von der übelsten Laune gewesen. Jch schob das auf ihre Verstimmung, wegen des großen Successes den die Reiter hatten, der uns die Einnahmen unserer letzten Tage nothwendig schmälern mußte, und dachte nur an den lieben Brodneid, um so mehr weil sich Madame Simonelli ehrlich darüber aussprach."
"Gestern begab ich mich in den Cirkus, während der Morgenstunden, wo bei uns keine Seele anwesend war und ich leicht abkommen konnte. Herr Guillaume empfing mich wie einen willkommenen Gast und ließ mir ein Pferd vorführen, um zu sehen wie ich mich beneh- men würde. Mir schlug wohl ein Bischen das Herz, aber weil Madame Adelaide und Demoiselle Adele Jartour zugegen waren, schämt' ich mich nein zu sagen und dachte: jetzt ist schon Alles Eins, und sollt' es an den Kragen gehen, geritten muß sein. Kaum saß ich im Sattel, wurde mir zu Sinne, als ob ich darauf geboren wäre. Gott weiß, wie das zu geht, aber Alle riefen es aus, und ich muß es selbst sagen: ein geübter Reiter könnte sich kaum besser halten. Niemand wollte mir glauben, daß ich noch nie zu Pferde gesessen. Jch tummelte das willige Thier mit leichter Hand länger als eine Stunde hindurch in der Bahn, zum Ergötzen der Truppe; ich wollte mich
von der uͤbelſten Laune geweſen. Jch ſchob das auf ihre Verſtimmung, wegen des großen Succeſſes den die Reiter hatten, der uns die Einnahmen unſerer letzten Tage nothwendig ſchmaͤlern mußte, und dachte nur an den lieben Brodneid, um ſo mehr weil ſich Madame Simonelli ehrlich daruͤber ausſprach.“
„Geſtern begab ich mich in den Cirkus, waͤhrend der Morgenſtunden, wo bei uns keine Seele anweſend war und ich leicht abkommen konnte. Herr Guillaume empfing mich wie einen willkommenen Gaſt und ließ mir ein Pferd vorfuͤhren, um zu ſehen wie ich mich beneh- men wuͤrde. Mir ſchlug wohl ein Bischen das Herz, aber weil Madame Adelaide und Demoiſelle Adele Jartour zugegen waren, ſchaͤmt’ ich mich nein zu ſagen und dachte: jetzt iſt ſchon Alles Eins, und ſollt’ es an den Kragen gehen, geritten muß ſein. Kaum ſaß ich im Sattel, wurde mir zu Sinne, als ob ich darauf geboren waͤre. Gott weiß, wie das zu geht, aber Alle riefen es aus, und ich muß es ſelbſt ſagen: ein geuͤbter Reiter koͤnnte ſich kaum beſſer halten. Niemand wollte mir glauben, daß ich noch nie zu Pferde geſeſſen. Jch tummelte das willige Thier mit leichter Hand laͤnger als eine Stunde hindurch in der Bahn, zum Ergoͤtzen der Truppe; ich wollte mich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divtype="diaryEntry"n="3"><p><pbfacs="#f0308"n="292"/>
von der uͤbelſten Laune geweſen. Jch ſchob das auf<lb/>
ihre Verſtimmung, wegen des großen Succeſſes den<lb/>
die Reiter hatten, der uns die Einnahmen unſerer<lb/>
letzten Tage nothwendig ſchmaͤlern mußte, und dachte<lb/>
nur an den lieben Brodneid, um ſo mehr weil ſich<lb/>
Madame Simonelli ehrlich daruͤber ausſprach.“</p><lb/><p>„Geſtern begab ich mich in den Cirkus, waͤhrend<lb/>
der Morgenſtunden, wo bei uns keine Seele anweſend<lb/>
war und ich leicht abkommen konnte. Herr Guillaume<lb/>
empfing mich wie einen willkommenen Gaſt und ließ<lb/>
mir ein Pferd vorfuͤhren, um zu ſehen wie ich mich beneh-<lb/>
men wuͤrde. Mir ſchlug wohl ein Bischen das Herz,<lb/>
aber weil Madame Adelaide und Demoiſelle Adele<lb/>
Jartour zugegen waren, ſchaͤmt’ ich mich nein zu<lb/>ſagen und dachte: jetzt iſt ſchon Alles Eins, und ſollt’<lb/>
es an den Kragen gehen, geritten muß ſein. Kaum<lb/>ſaß ich im Sattel, wurde mir zu Sinne, als ob ich<lb/>
darauf geboren waͤre. Gott weiß, wie das zu geht,<lb/>
aber Alle riefen es aus, und ich muß es ſelbſt ſagen:<lb/>
ein geuͤbter Reiter koͤnnte ſich kaum beſſer halten.<lb/>
Niemand wollte mir glauben, daß ich noch nie zu<lb/>
Pferde geſeſſen. Jch tummelte das willige Thier mit<lb/>
leichter Hand laͤnger als eine Stunde hindurch in der<lb/>
Bahn, zum Ergoͤtzen der Truppe; ich wollte mich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[292/0308]
von der uͤbelſten Laune geweſen. Jch ſchob das auf
ihre Verſtimmung, wegen des großen Succeſſes den
die Reiter hatten, der uns die Einnahmen unſerer
letzten Tage nothwendig ſchmaͤlern mußte, und dachte
nur an den lieben Brodneid, um ſo mehr weil ſich
Madame Simonelli ehrlich daruͤber ausſprach.“
„Geſtern begab ich mich in den Cirkus, waͤhrend
der Morgenſtunden, wo bei uns keine Seele anweſend
war und ich leicht abkommen konnte. Herr Guillaume
empfing mich wie einen willkommenen Gaſt und ließ
mir ein Pferd vorfuͤhren, um zu ſehen wie ich mich beneh-
men wuͤrde. Mir ſchlug wohl ein Bischen das Herz,
aber weil Madame Adelaide und Demoiſelle Adele
Jartour zugegen waren, ſchaͤmt’ ich mich nein zu
ſagen und dachte: jetzt iſt ſchon Alles Eins, und ſollt’
es an den Kragen gehen, geritten muß ſein. Kaum
ſaß ich im Sattel, wurde mir zu Sinne, als ob ich
darauf geboren waͤre. Gott weiß, wie das zu geht,
aber Alle riefen es aus, und ich muß es ſelbſt ſagen:
ein geuͤbter Reiter koͤnnte ſich kaum beſſer halten.
Niemand wollte mir glauben, daß ich noch nie zu
Pferde geſeſſen. Jch tummelte das willige Thier mit
leichter Hand laͤnger als eine Stunde hindurch in der
Bahn, zum Ergoͤtzen der Truppe; ich wollte mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/308>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.