"Jch gebe mir alle nur ersinnliche Mühe, an Ottilie zu denken, wie früher. Seitdem Madame Laura meiner linken Hand zu Ehren in Ohnmacht zu sinken so gütig gewesen, muß ich immer an Madame Laura denken. Es fällt mir jetzt erst ein, daß Ottilie von Kannabich auffallend mager war. Laura hat eine Figur wie die braune Bärbel, doch ganz in Weiß und Roth. Jhre Haut ist Sammet; sie hat auch etwas von Pfirsich-Flaum. Das weiß Madame sehr wohl. Sie weiß überhaupt, daß sie schön ist. Sie müßte auch taub sein, wollte sie es nicht wissen, denn die faden Laffen sagen es ihr von Früh bis Abend. Neulich, als sie mich im Französisch reden übte, wobei sie auch versucht Deutsch zu lernen, was sie durchaus nicht zu Stande bringt, fragte sie mich, wie "peau" auf Deutsch genannt werde? Jch dachte, sie bezöge diese Frage auf den Eisbären, vor dessen Käfig wir just standen und antwortete: "Fell--Pelz." Wie konnt' ich anders? Nachher, als wir aus der Bude zum Essen gehen wollten, rief sie mir zu: An- toine, Sie mir geb' der Parasol, ohne das, der Sonn' mich verbrenn' mein Fell-Pelz! Da war sie so schön, wie sie das sagte, daß ich ihr am Liebsten auf offener
„Jch gebe mir alle nur erſinnliche Muͤhe, an Ottilie zu denken, wie fruͤher. Seitdem Madame Laura meiner linken Hand zu Ehren in Ohnmacht zu ſinken ſo guͤtig geweſen, muß ich immer an Madame Laura denken. Es faͤllt mir jetzt erſt ein, daß Ottilie von Kannabich auffallend mager war. Laura hat eine Figur wie die braune Baͤrbel, doch ganz in Weiß und Roth. Jhre Haut iſt Sammet; ſie hat auch etwas von Pfirſich-Flaum. Das weiß Madame ſehr wohl. Sie weiß uͤberhaupt, daß ſie ſchoͤn iſt. Sie muͤßte auch taub ſein, wollte ſie es nicht wiſſen, denn die faden Laffen ſagen es ihr von Fruͤh bis Abend. Neulich, als ſie mich im Franzoͤſiſch reden uͤbte, wobei ſie auch verſucht Deutſch zu lernen, was ſie durchaus nicht zu Stande bringt, fragte ſie mich, wie „peau“ auf Deutſch genannt werde? Jch dachte, ſie bezoͤge dieſe Frage auf den Eisbaͤren, vor deſſen Kaͤfig wir juſt ſtanden und antwortete: „Fell—Pelz.“ Wie konnt’ ich anders? Nachher, als wir aus der Bude zum Eſſen gehen wollten, rief ſie mir zu: An- toine, Sie mir geb’ der Paraſol, ohne das, der Sonn’ mich verbrenn’ mein Fell-Pelz! Da war ſie ſo ſchoͤn, wie ſie das ſagte, daß ich ihr am Liebſten auf offener
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„Jch gebe mir alle nur erſinnliche Muͤhe, an
Ottilie zu denken, wie fruͤher. Seitdem Madame
Laura meiner linken Hand zu Ehren in Ohnmacht
zu ſinken ſo guͤtig geweſen, muß ich immer an Madame
Laura denken. Es faͤllt mir jetzt erſt ein, daß Ottilie
von Kannabich auffallend mager war. Laura hat
eine Figur wie die braune Baͤrbel, doch ganz in Weiß
und Roth. Jhre Haut iſt Sammet; ſie hat auch
etwas von Pfirſich-Flaum. Das weiß Madame
ſehr wohl. Sie weiß uͤberhaupt, daß ſie ſchoͤn iſt.
Sie muͤßte auch taub ſein, wollte ſie es nicht wiſſen,
denn die faden Laffen ſagen es ihr von Fruͤh bis
Abend. Neulich, als ſie mich im Franzoͤſiſch reden
uͤbte, wobei ſie auch verſucht Deutſch zu lernen, was
ſie durchaus nicht zu Stande bringt, fragte ſie mich,
wie „peau“ auf Deutſch genannt werde? Jch dachte,
ſie bezoͤge dieſe Frage auf den Eisbaͤren, vor deſſen
Kaͤfig wir juſt ſtanden und antwortete: „Fell—Pelz.“
Wie konnt’ ich anders? Nachher, als wir aus der
Bude zum Eſſen gehen wollten, rief ſie mir zu: An-
toine, Sie mir geb’ der Paraſol, ohne das, der Sonn’
mich verbrenn’ mein Fell-Pelz! Da war ſie ſo ſchoͤn,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/301>, abgerufen am 24.11.2024.
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