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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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ten nicht. Anton vermochte keinesweges, ihr so bald
zu folgen. Von der jetzt eben noch geträumten,
lebendigen Erfüllung lang- und bang-gehegter wilder
Wünsche und Erwartungen in's Reich des Todes
war der Uebergang zu heftig. Er, der weder Liebe
noch Tod, weder Anfang noch Ende, anders als aus
Ahnungen kannte, sollte nun, wo er in den Armen
blühender Schönheit Aufschluß über seine eigenen
Gefühle zu erringen und dadurch gewissermaßen
Rache an Ottilie zu nehmen vermeint hatte, den
schweren Gang zu einem Sterbenden antreten, dem
er das Wort gegeben, nicht zu fehlen, wenn man ihn
rufe?! Die volle Kraft reiner ungeschwächter Jugend,
war nöthig, um in solchem Kampfe nicht zu unter-
liegen.

Jch hab's dem schwarzen Wolfgang versprochen!
Weiter sagt' er nichts und schickte sich an, der braunen
Bärbel Beispiel nachzuahmen. Doch sollten für ihn
die schweren Prüfungen dieser Nacht sich drängen;
er sollte, -- dies war der Wille ewiger Mächte, --
in ihr zum ganzen Manne reifen. Denn als er das
Gestell des Weinlaubenspaliers erklettert hatte und
schon im Begriff stand, durch dichtbelaubte Ranken
sich windend, den Sprung hinab auf den Erdboden

ten nicht. Anton vermochte keinesweges, ihr ſo bald
zu folgen. Von der jetzt eben noch getraͤumten,
lebendigen Erfuͤllung lang- und bang-gehegter wilder
Wuͤnſche und Erwartungen in’s Reich des Todes
war der Uebergang zu heftig. Er, der weder Liebe
noch Tod, weder Anfang noch Ende, anders als aus
Ahnungen kannte, ſollte nun, wo er in den Armen
bluͤhender Schoͤnheit Aufſchluß uͤber ſeine eigenen
Gefuͤhle zu erringen und dadurch gewiſſermaßen
Rache an Ottilie zu nehmen vermeint hatte, den
ſchweren Gang zu einem Sterbenden antreten, dem
er das Wort gegeben, nicht zu fehlen, wenn man ihn
rufe?! Die volle Kraft reiner ungeſchwaͤchter Jugend,
war noͤthig, um in ſolchem Kampfe nicht zu unter-
liegen.

Jch hab’s dem ſchwarzen Wolfgang verſprochen!
Weiter ſagt’ er nichts und ſchickte ſich an, der braunen
Baͤrbel Beiſpiel nachzuahmen. Doch ſollten fuͤr ihn
die ſchweren Pruͤfungen dieſer Nacht ſich draͤngen;
er ſollte, — dies war der Wille ewiger Maͤchte, —
in ihr zum ganzen Manne reifen. Denn als er das
Geſtell des Weinlaubenſpaliers erklettert hatte und
ſchon im Begriff ſtand, durch dichtbelaubte Ranken
ſich windend, den Sprung hinab auf den Erdboden

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[138/0154] ten nicht. Anton vermochte keinesweges, ihr ſo bald zu folgen. Von der jetzt eben noch getraͤumten, lebendigen Erfuͤllung lang- und bang-gehegter wilder Wuͤnſche und Erwartungen in’s Reich des Todes war der Uebergang zu heftig. Er, der weder Liebe noch Tod, weder Anfang noch Ende, anders als aus Ahnungen kannte, ſollte nun, wo er in den Armen bluͤhender Schoͤnheit Aufſchluß uͤber ſeine eigenen Gefuͤhle zu erringen und dadurch gewiſſermaßen Rache an Ottilie zu nehmen vermeint hatte, den ſchweren Gang zu einem Sterbenden antreten, dem er das Wort gegeben, nicht zu fehlen, wenn man ihn rufe?! Die volle Kraft reiner ungeſchwaͤchter Jugend, war noͤthig, um in ſolchem Kampfe nicht zu unter- liegen. Jch hab’s dem ſchwarzen Wolfgang verſprochen! Weiter ſagt’ er nichts und ſchickte ſich an, der braunen Baͤrbel Beiſpiel nachzuahmen. Doch ſollten fuͤr ihn die ſchweren Pruͤfungen dieſer Nacht ſich draͤngen; er ſollte, — dies war der Wille ewiger Maͤchte, — in ihr zum ganzen Manne reifen. Denn als er das Geſtell des Weinlaubenſpaliers erklettert hatte und ſchon im Begriff ſtand, durch dichtbelaubte Ranken ſich windend, den Sprung hinab auf den Erdboden

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/154>, abgerufen am 24.11.2024.