F;t meines hertzens ruh.</l><lb/>
          <l>Ja mache, daß ich bald Floretten &#x017F;ingen ho&#x0364;re:</l><lb/>
          <l>Jhr und dem Seladon ho&#x0364;r&#x2019; ich am lieb&#x017F;ten zu.</l>
        </lg>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Regi&#x017F;ter</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0319] Vermiſchte Gedichte. Gewiß, es liegt die zeit mir immer in gedancken, Da die vertrauligkeit mit uns ſpatzieren gieng: Da der vergnuͤgte ſinn in einem gruͤnen ſchrancken Der ſorgen ſchwere laſt gantz an den nagel hieng: Da wir bey friſcher milch nicht kalte worte machten, Und unſre liebe ſich nach wunſch und luſt beſprach: Da wir bald an ein buch, bald an die Floris dachten; Nun aber folget mir faſt nichts als unmuth nach. Denn Seladon iſt weg, ich kan ihn nicht mehr ſchauen. Er ſitzt im roſen-puſch, und wo Florette ſingt; Jch aber lieg’ und geh’ in abgeſchiednen auen, Da kein dergleichen lied vor meinen ohren klingt. Jch kan der freyen lufft nicht ſo, wie du, genieſſen: Bey truͤbem waſſer quillt kein tropffen reiner luſt. Die verſe wollen auch nicht, wie die deinen, flieſſen. Mehr ſag’ ich itzund nicht, es iſt dir vor bewuſt. Was aber frageſt du: Kan auch Leander fehlen? Ach ſtelle, wo du wilſt, die hohen lobſpruͤch’ ein. Koͤnnt’ ich, ſo wie du ſchreibſt, die freyen hertzen ſiehlen, Florettens wuͤrde laͤngſt in meinen haͤnden ſeyn. Denn ließ’ ich wieſen, gaͤrt’ und alle waͤlder ſtehen; Jch ſagte: Schatten, fluͤß’ und vogel gute nacht! Und wuͤrde gantz vergnuͤgt in dieſes zimmer gehen, Das mir des himmels hand zum paradieſe macht. Den gruß, den du mir bringſt, der wird Floretten gelten, Weil ſie der nachtigall im fingen gleiche geht. Denn ihre liebligkeit will meine Muſe ſchelten, Jndem ihr tieffer thon ſich nicht ſo hoch erhoͤht. Es wuͤnſcht zwar Seladon Leandern viel vergnuͤgen; Allein dein ſuͤßer wunſch verbleibet ohne frucht; Denn meine liebe muß in lauter aͤngſten liegen, Weil deine ſchweſter ſie ſtets zu ermorden ſucht. Drum mache, daß ihr grimm nicht mein geluͤcke ſtoͤre. Denn ihrer augen gunſt iſt meines hertzens ruh. Ja mache, daß ich bald Floretten ſingen hoͤre: Jhr und dem Seladon hoͤr’ ich am liebſten zu. Regiſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/319
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/319>, abgerufen am 25.11.2024.