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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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tern, wie schwer es auf ihnen gelastet. Jetzt fühlte
sich der Reisende so leicht und froh, daß er keinen
andern Wunsch hegte, als den: es möge immer so
fortgehen wie bisher, dann wollt' er's schon aus-
halten!!

Glückliches Kind!

Vielleicht auch waren jene Stunden, wo er mit
kaltem Novemberregen tüchtig angefeuchtet, auf hartem
Sitz, im stoßenden Wagen, vom faulsten Pferde
gezogen, die elendeste Landstraße entlang fuhr, seiner
ganzen künftigen Pilgerfahrt zufriedenste??

Vor dem Thore von R. angelangt, blieb der
geprüfte und erprobte Wallach stehen. Der dicke
Mann, vom Stillstand der Reisemühle erwachend,
gab sich als Fleischhauer kund, der aus ländlichen
Vorstädten Kälber abzuholen ausgezogen war. An-
ton bedankte sich vielmals, ergriff seine Last, -- der
eindringende Regen hatte sie nicht leichter gemacht,
und rettete noch zu rechter Zeit seine zarten Finger
aus einem warmen Händedruck des Fleischers, der
sie ihm aus Wohlwollen schier zermalmt hätte.

Wo gelang ich wohl zur Menagerie? fragte er
mitten auf dem Marktplatz sehr demüthig den großen,
schwarzbärtigen Mann in rother Jacke und schmutzigen

tern, wie ſchwer es auf ihnen gelaſtet. Jetzt fuͤhlte
ſich der Reiſende ſo leicht und froh, daß er keinen
andern Wunſch hegte, als den: es moͤge immer ſo
fortgehen wie bisher, dann wollt’ er’s ſchon aus-
halten!!

Gluͤckliches Kind!

Vielleicht auch waren jene Stunden, wo er mit
kaltem Novemberregen tuͤchtig angefeuchtet, auf hartem
Sitz, im ſtoßenden Wagen, vom faulſten Pferde
gezogen, die elendeſte Landſtraße entlang fuhr, ſeiner
ganzen kuͤnftigen Pilgerfahrt zufriedenſte??

Vor dem Thore von R. angelangt, blieb der
gepruͤfte und erprobte Wallach ſtehen. Der dicke
Mann, vom Stillſtand der Reiſemuͤhle erwachend,
gab ſich als Fleiſchhauer kund, der aus laͤndlichen
Vorſtaͤdten Kaͤlber abzuholen ausgezogen war. An-
ton bedankte ſich vielmals, ergriff ſeine Laſt, — der
eindringende Regen hatte ſie nicht leichter gemacht,
und rettete noch zu rechter Zeit ſeine zarten Finger
aus einem warmen Haͤndedruck des Fleiſchers, der
ſie ihm aus Wohlwollen ſchier zermalmt haͤtte.

Wo gelang ich wohl zur Menagerie? fragte er
mitten auf dem Marktplatz ſehr demuͤthig den großen,
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[240/0256] tern, wie ſchwer es auf ihnen gelaſtet. Jetzt fuͤhlte ſich der Reiſende ſo leicht und froh, daß er keinen andern Wunſch hegte, als den: es moͤge immer ſo fortgehen wie bisher, dann wollt’ er’s ſchon aus- halten!! Gluͤckliches Kind! Vielleicht auch waren jene Stunden, wo er mit kaltem Novemberregen tuͤchtig angefeuchtet, auf hartem Sitz, im ſtoßenden Wagen, vom faulſten Pferde gezogen, die elendeſte Landſtraße entlang fuhr, ſeiner ganzen kuͤnftigen Pilgerfahrt zufriedenſte?? Vor dem Thore von R. angelangt, blieb der gepruͤfte und erprobte Wallach ſtehen. Der dicke Mann, vom Stillſtand der Reiſemuͤhle erwachend, gab ſich als Fleiſchhauer kund, der aus laͤndlichen Vorſtaͤdten Kaͤlber abzuholen ausgezogen war. An- ton bedankte ſich vielmals, ergriff ſeine Laſt, — der eindringende Regen hatte ſie nicht leichter gemacht, und rettete noch zu rechter Zeit ſeine zarten Finger aus einem warmen Haͤndedruck des Fleiſchers, der ſie ihm aus Wohlwollen ſchier zermalmt haͤtte. Wo gelang ich wohl zur Menagerie? fragte er mitten auf dem Marktplatz ſehr demuͤthig den großen, ſchwarzbaͤrtigen Mann in rother Jacke und ſchmutzigen

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/256>, abgerufen am 23.11.2024.