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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Hochzeit-Getichte.
Wenn mancher, den beym überfluß
Gewinst und mord-begierde plaget,
An seiner bürger knochen naget,
Und jeder für ihn sorgen muß;
So sorgt mein kluger held für mich,
Auch mitten unter sturm und kriegen:
Alsdenn gedenckt er erst an sich,
Und an sein eigenes vergnügen.
Pariß und Londen ist sehr groß;
Allein es hat die weiten schrancken
Mehr der natur als kunst zu dancken:
Jch war hingegen öd und blos;
Jch hatte kaum ein rechtes dach,
Und konte von natur nichts hoffen;
Doch hab ich alles tausendfach,
Jn zweyen fürsten angetroffen.
Der eine baute hauß auf hauß:
Der andre will sie gülden schaffen;
Er führt es aber nicht mit waffen,
Und durch bekannte mittel aus.
Es ist was altes, daß ein staat
Durch raub und wucher zugenommen:
Mein reichthum muß, auf Friedrichs rath,
Durch wohlthun an verjagten kommen.
Ach! daß doch helden menschen seyn,
Und solche fürsten sterben sollen!
Viel sind zwar, die es auch seyn wollen;
Sie sind es aber sich allein.
Sie siegen; doch ein jeder streich
Kost auch zugleich zwey unterthanen:
Mein Churfürst mehret land und reich,
Und brauchet nichts als friedens-fahnen.
Das
Hochzeit-Getichte.
Wenn mancher, den beym uͤberfluß
Gewinſt und mord-begierde plaget,
An ſeiner buͤrger knochen naget,
Und jeder fuͤr ihn ſorgen muß;
So ſorgt mein kluger held fuͤr mich,
Auch mitten unter ſturm und kriegen:
Alsdenn gedenckt er erſt an ſich,
Und an ſein eigenes vergnuͤgen.
Pariß und Londen iſt ſehr groß;
Allein es hat die weiten ſchrancken
Mehr der natur als kunſt zu dancken:
Jch war hingegen oͤd und blos;
Jch hatte kaum ein rechtes dach,
Und konte von natur nichts hoffen;
Doch hab ich alles tauſendfach,
Jn zweyen fuͤrſten angetroffen.
Der eine baute hauß auf hauß:
Der andre will ſie guͤlden ſchaffen;
Er fuͤhrt es aber nicht mit waffen,
Und durch bekannte mittel aus.
Es iſt was altes, daß ein ſtaat
Durch raub und wucher zugenommen:
Mein reichthum muß, auf Friedrichs rath,
Durch wohlthun an verjagten kommen.
Ach! daß doch helden menſchen ſeyn,
Und ſolche fuͤrſten ſterben ſollen!
Viel ſind zwar, die es auch ſeyn wollen;
Sie ſind es aber ſich allein.
Sie ſiegen; doch ein jeder ſtreich
Koſt auch zugleich zwey unterthanen:
Mein Churfuͤrſt mehret land und reich,
Und brauchet nichts als friedens-fahnen.
Das
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[98/0122] Hochzeit-Getichte. Wenn mancher, den beym uͤberfluß Gewinſt und mord-begierde plaget, An ſeiner buͤrger knochen naget, Und jeder fuͤr ihn ſorgen muß; So ſorgt mein kluger held fuͤr mich, Auch mitten unter ſturm und kriegen: Alsdenn gedenckt er erſt an ſich, Und an ſein eigenes vergnuͤgen. Pariß und Londen iſt ſehr groß; Allein es hat die weiten ſchrancken Mehr der natur als kunſt zu dancken: Jch war hingegen oͤd und blos; Jch hatte kaum ein rechtes dach, Und konte von natur nichts hoffen; Doch hab ich alles tauſendfach, Jn zweyen fuͤrſten angetroffen. Der eine baute hauß auf hauß: Der andre will ſie guͤlden ſchaffen; Er fuͤhrt es aber nicht mit waffen, Und durch bekannte mittel aus. Es iſt was altes, daß ein ſtaat Durch raub und wucher zugenommen: Mein reichthum muß, auf Friedrichs rath, Durch wohlthun an verjagten kommen. Ach! daß doch helden menſchen ſeyn, Und ſolche fuͤrſten ſterben ſollen! Viel ſind zwar, die es auch ſeyn wollen; Sie ſind es aber ſich allein. Sie ſiegen; doch ein jeder ſtreich Koſt auch zugleich zwey unterthanen: Mein Churfuͤrſt mehret land und reich, Und brauchet nichts als friedens-fahnen. Das

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/122>, abgerufen am 23.11.2024.