giebt und empfängt in ihrem Todesstündlein! -- -- -- So, so, mein armer Junge! -- Laß' mir die Hand. -- Und grüße Tieletunke, wenn Du sie siehst. -- Und grüße den Herrn Pastor. Jch wollt' ihn nicht zu mir bemühen. Denn erstlich werden sie ihn auf dem Schlosse brauchen, und dann -- ehrlich zu reden, -- ich brauch' ihn nicht. Den einzigen Gram, den ich in meine Brust verschlossen mit mir nehme, kann der gute Mann mir doch auch nicht lösen. Und im Uebrigen weiß ich, woran ich bin. Nein, ich fürchte mich nicht. Es stirbt sich ja so gut, die treue Hand des redlichsten Sohnes in ersterbenden Händen, wie ich die Deine halte .... Deine Thränen fallen sanft auf mein Antlitz; sie sind wie Morgenthau. -- Siehst Du die Sonne sinken? Du meinst, sie schwindet? Nicht doch, sie steigt empor! Sie nimmt mich mit sich. -- Jch werde die Nacht nimmer sehen. -- Jch bleib' im Licht! Jm Licht, mein Anton! -- -- --
Jhre Zunge bewegte sich noch; Worte vernahm er nicht weiter. Ein heiseres Röcheln stellte sich ein. Dieses währte nur wenige Minuten. Dann öffneten sich die schon geschlossenen Augen noch einmal, sie hefteten sich fest auf den geliebten Knaben. Ein ver- klärendes Lächeln zog um den tiefeingefallenen Mund,
giebt und empfaͤngt in ihrem Todesſtuͤndlein! — — — So, ſo, mein armer Junge! — Laß’ mir die Hand. — Und gruͤße Tieletunke, wenn Du ſie ſiehſt. — Und gruͤße den Herrn Paſtor. Jch wollt’ ihn nicht zu mir bemuͤhen. Denn erſtlich werden ſie ihn auf dem Schloſſe brauchen, und dann — ehrlich zu reden, — ich brauch’ ihn nicht. Den einzigen Gram, den ich in meine Bruſt verſchloſſen mit mir nehme, kann der gute Mann mir doch auch nicht loͤſen. Und im Uebrigen weiß ich, woran ich bin. Nein, ich fuͤrchte mich nicht. Es ſtirbt ſich ja ſo gut, die treue Hand des redlichſten Sohnes in erſterbenden Haͤnden, wie ich die Deine halte .... Deine Thraͤnen fallen ſanft auf mein Antlitz; ſie ſind wie Morgenthau. — Siehſt Du die Sonne ſinken? Du meinſt, ſie ſchwindet? Nicht doch, ſie ſteigt empor! Sie nimmt mich mit ſich. — Jch werde die Nacht nimmer ſehen. — Jch bleib’ im Licht! Jm Licht, mein Anton! — — —
Jhre Zunge bewegte ſich noch; Worte vernahm er nicht weiter. Ein heiſeres Roͤcheln ſtellte ſich ein. Dieſes waͤhrte nur wenige Minuten. Dann oͤffneten ſich die ſchon geſchloſſenen Augen noch einmal, ſie hefteten ſich feſt auf den geliebten Knaben. Ein ver- klaͤrendes Laͤcheln zog um den tiefeingefallenen Mund,
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giebt und empfaͤngt in ihrem Todesſtuͤndlein! — — —
So, ſo, mein armer Junge! — Laß’ mir die Hand.
— Und gruͤße Tieletunke, wenn Du ſie ſiehſt. —
Und gruͤße den Herrn Paſtor. Jch wollt’ ihn nicht
zu mir bemuͤhen. Denn erſtlich werden ſie ihn auf
dem Schloſſe brauchen, und dann — ehrlich zu reden,
— ich brauch’ ihn nicht. Den einzigen Gram, den
ich in meine Bruſt verſchloſſen mit mir nehme, kann
der gute Mann mir doch auch nicht loͤſen. Und im
Uebrigen weiß ich, woran ich bin. Nein, ich fuͤrchte
mich nicht. Es ſtirbt ſich ja ſo gut, die treue Hand
des redlichſten Sohnes in erſterbenden Haͤnden, wie
ich die Deine halte .... Deine Thraͤnen fallen ſanft
auf mein Antlitz; ſie ſind wie Morgenthau. — Siehſt
Du die Sonne ſinken? Du meinſt, ſie ſchwindet?
Nicht doch, ſie ſteigt empor! Sie nimmt mich mit ſich.
— Jch werde die Nacht nimmer ſehen. — Jch bleib’
im Licht! Jm Licht, mein Anton! — — —
Jhre Zunge bewegte ſich noch; Worte vernahm
er nicht weiter. Ein heiſeres Roͤcheln ſtellte ſich ein.
Dieſes waͤhrte nur wenige Minuten. Dann oͤffneten
ſich die ſchon geſchloſſenen Augen noch einmal, ſie
hefteten ſich feſt auf den geliebten Knaben. Ein ver-
klaͤrendes Laͤcheln zog um den tiefeingefallenen Mund,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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