Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Vermischte Getichte. Durch ungehirntes volck. Wo vor der zarten jugendSo rühmlich ward gezeigt die strasse zu der tugend, Da stund ein wildes pferd: Der lehrer ward verjagt, Der raths-herr abgedanckt, der burgers-mann geplagt, Mit trutzen und gewalt. Die solten nachmahls väter Des vaterlandes seyn, so bey dem rauhen wetter, Und sonder einen zwang, wo falscher wind geweht, Und hoheit und gewinn den mantel hingedreht. Da kan man recht und wohl gewünschtes leben führen, Wo weise leute sind, die eine stadt regieren. O freylich! solte der beherrschen eine stadt, Der über seine frau das regiment nicht hat? Soll der wohl ander volck zu einer lehre zwingen, Der selber keinen grund des glaubens vor kan bringen, Des glaubens, den er führt? Er schreyet etwas an, Das weder ihm vor sich, noch andern, helffen kan. Heist dieses seinen GOtt von gantzem hertzen lieben, Den nächsten, als sich selbst? Ja wohl, es heist betrüben. Was mit gewalt geschicht, macht keinen Christen nicht; Ein bogen, der zu sehr gespannet ist, zerbricht. Zu falschem gottesdienst der menschen seelen treiben, Heist gut gigantisch seyn. Laß einen jeden bleiben; Und sagt er was aus noth, das hertz ist weit davon: Fromm vor sich selber seyn, das heist religion. Jch sprach: Jst Buntzlau dann der gantze kreis der erden? Will GOtt nur hier allein, sonst nicht gefunden werden? Jst nicht noch raum genung, so weit von osten west, So weit der sonnen gold die strahlen fallen läst? Muß einer haus und hof und alle wollust meiden? Es ist ein schöner spott, vor GOttes ehre leiden. Der schäme sich, der blos um grober übelthat, Und um verrätherey, muß weichen von der stadt. Der HErr, für dessen grimm hier alles muß erzittern, Der himmel furchtsam seyn, die starcken berge splittern, Die ungestümme see mit ihren wellen fliehn, Muß selber über meer aus haß der feinde ziehn. Der S 2
Vermiſchte Getichte. Durch ungehirntes volck. Wo vor der zarten jugendSo ruͤhmlich ward gezeigt die ſtraſſe zu der tugend, Da ſtund ein wildes pferd: Der lehrer ward verjagt, Der raths-herꝛ abgedanckt, der burgers-mann geplagt, Mit trutzen und gewalt. Die ſolten nachmahls vaͤter Des vaterlandes ſeyn, ſo bey dem rauhen wetter, Und ſonder einen zwang, wo falſcher wind geweht, Und hoheit und gewinn den mantel hingedreht. Da kan man recht und wohl gewuͤnſchtes leben fuͤhren, Wo weiſe leute ſind, die eine ſtadt regieren. O freylich! ſolte der beherꝛſchen eine ſtadt, Der uͤber ſeine frau das regiment nicht hat? Soll der wohl ander volck zu einer lehre zwingen, Der ſelber keinen grund des glaubens vor kan bringen, Des glaubens, den er fuͤhrt? Er ſchreyet etwas an, Das weder ihm vor ſich, noch andern, helffen kan. Heiſt dieſes ſeinen GOtt von gantzem hertzen lieben, Den naͤchſten, als ſich ſelbſt? Ja wohl, es heiſt betruͤben. Was mit gewalt geſchicht, macht keinen Chriſten nicht; Ein bogen, der zu ſehr geſpannet iſt, zerbricht. Zu falſchem gottesdienſt der menſchen ſeelen treiben, Heiſt gut gigantiſch ſeyn. Laß einen jeden bleiben; Und ſagt er was aus noth, das hertz iſt weit davon: Fromm vor ſich ſelber ſeyn, das heiſt religion. Jch ſprach: Jſt Buntzlau dann der gantze kreis der erden? Will GOtt nur hier allein, ſonſt nicht gefunden werden? Jſt nicht noch raum genung, ſo weit von oſten weſt, So weit der ſonnen gold die ſtrahlen fallen laͤſt? Muß einer haus und hof und alle wolluſt meiden? Es iſt ein ſchoͤner ſpott, vor GOttes ehre leiden. Der ſchaͤme ſich, der blos um grober uͤbelthat, Und um verraͤtherey, muß weichen von der ſtadt. Der HErꝛ, fuͤr deſſen grimm hier alles muß erzittern, Der himmel furchtſam ſeyn, die ſtarcken berge ſplittern, Die ungeſtuͤmme ſee mit ihren wellen fliehn, Muß ſelber uͤber meer aus haß der feinde ziehn. Der S 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0299" n="275"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermiſchte Getichte.