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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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hatte sie den jungen Grafen zum ersten Male gesehen.
Unsere Augen, so drückte sie sich aus, haben sich begeg-
net und unsere Herzen haben sich gefunden. Dann
fuhr sie fort, zu schildern, wie sein Bild nicht mehr
aus ihrem Gedächtniß wich. Später zogen die
Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, sie an-
zureden. Bei Bildhauers trafen sie sich. Nachdem
ich jene unselige Entdeckung gemacht, daß der junge
Mann dort verkehrte, wurden sie vorsichtiger. Sie
mieden sich bei Tageslicht. Aber ach, die Nächte
brachte sie jenseits der Brücke zu. Wenn der Vater
und ich im tiefen Schlummer lagen, schlich die Ver-
führte in's Haus der Kupplerfamilie. --

Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie
sie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders,
wie wenn sie in ihrem vollen Rechte wäre und wir
hatten das Zuhören. Endlich zog sie einen Brief
hervor, den ihr der Graf zum Abschied an sie geschrie-
ben. Da stand es mit deutlichen Worten, daß er sie
verehre, daß er sie lieben werde sein Lebelang, daß er
sie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern
Einwilligung abschmeicheln wolle, um die Schönste
heimzuführen auf seine Herrschaft und sie glücklich zu
machen.

hatte ſie den jungen Grafen zum erſten Male geſehen.
Unſere Augen, ſo druͤckte ſie ſich aus, haben ſich begeg-
net und unſere Herzen haben ſich gefunden. Dann
fuhr ſie fort, zu ſchildern, wie ſein Bild nicht mehr
aus ihrem Gedaͤchtniß wich. Spaͤter zogen die
Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, ſie an-
zureden. Bei Bildhauers trafen ſie ſich. Nachdem
ich jene unſelige Entdeckung gemacht, daß der junge
Mann dort verkehrte, wurden ſie vorſichtiger. Sie
mieden ſich bei Tageslicht. Aber ach, die Naͤchte
brachte ſie jenſeits der Bruͤcke zu. Wenn der Vater
und ich im tiefen Schlummer lagen, ſchlich die Ver-
fuͤhrte in’s Haus der Kupplerfamilie. —

Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie
ſie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders,
wie wenn ſie in ihrem vollen Rechte waͤre und wir
hatten das Zuhoͤren. Endlich zog ſie einen Brief
hervor, den ihr der Graf zum Abſchied an ſie geſchrie-
ben. Da ſtand es mit deutlichen Worten, daß er ſie
verehre, daß er ſie lieben werde ſein Lebelang, daß er
ſie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern
Einwilligung abſchmeicheln wolle, um die Schoͤnſte
heimzufuͤhren auf ſeine Herrſchaft und ſie gluͤcklich zu
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[18/0034] hatte ſie den jungen Grafen zum erſten Male geſehen. Unſere Augen, ſo druͤckte ſie ſich aus, haben ſich begeg- net und unſere Herzen haben ſich gefunden. Dann fuhr ſie fort, zu ſchildern, wie ſein Bild nicht mehr aus ihrem Gedaͤchtniß wich. Spaͤter zogen die Truppen hier ein. Guido fand Gelegenheit, ſie an- zureden. Bei Bildhauers trafen ſie ſich. Nachdem ich jene unſelige Entdeckung gemacht, daß der junge Mann dort verkehrte, wurden ſie vorſichtiger. Sie mieden ſich bei Tageslicht. Aber ach, die Naͤchte brachte ſie jenſeits der Bruͤcke zu. Wenn der Vater und ich im tiefen Schlummer lagen, ſchlich die Ver- fuͤhrte in’s Haus der Kupplerfamilie. — Jch vermag Dir nicht zu wiederholen, Anton, wie ſie das Alles vorbrachte. War es doch nicht anders, wie wenn ſie in ihrem vollen Rechte waͤre und wir hatten das Zuhoͤren. Endlich zog ſie einen Brief hervor, den ihr der Graf zum Abſchied an ſie geſchrie- ben. Da ſtand es mit deutlichen Worten, daß er ſie verehre, daß er ſie lieben werde ſein Lebelang, daß er ſie als Braut betrachte, und daß er nur der Eltern Einwilligung abſchmeicheln wolle, um die Schoͤnſte heimzufuͤhren auf ſeine Herrſchaft und ſie gluͤcklich zu machen.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/34>, abgerufen am 23.11.2024.