Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Galante Getichte.
Das lob der Silvia,
eines gewesenen frauenzimmers in L.
G. L.
GEliebte poesie! mein schönstes zeit-vertreiben!
Wofern ich künfftig soll dein grosser freund verbleiben,
So gieb mir diesesmahl vollkommne wörter ein,
Wie meine Silvia recht kan beschrieben seyn.
Doch welcher fremde thon bestrafet diß verlangen?
Und spricht: Verwegner mensch! du bist zu weit gegangen,
Dein bitten ist umsonst, wo der betrogne kiel
Die menschen fahren läst, und engel mahlen will.
Der lobspruch, welchen wir in reime können fassen,
Wird die vollkommenheit gar selten sehen lassen.
Und dessentwegen ist die Silvia galant,
Weil ihre trefflichkeit den wenigsten bekannt.
Ja, liebste poesie! ja freylich ist dein schelten
Gantz billich und gerecht; Doch laß michs nicht entgelten!
Jch soll und muß es thun, daß alle welt versteht,
Wie weit die Silvia mit ihrem lobe geht,
Da eine schlechte hand, die sie kaum angerühret,
So viel vortrefflichkeit in kurtzer zeit gespüret.
Hat man den himmel doch in kupffer abgedrückt,
Den noch kein menschen-kind von ferne nur erblickt;
Kan ein geübter mund gantz ungehindert sagen,
Was sich am letzten theil der erden zugetragen,
Den er noch nie gesehn; Zeigt ein stock-blinder mann
Die farben offtermahls am allerbesten an;
So will ich ebenfalls von den erhobnen gaben
Der edlen Silvia ein blindes urtheil haben.
Es hat ihr die geburth schon so viel ruhm gebracht,
Als man bey andern kaum im sterben kundbar macht.
Selbst die natur hielt sie vors beste meister-stücke,
Darüber eyferte das blinde weib, das glücke,
Und nahm ihr alsobald den, welcher sie gezeugt;
Wie wurde Silvia durch diesen fall gebeugt!
Die
Galante Getichte.
Das lob der Silvia,
eines geweſenen frauenzimmers in L.
G. L.
GEliebte poeſie! mein ſchoͤnſtes zeit-vertreiben!
Wofern ich kuͤnfftig ſoll dein groſſer freund verbleiben,
So gieb mir dieſesmahl vollkommne woͤrter ein,
Wie meine Silvia recht kan beſchrieben ſeyn.
Doch welcher fremde thon beſtrafet diß verlangen?
Und ſpricht: Verwegner menſch! du biſt zu weit gegangen,
Dein bitten iſt umſonſt, wo der betrogne kiel
Die menſchen fahren laͤſt, und engel mahlen will.
Der lobſpruch, welchen wir in reime koͤnnen faſſen,
Wird die vollkommenheit gar ſelten ſehen laſſen.
Und deſſentwegen iſt die Silvia galant,
Weil ihre trefflichkeit den wenigſten bekannt.
Ja, liebſte poeſie! ja freylich iſt dein ſchelten
Gantz billich und gerecht; Doch laß michs nicht entgelten!
Jch ſoll und muß es thun, daß alle welt verſteht,
Wie weit die Silvia mit ihrem lobe geht,
Da eine ſchlechte hand, die ſie kaum angeruͤhret,
So viel vortrefflichkeit in kurtzer zeit geſpuͤret.
Hat man den himmel doch in kupffer abgedruͤckt,
Den noch kein menſchen-kind von ferne nur erblickt;
Kan ein geuͤbter mund gantz ungehindert ſagen,
Was ſich am letzten theil der erden zugetragen,
Den er noch nie geſehn; Zeigt ein ſtock-blinder mann
Die farben offtermahls am allerbeſten an;
So will ich ebenfalls von den erhobnen gaben
Der edlen Silvia ein blindes urtheil haben.
Es hat ihr die geburth ſchon ſo viel ruhm gebracht,
Als man bey andern kaum im ſterben kundbar macht.
Selbſt die natur hielt ſie vors beſte meiſter-ſtuͤcke,
Daruͤber eyferte das blinde weib, das gluͤcke,
Und nahm ihr alſobald den, welcher ſie gezeugt;
Wie wurde Silvia durch dieſen fall gebeugt!