</hi> </fw><lb/> <l>Durch ungehirntes volck. Wo vor der zarten jugend</l><lb/> <l>So ruͤhmlich ward gezeigt die ſtraſſe zu der tugend,</l><lb/> <l>Da ſtund ein wildes pferd: Der lehrer ward verjagt,</l><lb/> <l>Der raths-herꝛ abgedanckt, der burgers-mann geplagt,</l><lb/> <l>Mit trutzen und gewalt. Die ſolten nachmahls vaͤter</l><lb/> <l>Des vaterlandes ſeyn, ſo bey dem rauhen wetter,</l><lb/> <l>Und ſonder einen zwang, wo falſcher wind geweht,</l><lb/> <l>Und hoheit und gewinn den mantel hingedreht.</l><lb/> <l>Da kan man recht und wohl gewuͤnſchtes leben fuͤhren,</l><lb/> <l>Wo weiſe leute ſind, die eine ſtadt regieren.</l><lb/> <l>O freylich! ſolte der beherꝛſchen eine ſtadt,</l><lb/> <l>Der uͤber ſeine frau das regiment nicht hat?</l><lb/> <l>Soll der wohl ander volck zu einer lehre zwingen,</l><lb/> <l>Der ſelber keinen grund des glaubens vor kan bringen,</l><lb/> <l>Des glaubens, den er fuͤhrt? Er ſchreyet etwas an,</l><lb/> <l>Das weder ihm vor ſich, noch andern, helffen kan.</l><lb/> <l>Heiſt dieſes ſeinen GOtt von gantzem hertzen lieben,</l><lb/> <l>Den naͤchſten, als ſich ſelbſt? Ja wohl, es heiſt betruͤben.</l><lb/> <l>Was mit gewalt geſchicht, macht keinen Chriſten nicht;</l><lb/> <l>Ein bogen, der zu ſehr geſpannet iſt, zerbricht.</l><lb/> <l>Zu falſchem gottesdienſt der menſchen ſeelen treiben,</l><lb/> <l>Heiſt gut gigantiſch ſeyn. Laß einen jeden bleiben;</l><lb/> <l>Und ſagt er was aus noth, das hertz iſt weit davon:</l><lb/> <l>Fromm vor ſich ſelber ſeyn, das heiſt religion.</l><lb/> <l>Jch ſprach: Jſt Buntzlau dann der gantze kreis der erden?</l><lb/> <l>Will GOtt nur hier allein, ſonſt nicht gefunden werden?</l><lb/> <l>Jſt nicht noch raum genung, ſo weit von oſten weſt,</l><lb/> <l>So weit der ſonnen gold die ſtrahlen fallen laͤſt?</l><lb/> <l>Muß einer haus und hof und alle wolluſt meiden?</l><lb/> <l>Es iſt ein ſchoͤner ſpott, vor GOttes ehre leiden.</l><lb/> <l>Der ſchaͤme ſich, der blos um grober uͤbelthat,</l><lb/> <l>Und um verraͤtherey, muß weichen von der ſtadt.</l><lb/> <l>Der HErꝛ, fuͤr deſſen grimm hier alles muß erzittern,</l><lb/> <l>Der himmel furchtſam ſeyn, die ſtarcken berge ſplittern,</l><lb/> <l>Die ungeſtuͤmme ſee mit ihren wellen fliehn,</l><lb/> <l>Muß ſelber uͤber meer aus haß der feinde ziehn.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">S 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0299]
Vermiſchte Getichte.
Durch ungehirntes volck. Wo vor der zarten jugend
So ruͤhmlich ward gezeigt die ſtraſſe zu der tugend,
Da ſtund ein wildes pferd: Der lehrer ward verjagt,
Der raths-herꝛ abgedanckt, der burgers-mann geplagt,
Mit trutzen und gewalt. Die ſolten nachmahls vaͤter
Des vaterlandes ſeyn, ſo bey dem rauhen wetter,
Und ſonder einen zwang, wo falſcher wind geweht,
Und hoheit und gewinn den mantel hingedreht.
Da kan man recht und wohl gewuͤnſchtes leben fuͤhren,
Wo weiſe leute ſind, die eine ſtadt regieren.
O freylich! ſolte der beherꝛſchen eine ſtadt,
Der uͤber ſeine frau das regiment nicht hat?
Soll der wohl ander volck zu einer lehre zwingen,
Der ſelber keinen grund des glaubens vor kan bringen,
Des glaubens, den er fuͤhrt? Er ſchreyet etwas an,
Das weder ihm vor ſich, noch andern, helffen kan.
Heiſt dieſes ſeinen GOtt von gantzem hertzen lieben,
Den naͤchſten, als ſich ſelbſt? Ja wohl, es heiſt betruͤben.
Was mit gewalt geſchicht, macht keinen Chriſten nicht;
Ein bogen, der zu ſehr geſpannet iſt, zerbricht.
Zu falſchem gottesdienſt der menſchen ſeelen treiben,
Heiſt gut gigantiſch ſeyn. Laß einen jeden bleiben;
Und ſagt er was aus noth, das hertz iſt weit davon:
Fromm vor ſich ſelber ſeyn, das heiſt religion.
Jch ſprach: Jſt Buntzlau dann der gantze kreis der erden?
Will GOtt nur hier allein, ſonſt nicht gefunden werden?
Jſt nicht noch raum genung, ſo weit von oſten weſt,
So weit der ſonnen gold die ſtrahlen fallen laͤſt?
Muß einer haus und hof und alle wolluſt meiden?
Es iſt ein ſchoͤner ſpott, vor GOttes ehre leiden.
Der ſchaͤme ſich, der blos um grober uͤbelthat,
Und um verraͤtherey, muß weichen von der ſtadt.
Der HErꝛ, fuͤr deſſen grimm hier alles muß erzittern,
Der himmel furchtſam ſeyn, die ſtarcken berge ſplittern,
Die ungeſtuͤmme ſee mit ihren wellen fliehn,
Muß ſelber uͤber meer aus haß der feinde ziehn.
Der
S 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |