hatte sie den jungen Grafen zum ersten Male gesehen. Unsere Augen, so drückte sie sich aus, haben sich begeg- net und unsere Herzen haben sich gefunden. Dann fuhr sie fort, zu schildern, wie sein Bild nicht mehr aus ihrem Gedächtniß wich. Später zogen die Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, sie an- zureden. Bei Bildhauers trafen sie sich. Nachdem ich jene unselige Entdeckung gemacht, daß der junge Mann dort verkehrte, wurden sie vorsichtiger. Sie mieden sich bei Tageslicht. Aber ach, die Nächte brachte sie jenseits der Brücke zu. Wenn der Vater und ich im tiefen Schlummer lagen, schlich die Ver- führte in's Haus der Kupplerfamilie. --
Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie sie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders, wie wenn sie in ihrem vollen Rechte wäre und wir hatten das Zuhören. Endlich zog sie einen Brief hervor, den ihr der Graf zum Abschied an sie geschrie- ben. Da stand es mit deutlichen Worten, daß er sie verehre, daß er sie lieben werde sein Lebelang, daß er sie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern Einwilligung abschmeicheln wolle, um die Schönste heimzuführen auf seine Herrschaft und sie glücklich zu machen.
hatte ſie den jungen Grafen zum erſten Male geſehen. Unſere Augen, ſo druͤckte ſie ſich aus, haben ſich begeg- net und unſere Herzen haben ſich gefunden. Dann fuhr ſie fort, zu ſchildern, wie ſein Bild nicht mehr aus ihrem Gedaͤchtniß wich. Spaͤter zogen die Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, ſie an- zureden. Bei Bildhauers trafen ſie ſich. Nachdem ich jene unſelige Entdeckung gemacht, daß der junge Mann dort verkehrte, wurden ſie vorſichtiger. Sie mieden ſich bei Tageslicht. Aber ach, die Naͤchte brachte ſie jenſeits der Bruͤcke zu. Wenn der Vater und ich im tiefen Schlummer lagen, ſchlich die Ver- fuͤhrte in’s Haus der Kupplerfamilie. —
Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie ſie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders, wie wenn ſie in ihrem vollen Rechte waͤre und wir hatten das Zuhoͤren. Endlich zog ſie einen Brief hervor, den ihr der Graf zum Abſchied an ſie geſchrie- ben. Da ſtand es mit deutlichen Worten, daß er ſie verehre, daß er ſie lieben werde ſein Lebelang, daß er ſie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern Einwilligung abſchmeicheln wolle, um die Schoͤnſte heimzufuͤhren auf ſeine Herrſchaft und ſie gluͤcklich zu machen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="18"/>
hatte ſie den jungen Grafen zum erſten Male geſehen.<lb/>
Unſere Augen, ſo druͤckte ſie ſich aus, haben ſich begeg-<lb/>
net und unſere Herzen haben ſich gefunden. Dann<lb/>
fuhr ſie fort, zu ſchildern, wie ſein Bild nicht mehr<lb/>
aus ihrem Gedaͤchtniß wich. Spaͤter zogen die<lb/>
Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, ſie an-<lb/>
zureden. Bei Bildhauers trafen ſie ſich. Nachdem<lb/>
ich jene unſelige Entdeckung gemacht, daß der junge<lb/>
Mann dort verkehrte, wurden ſie vorſichtiger. Sie<lb/>
mieden ſich bei Tageslicht. Aber ach, die Naͤchte<lb/>
brachte ſie jenſeits der Bruͤcke zu. Wenn der Vater<lb/>
und ich im tiefen Schlummer lagen, ſchlich die Ver-<lb/>
fuͤhrte in’s Haus der Kupplerfamilie. —</p><lb/><p>Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie<lb/>ſie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders,<lb/>
wie wenn ſie in ihrem vollen Rechte waͤre und wir<lb/>
hatten das Zuhoͤren. Endlich zog ſie einen Brief<lb/>
hervor, den ihr der Graf zum Abſchied an ſie geſchrie-<lb/>
ben. Da ſtand es mit deutlichen Worten, daß er ſie<lb/>
verehre, daß er ſie lieben werde ſein Lebelang, daß er<lb/>ſie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern<lb/>
Einwilligung abſchmeicheln wolle, um die Schoͤnſte<lb/>
heimzufuͤhren auf ſeine Herrſchaft und ſie gluͤcklich zu<lb/>
machen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[18/0034]
hatte ſie den jungen Grafen zum erſten Male geſehen.
Unſere Augen, ſo druͤckte ſie ſich aus, haben ſich begeg-
net und unſere Herzen haben ſich gefunden. Dann
fuhr ſie fort, zu ſchildern, wie ſein Bild nicht mehr
aus ihrem Gedaͤchtniß wich. Spaͤter zogen die
Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, ſie an-
zureden. Bei Bildhauers trafen ſie ſich. Nachdem
ich jene unſelige Entdeckung gemacht, daß der junge
Mann dort verkehrte, wurden ſie vorſichtiger. Sie
mieden ſich bei Tageslicht. Aber ach, die Naͤchte
brachte ſie jenſeits der Bruͤcke zu. Wenn der Vater
und ich im tiefen Schlummer lagen, ſchlich die Ver-
fuͤhrte in’s Haus der Kupplerfamilie. —
Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie
ſie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders,
wie wenn ſie in ihrem vollen Rechte waͤre und wir
hatten das Zuhoͤren. Endlich zog ſie einen Brief
hervor, den ihr der Graf zum Abſchied an ſie geſchrie-
ben. Da ſtand es mit deutlichen Worten, daß er ſie
verehre, daß er ſie lieben werde ſein Lebelang, daß er
ſie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern
Einwilligung abſchmeicheln wolle, um die Schoͤnſte
heimzufuͤhren auf ſeine Herrſchaft und ſie gluͤcklich zu
machen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/34>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.