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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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die auf dem Rückwege vom Eichberg ersonnenen und
durchdachten Vorkehrungen zu treffen. Mutter
Goksch hatte zwar die Kasse geführt, aber Anton ja
schon seit Jahren mit erwerben helfen. Er hielt
sich folglich für berechtiget, an sich zu nehmen, was
an Gold- und Silber-Münzen vorräthig, dem "Ku-
rator der Masse" nicht überliefert worden war. Ein
Sümmchen von dreißig Thalern vielleicht. Damit,
meinte er, komm' ich bequem durch die ganze Welt!
Seine besten Kleider und gute Wäsche schnürt' er in
ein tüchtiges Bündel zusammen. Alle übrigen
Effekten verschloß er, vereinte sämmtliche Schlüssel
durch ein Band, und bezeichnete sie, nach ihren ver-
schiedenen Bestimmungen durch angeheftete Zettel.
Weil er denn gerade beim Schreiben war, suchte er
den feinsten, reinsten Bogen, der sich etwa noch finden
ließ, auf welchen er mit langsam geführter Feder nach-
folgende Zeilen stellte:

Mir hast Du Dein "Leb' wohl!" gesagt, --
So will ich gehen.
Die Taube hier hat Dir behagt;
So mag sie stehen
Jn Deiner Nähe allezeit.
Der sie erzog, der ist gar weit:
Du wirst ihn nicht mehr sehen,
Denn ich muß gehen.

die auf dem Ruͤckwege vom Eichberg erſonnenen und
durchdachten Vorkehrungen zu treffen. Mutter
Gokſch hatte zwar die Kaſſe gefuͤhrt, aber Anton ja
ſchon ſeit Jahren mit erwerben helfen. Er hielt
ſich folglich fuͤr berechtiget, an ſich zu nehmen, was
an Gold- und Silber-Muͤnzen vorraͤthig, dem „Ku-
rator der Maſſe“ nicht uͤberliefert worden war. Ein
Suͤmmchen von dreißig Thalern vielleicht. Damit,
meinte er, komm’ ich bequem durch die ganze Welt!
Seine beſten Kleider und gute Waͤſche ſchnuͤrt’ er in
ein tuͤchtiges Buͤndel zuſammen. Alle uͤbrigen
Effekten verſchloß er, vereinte ſaͤmmtliche Schluͤſſel
durch ein Band, und bezeichnete ſie, nach ihren ver-
ſchiedenen Beſtimmungen durch angeheftete Zettel.
Weil er denn gerade beim Schreiben war, ſuchte er
den feinſten, reinſten Bogen, der ſich etwa noch finden
ließ, auf welchen er mit langſam gefuͤhrter Feder nach-
folgende Zeilen ſtellte:

Mir haſt Du Dein „Leb’ wohl!“ geſagt, —
So will ich gehen.
Die Taube hier hat Dir behagt;
So mag ſie ſtehen
Jn Deiner Nähe allezeit.
Der ſie erzog, der iſt gar weit:
Du wirſt ihn nicht mehr ſehen,
Denn ich muß gehen.
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[221/0237] die auf dem Ruͤckwege vom Eichberg erſonnenen und durchdachten Vorkehrungen zu treffen. Mutter Gokſch hatte zwar die Kaſſe gefuͤhrt, aber Anton ja ſchon ſeit Jahren mit erwerben helfen. Er hielt ſich folglich fuͤr berechtiget, an ſich zu nehmen, was an Gold- und Silber-Muͤnzen vorraͤthig, dem „Ku- rator der Maſſe“ nicht uͤberliefert worden war. Ein Suͤmmchen von dreißig Thalern vielleicht. Damit, meinte er, komm’ ich bequem durch die ganze Welt! Seine beſten Kleider und gute Waͤſche ſchnuͤrt’ er in ein tuͤchtiges Buͤndel zuſammen. Alle uͤbrigen Effekten verſchloß er, vereinte ſaͤmmtliche Schluͤſſel durch ein Band, und bezeichnete ſie, nach ihren ver- ſchiedenen Beſtimmungen durch angeheftete Zettel. Weil er denn gerade beim Schreiben war, ſuchte er den feinſten, reinſten Bogen, der ſich etwa noch finden ließ, auf welchen er mit langſam gefuͤhrter Feder nach- folgende Zeilen ſtellte: Mir haſt Du Dein „Leb’ wohl!“ geſagt, — So will ich gehen. Die Taube hier hat Dir behagt; So mag ſie ſtehen Jn Deiner Nähe allezeit. Der ſie erzog, der iſt gar weit: Du wirſt ihn nicht mehr ſehen, Denn ich muß gehen.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/237>, abgerufen am 18.12.2024.