Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte und Galante Getichte.
Als sich Flavia über ihre pocken-gruben
beklagte.
MADRIGAL.
WAs zörnest du doch auf die pocken?
Verachte nur die grübgen nicht,
Die selbst die liebe zugericht,
Um desto sicherer die hertzen anzulocken!
Zwar anfangs grub sie sich blos in ein grübgen ein;
Doch meinte sie allda nicht recht versteckt zu seyn:
Deßwegen machte sie noch mehr dergleichen hölen,
Wo sie mit schlauer list auf die verliebten seelen
Zu deiner luft mit netz und bogen zielt.
Glaubst du es nicht?
Mein allerliebstes licht!
So schau nur auf mein hertz, das noch die wunde fühlt,
Und unter süssem schertz und lallen
Hier in die grub und in dein netz gefallen.


Auf ihre kalten hände.
DU liebst, mein schatz! und bist doch immer kalt;
Jst denn bey dir allein die lieb ein frostig wesen?
Wie? oder soll mein aug aus dieser kälte lesen,
Daß keine wahre lieb in deinen adern wallt?
Nein, Flavia! dein kuß und die getreuen blicke
Verjagen hier den argwohn aller rücke,
Und zeigen, daß dein geist in allem ernste liebt;
Doch, daß dein zarter leib so wenig wärme giebt,
Macht blos die reine scham: Denn diese zwingt die flammen
Jn deinem hertzen so zusammen,
Daß man auf deiner glieder bahn
Nur schnee, und keine spuhr des feuers, finden kan.
ARIA.
Verliebte und Galante Getichte.
Als ſich Flavia uͤber ihre pocken-gruben
beklagte.
MADRIGAL.
WAs zoͤrneſt du doch auf die pocken?
Verachte nur die gruͤbgen nicht,
Die ſelbſt die liebe zugericht,
Um deſto ſicherer die hertzen anzulocken!
Zwar anfangs grub ſie ſich blos in ein gruͤbgen ein;
Doch meinte ſie allda nicht recht verſteckt zu ſeyn:
Deßwegen machte ſie noch mehr dergleichen hoͤlen,
Wo ſie mit ſchlauer liſt auf die verliebten ſeelen
Zu deiner luft mit netz und bogen zielt.
Glaubſt du es nicht?
Mein allerliebſtes licht!
So ſchau nur auf mein hertz, das noch die wunde fuͤhlt,
Und unter ſuͤſſem ſchertz und lallen
Hier in die grub und in dein netz gefallen.


Auf ihre kalten haͤnde.
DU liebſt, mein ſchatz! und biſt doch immer kalt;
Jſt denn bey dir allein die lieb ein froſtig weſen?
Wie? oder ſoll mein aug aus dieſer kaͤlte leſen,
Daß keine wahre lieb in deinen adern wallt?
Nein, Flavia! dein kuß und die getreuen blicke
Verjagen hier den argwohn aller ruͤcke,
Und zeigen, daß dein geiſt in allem ernſte liebt;
Doch, daß dein zarter leib ſo wenig waͤrme giebt,
Macht blos die reine ſcham: Denn dieſe zwingt die flammen
Jn deinem hertzen ſo zuſammen,
Daß man auf deiner glieder bahn
Nur ſchnee, und keine ſpuhr des feuers, finden kan.
