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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Die Züge des Angesichts auszunehmen, verhinderte
ihn die Helle, welche durch die im Saale brennenden
Kerzen verbreitet, ihn blendete; aber aus ihren
Bewegungen und mehr noch aus der beunruhigenden
Ahnung, die ihn durchrieselte, glaubte er die braune
Bärbel zu erkennen. Sie, aus der Dunkelheit des
Gartens nach erleuchteten Räumen blickend, hatte
leichteres Spiel und erkannte zweifellos ihn, den sie
suchte. Sie gab ihm einen bedeutsamen Wink. Mit
lebhafter, eindringlicher Geberde lud sie ihn zu sich.
Das war kein Jrrhum. Wolfgang hat richtig
gesehen, dachte Anton, ich hab ihr gefallen, sie sucht
mich auf. Kaum eine Minute lang währte der
Kampf seiner Seele. Aber dieser Kampf zerriß ihm
fast die Brust, ihm war, als ob Ottilie ihn fest
halte, als ob sein Herz mit dem ihrigen verwachsen
sei, als ob er jetzt, in diesem Augenblick der Prüfung,
den Raum nicht verlassen dürfe, wo sie athme. Und
doch trieb stürmische Sehnsucht ihn hinaus, der
bezaubernden Verführerin zu folgen, wohin sie ihn
lockte! Wie wenn er sich durch den Anblick seiner
Geliebten schützen, kräftigen wollte, wendete er noch
einmal seinen Blick nach den Tanzenden zurück: da
sah er dicht hinter sich Ottilie an Theodors Seite, in

Die Zuͤge des Angeſichts auszunehmen, verhinderte
ihn die Helle, welche durch die im Saale brennenden
Kerzen verbreitet, ihn blendete; aber aus ihren
Bewegungen und mehr noch aus der beunruhigenden
Ahnung, die ihn durchrieſelte, glaubte er die braune
Baͤrbel zu erkennen. Sie, aus der Dunkelheit des
Gartens nach erleuchteten Raͤumen blickend, hatte
leichteres Spiel und erkannte zweifellos ihn, den ſie
ſuchte. Sie gab ihm einen bedeutſamen Wink. Mit
lebhafter, eindringlicher Geberde lud ſie ihn zu ſich.
Das war kein Jrrhum. Wolfgang hat richtig
geſehen, dachte Anton, ich hab ihr gefallen, ſie ſucht
mich auf. Kaum eine Minute lang waͤhrte der
Kampf ſeiner Seele. Aber dieſer Kampf zerriß ihm
faſt die Bruſt, ihm war, als ob Ottilie ihn feſt
halte, als ob ſein Herz mit dem ihrigen verwachſen
ſei, als ob er jetzt, in dieſem Augenblick der Pruͤfung,
den Raum nicht verlaſſen duͤrfe, wo ſie athme. Und
doch trieb ſtuͤrmiſche Sehnſucht ihn hinaus, der
bezaubernden Verfuͤhrerin zu folgen, wohin ſie ihn
lockte! Wie wenn er ſich durch den Anblick ſeiner
Geliebten ſchuͤtzen, kraͤftigen wollte, wendete er noch
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[136/0152] Die Zuͤge des Angeſichts auszunehmen, verhinderte ihn die Helle, welche durch die im Saale brennenden Kerzen verbreitet, ihn blendete; aber aus ihren Bewegungen und mehr noch aus der beunruhigenden Ahnung, die ihn durchrieſelte, glaubte er die braune Baͤrbel zu erkennen. Sie, aus der Dunkelheit des Gartens nach erleuchteten Raͤumen blickend, hatte leichteres Spiel und erkannte zweifellos ihn, den ſie ſuchte. Sie gab ihm einen bedeutſamen Wink. Mit lebhafter, eindringlicher Geberde lud ſie ihn zu ſich. Das war kein Jrrhum. Wolfgang hat richtig geſehen, dachte Anton, ich hab ihr gefallen, ſie ſucht mich auf. Kaum eine Minute lang waͤhrte der Kampf ſeiner Seele. Aber dieſer Kampf zerriß ihm faſt die Bruſt, ihm war, als ob Ottilie ihn feſt halte, als ob ſein Herz mit dem ihrigen verwachſen ſei, als ob er jetzt, in dieſem Augenblick der Pruͤfung, den Raum nicht verlaſſen duͤrfe, wo ſie athme. Und doch trieb ſtuͤrmiſche Sehnſucht ihn hinaus, der bezaubernden Verfuͤhrerin zu folgen, wohin ſie ihn lockte! Wie wenn er ſich durch den Anblick ſeiner Geliebten ſchuͤtzen, kraͤftigen wollte, wendete er noch einmal ſeinen Blick nach den Tanzenden zuruͤck: da ſah er dicht hinter ſich Ottilie an Theodors Seite, in

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/152>, abgerufen am 24.11.2024.