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0055" n="31"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Galante Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Das lob der Silvia,<lb/>
eines gewe&#x017F;enen frauenzimmers in L.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">G. L.</hi></hi></hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">G</hi>Eliebte poe&#x017F;ie! mein &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;tes zeit-vertreiben!</l><lb/>
            <l>Wofern ich ku&#x0364;nfftig &#x017F;oll dein gro&#x017F;&#x017F;er freund verbleiben,</l><lb/>
            <l>So gieb mir die&#x017F;esmahl vollkommne wo&#x0364;rter ein,</l><lb/>
            <l>Wie meine Silvia recht kan be&#x017F;chrieben &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Doch welcher fremde thon be&#x017F;trafet diß verlangen?</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;pricht: Verwegner men&#x017F;ch! du bi&#x017F;t zu weit gegangen,</l><lb/>
            <l>Dein bitten i&#x017F;t um&#x017F;on&#x017F;t, wo der betrogne kiel</l><lb/>
            <l>Die men&#x017F;chen fahren la&#x0364;&#x017F;t, und engel mahlen will.</l><lb/>
            <l>Der lob&#x017F;pruch, welchen wir in reime ko&#x0364;nnen fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wird die vollkommenheit gar &#x017F;elten &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Und de&#x017F;&#x017F;entwegen i&#x017F;t die Silvia galant,</l><lb/>
            <l>Weil ihre trefflichkeit den wenig&#x017F;ten bekannt.</l><lb/>
            <l>Ja, lieb&#x017F;te poe&#x017F;ie! ja freylich i&#x017F;t dein &#x017F;chelten</l><lb/>
            <l>Gantz billich und gerecht; Doch laß michs nicht entgelten!</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;oll und muß es thun, daß alle welt ver&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>Wie weit die Silvia mit ihrem lobe geht,</l><lb/>
            <l>Da eine &#x017F;chlechte hand, die &#x017F;ie kaum angeru&#x0364;hret,</l><lb/>
            <l>So viel vortrefflichkeit in kurtzer zeit ge&#x017F;pu&#x0364;ret.</l><lb/>
            <l>Hat man den himmel doch in kupffer abgedru&#x0364;ckt,</l><lb/>
            <l>Den noch kein men&#x017F;chen-kind von ferne nur erblickt;</l><lb/>
            <l>Kan ein geu&#x0364;bter mund gantz ungehindert &#x017F;agen,</l><lb/>
            <l>Was &#x017F;ich am letzten theil der erden zugetragen,</l><lb/>
            <l>Den er noch nie ge&#x017F;ehn; Zeigt ein &#x017F;tock-blinder mann</l><lb/>
            <l>Die farben offtermahls am allerbe&#x017F;ten an;</l><lb/>
            <l>So will ich ebenfalls von den erhobnen gaben</l><lb/>
            <l>Der edlen Silvia ein blindes urtheil haben.</l><lb/>
            <l>Es hat ihr die geburth &#x017F;chon &#x017F;o viel ruhm gebracht,</l><lb/>
            <l>Als man bey andern kaum im &#x017F;terben kundbar macht.</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t die natur hielt &#x017F;ie vors be&#x017F;te mei&#x017F;ter-&#x017F;tu&#x0364;cke,</l><lb/>
            <l>Daru&#x0364;ber eyferte das blinde weib, das glu&#x0364;cke,</l><lb/>
            <l>Und nahm ihr al&#x017F;obald den, welcher &#x017F;ie gezeugt;</l><lb/>
            <l>Wie wurde Silvia durch die&#x017F;en fall gebeugt!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0055] Galante Getichte. Das lob der Silvia, eines geweſenen frauenzimmers in L. G. L. GEliebte poeſie! mein ſchoͤnſtes zeit-vertreiben! Wofern ich kuͤnfftig ſoll dein groſſer freund verbleiben, So gieb mir dieſesmahl vollkommne woͤrter ein, Wie meine Silvia recht kan beſchrieben ſeyn. Doch welcher fremde thon beſtrafet diß verlangen? Und ſpricht: Verwegner menſch! du biſt zu weit gegangen, Dein bitten iſt umſonſt, wo der betrogne kiel Die menſchen fahren laͤſt, und engel mahlen will. Der lobſpruch, welchen wir in reime koͤnnen faſſen, Wird die vollkommenheit gar ſelten ſehen laſſen. Und deſſentwegen iſt die Silvia galant, Weil ihre trefflichkeit den wenigſten bekannt. Ja, liebſte poeſie! ja freylich iſt dein ſchelten Gantz billich und gerecht; Doch laß michs nicht entgelten! Jch ſoll und muß es thun, daß alle welt verſteht, Wie weit die Silvia mit ihrem lobe geht, Da eine ſchlechte hand, die ſie kaum angeruͤhret, So viel vortrefflichkeit in kurtzer zeit geſpuͤret. Hat man den himmel doch in kupffer abgedruͤckt, Den noch kein menſchen-kind von ferne nur erblickt; Kan ein geuͤbter mund gantz ungehindert ſagen, Was ſich am letzten theil der erden zugetragen, Den er noch nie geſehn; Zeigt ein ſtock-blinder mann Die farben offtermahls am allerbeſten an; So will ich ebenfalls von den erhobnen gaben Der edlen Silvia ein blindes urtheil haben. Es hat ihr die geburth ſchon ſo viel ruhm gebracht, Als man bey andern kaum im ſterben kundbar macht. Selbſt die natur hielt ſie vors beſte meiſter-ſtuͤcke, Daruͤber eyferte das blinde weib, das gluͤcke, Und nahm ihr alſobald den, welcher ſie gezeugt; Wie wurde Silvia durch dieſen fall gebeugt! Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/55
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/55>, abgerufen am 21.11.2024.