Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

gewähren konnte, gern vergönnte, Nichts weiter von ihr, als daß sie ihn liebe, ihn ihr kleines Mündel nenne und mit ihm französisch parlire, wovon ihr noch aus früheren, besseren Tagen etliche Brocken im Gedächtnisse hängen geblieben. Gustav Tiesel neigte sich schon als Junge zum Sprachstudium hin, war auch ein entschiedener Liebling jener Gymnasial-Professoren, die, mit philologischem Unterrichte betraut, seinen Fleiß wie seine hervorragenden Fähigkeiten zu würdigen verstanden. Es ist bekannt, daß er mit elf Jahren in Tertia bei Peter Friedrich Kanngießer, mit dreizehn bei Singe in Secunda, mit fünfzehn gar schon bei Caspar Friedrich Manso in Prima saß. Doch wir dürfen der Zeit nicht vorgreifen.

Für jetzt ist er noch ein kleiner, dünnstimmiger Knabe von zehn Jahren, mit einem artigen Sopran begabt. Vater Tiesel kennt und treibt Musik, die einzige Erholung, die sich der geplagte Bureau-Sclave in seltenen freien Stunden gestattet. Da die beiden Töchter, wie sie Nichts lernen mochten, als sich herausputzen und müßig gehen, auch für musikalische Uebungen keinen Beruf an den Tag legten, so ließ Tiesel sein Mittheilungsbedürfniß an Gustel aus, den er oftmals von den Büchern abrief, um ihn vor die Notenblätter zu zwingen. Anfänglich verrieth der junge Philologe wenig Neigung, suchte vielmehr den väterlichen Unterweisungen zu entschlüpfen, wie er wußte und konnte. Nachdem aber Muhme-Lieutnanten erklärt hatte: es sei

gewähren konnte, gern vergönnte, Nichts weiter von ihr, als daß sie ihn liebe, ihn ihr kleines Mündel nenne und mit ihm französisch parlire, wovon ihr noch aus früheren, besseren Tagen etliche Brocken im Gedächtnisse hängen geblieben. Gustav Tiesel neigte sich schon als Junge zum Sprachstudium hin, war auch ein entschiedener Liebling jener Gymnasial-Professoren, die, mit philologischem Unterrichte betraut, seinen Fleiß wie seine hervorragenden Fähigkeiten zu würdigen verstanden. Es ist bekannt, daß er mit elf Jahren in Tertia bei Peter Friedrich Kanngießer, mit dreizehn bei Singe in Secunda, mit fünfzehn gar schon bei Caspar Friedrich Manso in Prima saß. Doch wir dürfen der Zeit nicht vorgreifen.

Für jetzt ist er noch ein kleiner, dünnstimmiger Knabe von zehn Jahren, mit einem artigen Sopran begabt. Vater Tiesel kennt und treibt Musik, die einzige Erholung, die sich der geplagte Bureau-Sclave in seltenen freien Stunden gestattet. Da die beiden Töchter, wie sie Nichts lernen mochten, als sich herausputzen und müßig gehen, auch für musikalische Uebungen keinen Beruf an den Tag legten, so ließ Tiesel sein Mittheilungsbedürfniß an Gustel aus, den er oftmals von den Büchern abrief, um ihn vor die Notenblätter zu zwingen. Anfänglich verrieth der junge Philologe wenig Neigung, suchte vielmehr den väterlichen Unterweisungen zu entschlüpfen, wie er wußte und konnte. Nachdem aber Muhme-Lieutnanten erklärt hatte: es sei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0019"/>
gewähren konnte, gern                     vergönnte, Nichts weiter von ihr, als daß sie ihn liebe, ihn ihr kleines Mündel                     nenne und mit ihm französisch parlire, wovon ihr noch aus früheren, besseren                     Tagen etliche Brocken im Gedächtnisse hängen geblieben. Gustav Tiesel neigte                     sich schon als Junge zum Sprachstudium hin, war auch ein entschiedener Liebling                     jener Gymnasial-Professoren, die, mit philologischem Unterrichte betraut, seinen                     Fleiß wie seine hervorragenden Fähigkeiten zu würdigen verstanden. Es ist                     bekannt, daß er mit elf Jahren in Tertia bei Peter Friedrich Kanngießer, mit                     dreizehn bei Singe in Secunda, mit fünfzehn gar schon bei Caspar Friedrich Manso                     in Prima saß. Doch wir dürfen der Zeit nicht vorgreifen.</p><lb/>
        <p>Für jetzt ist er noch ein kleiner, dünnstimmiger Knabe von zehn Jahren, mit einem                     artigen Sopran begabt. Vater Tiesel kennt und treibt Musik, die einzige                     Erholung, die sich der geplagte Bureau-Sclave in seltenen freien Stunden                     gestattet. Da die beiden Töchter, wie sie Nichts lernen mochten, als sich                     herausputzen und müßig gehen, auch für musikalische Uebungen keinen Beruf an den                     Tag legten, so ließ Tiesel sein Mittheilungsbedürfniß an Gustel aus, den er                     oftmals von den Büchern abrief, um ihn vor die Notenblätter zu zwingen.                     Anfänglich verrieth der junge Philologe wenig Neigung, suchte vielmehr den                     väterlichen Unterweisungen zu entschlüpfen, wie er wußte und konnte. Nachdem                     aber Muhme-Lieutnanten erklärt hatte: es sei<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] gewähren konnte, gern vergönnte, Nichts weiter von ihr, als daß sie ihn liebe, ihn ihr kleines Mündel nenne und mit ihm französisch parlire, wovon ihr noch aus früheren, besseren Tagen etliche Brocken im Gedächtnisse hängen geblieben. Gustav Tiesel neigte sich schon als Junge zum Sprachstudium hin, war auch ein entschiedener Liebling jener Gymnasial-Professoren, die, mit philologischem Unterrichte betraut, seinen Fleiß wie seine hervorragenden Fähigkeiten zu würdigen verstanden. Es ist bekannt, daß er mit elf Jahren in Tertia bei Peter Friedrich Kanngießer, mit dreizehn bei Singe in Secunda, mit fünfzehn gar schon bei Caspar Friedrich Manso in Prima saß. Doch wir dürfen der Zeit nicht vorgreifen. Für jetzt ist er noch ein kleiner, dünnstimmiger Knabe von zehn Jahren, mit einem artigen Sopran begabt. Vater Tiesel kennt und treibt Musik, die einzige Erholung, die sich der geplagte Bureau-Sclave in seltenen freien Stunden gestattet. Da die beiden Töchter, wie sie Nichts lernen mochten, als sich herausputzen und müßig gehen, auch für musikalische Uebungen keinen Beruf an den Tag legten, so ließ Tiesel sein Mittheilungsbedürfniß an Gustel aus, den er oftmals von den Büchern abrief, um ihn vor die Notenblätter zu zwingen. Anfänglich verrieth der junge Philologe wenig Neigung, suchte vielmehr den väterlichen Unterweisungen zu entschlüpfen, wie er wußte und konnte. Nachdem aber Muhme-Lieutnanten erklärt hatte: es sei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:49:22Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/19
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/19>, abgerufen am 21.11.2024.