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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.


Jhr brunnen! die ihr klar aus erd und felsen steigt,
Jhr mögt, wie Castalis, mit eurem glantze pralen;
Der quell, wo sich ihr schein polirten augen zeigt,
Kan auch erystall beschimpfft mit rothen flecken mahlen.
Drum kommt Misanthropus fürwahr erbärmlich blind,
Wenn er auf trüben koth verfaulter grillen sinnt;
Und der wird nimmermehr von ihrem nectar lecken,
Der sich an pfützen hält, wo frösch und kröten hecken.


Zwar stümper, die den weg zu hohen bergen fliehn,
Die müssen freylich nur im kothe sitzen bleiben;
Allein, wo geist und muth sich mit geduld bemühn,
Da läst man sich nicht leicht von seinem zwecke treiben;
Denn der Hippocrates und seiner söhne schaar
Macht täglich diesen schluß durch die erfahrung war:
Daß brunnen, die sich hoch durch berg und klippen heben,
Dem, der sie oben sucht, das beste wasser geben.


Der brunn des Plinius nahm täglich ab und zu;
Hier sieht der anmuths-quell zu keinen zeiten stille,
Zu zeigen: Daß GOtt selbst was bey der sache thu,
Und daß die ewigkeit hier röhr und adern fülle.
Die katzbach Schlesiens hat sonsten gold geführt:
Hier spielt ein perlen-thau, der alle glieder rührt:
Ja, wie die lahmen sonst in warme bäder hincken,
So kan der geist sich hier gesund und weise trincken.


Und wen ein paradies mit grüner lust ergetzt,
Der kan den himmel selbst um diese gegend finden:
Wo sich ein gantzer wald von künsten hingesetzt:
Und wo vier ströme sich an einen ursprung binden:
Wo liebe, die der kern und grund der tugend ist,
Mit klugheit untermengt durch die canäle fliest:
Da wo die tapferkeit läst frische ströme schiessen,
Die mit bescheidenheit zuletzt in einen fliessen.
Ge-
Q 5
Vermiſchte Getichte.


Jhr brunnen! die ihr klar aus erd und felſen ſteigt,
Jhr moͤgt, wie Caſtalis, mit eurem glantze pralen;
Der quell, wo ſich ihr ſchein polirten augen zeigt,
Kan auch eryſtall beſchimpfft mit rothen flecken mahlen.
Drum kommt Miſanthropus fuͤrwahr erbaͤrmlich blind,
Wenn er auf truͤben koth verfaulter grillen ſinnt;
Und der wird nimmermehr von ihrem nectar lecken,
Der ſich an pfuͤtzen haͤlt, wo froͤſch und kroͤten hecken.


Zwar ſtuͤmper, die den weg zu hohen bergen fliehn,
Die muͤſſen freylich nur im kothe ſitzen bleiben;
Allein, wo geiſt und muth ſich mit geduld bemuͤhn,
Da laͤſt man ſich nicht leicht von ſeinem zwecke treiben;
Denn der Hippocrates und ſeiner ſoͤhne ſchaar
Macht taͤglich dieſen ſchluß durch die erfahrung war:
Daß brunnen, die ſich hoch durch berg und klippen heben,
Dem, der ſie oben ſucht, das beſte waſſer geben.


Der brunn des Plinius nahm taͤglich ab und zu;
Hier ſieht der anmuths-quell zu keinen zeiten ſtille,
Zu zeigen: Daß GOtt ſelbſt was bey der ſache thu,
Und daß die ewigkeit hier roͤhr und adern fuͤlle.
Die katzbach Schleſiens hat ſonſten gold gefuͤhrt:
Hier ſpielt ein perlen-thau, der alle glieder ruͤhrt:
Ja, wie die lahmen ſonſt in warme baͤder hincken,
So kan der geiſt ſich hier geſund und weiſe trincken.


Und wen ein paradies mit gruͤner luſt ergetzt,
Der kan den himmel ſelbſt um dieſe gegend finden:
Wo ſich ein gantzer wald von kuͤnſten hingeſetzt:
Und wo vier ſtroͤme ſich an einen urſprung binden:
Wo liebe, die der kern und grund der tugend iſt,
Mit klugheit untermengt durch die canaͤle flieſt:
Da wo die tapferkeit laͤſt friſche ſtroͤme ſchieſſen,
Die mit beſcheidenheit zuletzt in einen flieſſen.
Ge-
Q 5
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[249/0273] Vermiſchte Getichte. Jhr brunnen! die ihr klar aus erd und felſen ſteigt, Jhr moͤgt, wie Caſtalis, mit eurem glantze pralen; Der quell, wo ſich ihr ſchein polirten augen zeigt, Kan auch eryſtall beſchimpfft mit rothen flecken mahlen. Drum kommt Miſanthropus fuͤrwahr erbaͤrmlich blind, Wenn er auf truͤben koth verfaulter grillen ſinnt; Und der wird nimmermehr von ihrem nectar lecken, Der ſich an pfuͤtzen haͤlt, wo froͤſch und kroͤten hecken. Zwar ſtuͤmper, die den weg zu hohen bergen fliehn, Die muͤſſen freylich nur im kothe ſitzen bleiben; Allein, wo geiſt und muth ſich mit geduld bemuͤhn, Da laͤſt man ſich nicht leicht von ſeinem zwecke treiben; Denn der Hippocrates und ſeiner ſoͤhne ſchaar Macht taͤglich dieſen ſchluß durch die erfahrung war: Daß brunnen, die ſich hoch durch berg und klippen heben, Dem, der ſie oben ſucht, das beſte waſſer geben. Der brunn des Plinius nahm taͤglich ab und zu; Hier ſieht der anmuths-quell zu keinen zeiten ſtille, Zu zeigen: Daß GOtt ſelbſt was bey der ſache thu, Und daß die ewigkeit hier roͤhr und adern fuͤlle. Die katzbach Schleſiens hat ſonſten gold gefuͤhrt: Hier ſpielt ein perlen-thau, der alle glieder ruͤhrt: Ja, wie die lahmen ſonſt in warme baͤder hincken, So kan der geiſt ſich hier geſund und weiſe trincken. Und wen ein paradies mit gruͤner luſt ergetzt, Der kan den himmel ſelbſt um dieſe gegend finden: Wo ſich ein gantzer wald von kuͤnſten hingeſetzt: Und wo vier ſtroͤme ſich an einen urſprung binden: Wo liebe, die der kern und grund der tugend iſt, Mit klugheit untermengt durch die canaͤle flieſt: Da wo die tapferkeit laͤſt friſche ſtroͤme ſchieſſen, Die mit beſcheidenheit zuletzt in einen flieſſen. Ge- Q 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/273>, abgerufen am 22.11.2024.