ARIA.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0325" n="301"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und Galante Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Als &#x017F;ich Flavia u&#x0364;ber ihre pocken-gruben<lb/>
beklagte.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">MADRIGAL.</hi></hi></hi></hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">W</hi>As zo&#x0364;rne&#x017F;t du doch auf die pocken?</l><lb/>
            <l>Verachte nur die gru&#x0364;bgen nicht,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;elb&#x017F;t die liebe zugericht,</l><lb/>
            <l>Um de&#x017F;to &#x017F;icherer die hertzen anzulocken!</l><lb/>
            <l>Zwar anfangs grub &#x017F;ie &#x017F;ich blos in ein gru&#x0364;bgen ein;</l><lb/>
            <l>Doch meinte &#x017F;ie allda nicht recht ver&#x017F;teckt zu &#x017F;eyn:</l><lb/>
            <l>Deßwegen machte &#x017F;ie noch mehr dergleichen ho&#x0364;len,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;ie mit &#x017F;chlauer li&#x017F;t auf die verliebten &#x017F;eelen</l><lb/>
            <l>Zu deiner luft mit netz und bogen zielt.</l><lb/>
            <l>Glaub&#x017F;t du es nicht?</l><lb/>
            <l>Mein allerlieb&#x017F;tes licht!</l><lb/>
            <l>So &#x017F;chau nur auf mein hertz, das noch die wunde fu&#x0364;hlt,</l><lb/>
            <l>Und unter &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;em &#x017F;chertz und lallen</l><lb/>
            <l>Hier in die grub und in dein netz gefallen.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Auf ihre kalten ha&#x0364;nde.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">D</hi>U lieb&#x017F;t, mein &#x017F;chatz! und bi&#x017F;t doch immer kalt;</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t denn bey dir allein die lieb ein fro&#x017F;tig we&#x017F;en?</l><lb/>
            <l>Wie? oder &#x017F;oll mein aug aus die&#x017F;er ka&#x0364;lte le&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Daß keine wahre lieb in deinen adern wallt?</l><lb/>
            <l>Nein, Flavia! dein kuß und die getreuen blicke</l><lb/>
            <l>Verjagen hier den argwohn aller ru&#x0364;cke,</l><lb/>
            <l>Und zeigen, daß dein gei&#x017F;t in allem ern&#x017F;te liebt;</l><lb/>
            <l>Doch, daß dein zarter leib &#x017F;o wenig wa&#x0364;rme giebt,</l><lb/>
            <l>Macht blos die reine &#x017F;cham: Denn die&#x017F;e zwingt die flammen</l><lb/>
            <l>Jn deinem hertzen &#x017F;o zu&#x017F;ammen,</l><lb/>
            <l>Daß man auf deiner glieder bahn</l><lb/>
            <l>Nur &#x017F;chnee, und keine &#x017F;puhr des feuers, finden kan.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#g">ARIA.</hi> </hi> </hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0325] Verliebte und Galante Getichte. Als ſich Flavia uͤber ihre pocken-gruben beklagte. MADRIGAL. WAs zoͤrneſt du doch auf die pocken? Verachte nur die gruͤbgen nicht, Die ſelbſt die liebe zugericht, Um deſto ſicherer die hertzen anzulocken! Zwar anfangs grub ſie ſich blos in ein gruͤbgen ein; Doch meinte ſie allda nicht recht verſteckt zu ſeyn: Deßwegen machte ſie noch mehr dergleichen hoͤlen, Wo ſie mit ſchlauer liſt auf die verliebten ſeelen Zu deiner luft mit netz und bogen zielt. Glaubſt du es nicht? Mein allerliebſtes licht! So ſchau nur auf mein hertz, das noch die wunde fuͤhlt, Und unter ſuͤſſem ſchertz und lallen Hier in die grub und in dein netz gefallen. Auf ihre kalten haͤnde. DU liebſt, mein ſchatz! und biſt doch immer kalt; Jſt denn bey dir allein die lieb ein froſtig weſen? Wie? oder ſoll mein aug aus dieſer kaͤlte leſen, Daß keine wahre lieb in deinen adern wallt? Nein, Flavia! dein kuß und die getreuen blicke Verjagen hier den argwohn aller ruͤcke, Und zeigen, daß dein geiſt in allem ernſte liebt; Doch, daß dein zarter leib ſo wenig waͤrme giebt, Macht blos die reine ſcham: Denn dieſe zwingt die flammen Jn deinem hertzen ſo zuſammen, Daß man auf deiner glieder bahn Nur ſchnee, und keine ſpuhr des feuers, finden kan. ARIA.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/325
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/325>, abgerufen am 26.11.2024.