Herzen des kräftigen Jungen kämpften sichtbar hef- tige Entschlüsse, deren Widerstreit sich bisweilen in tief ausgestoßenen Seufzern, oder in einzelnen abge- rissenen Worten kund gab. Seine Hände waren krampfhaft zusammengeballt. Von Zeit zu Zeit streckt' er sie drohend gen Himmel. Als er, heftigen Schrit- tes, den sogenannten "Fuchswinkel" erreicht, einen düsteren, unzugänglichen Platz im großen Walde, warf er sich, wie wenn er jetzt erst sicher vor jeder Begegnung mit einem menschlichen Wesen und sei- nem Grame nun erst ungestört überlassen sei, laut heulend zu Boden und begann das bunte Waldmoos um seine Lagerstätte her auszurupfen und zu zerstö- ren. Eine ganze Nacht hindurch hatte er seinem Schmerze Gewalt angethan, und sich männlich be- herrscht, um die Großmutter nicht zu beunruhigen. Jetzt wußt' er sich jeder Fessel entbunden und durfte sich austoben. Rasende Flüche gegen Jenen gerichtet, der ihm das Dasein gegeben, schäumten von Anton's Munde. Eine Verwünschung drängte die andere. Rache, Rache für meine Mutter! So lauteten die letzten Worte, die er abgemattet und erschöpft hervor- bringen konnte. Dann sank er bewußtlos in dumpfen Schlaf, der ihm anfänglich finstere, blutige Bilder
Herzen des kraͤftigen Jungen kaͤmpften ſichtbar hef- tige Entſchluͤſſe, deren Widerſtreit ſich bisweilen in tief ausgeſtoßenen Seufzern, oder in einzelnen abge- riſſenen Worten kund gab. Seine Haͤnde waren krampfhaft zuſammengeballt. Von Zeit zu Zeit ſtreckt’ er ſie drohend gen Himmel. Als er, heftigen Schrit- tes, den ſogenannten „Fuchswinkel“ erreicht, einen duͤſteren, unzugaͤnglichen Platz im großen Walde, warf er ſich, wie wenn er jetzt erſt ſicher vor jeder Begegnung mit einem menſchlichen Weſen und ſei- nem Grame nun erſt ungeſtoͤrt uͤberlaſſen ſei, laut heulend zu Boden und begann das bunte Waldmoos um ſeine Lagerſtaͤtte her auszurupfen und zu zerſtoͤ- ren. Eine ganze Nacht hindurch hatte er ſeinem Schmerze Gewalt angethan, und ſich maͤnnlich be- herrſcht, um die Großmutter nicht zu beunruhigen. Jetzt wußt’ er ſich jeder Feſſel entbunden und durfte ſich austoben. Raſende Fluͤche gegen Jenen gerichtet, der ihm das Daſein gegeben, ſchaͤumten von Anton’s Munde. Eine Verwuͤnſchung draͤngte die andere. Rache, Rache fuͤr meine Mutter! So lauteten die letzten Worte, die er abgemattet und erſchoͤpft hervor- bringen konnte. Dann ſank er bewußtlos in dumpfen Schlaf, der ihm anfaͤnglich finſtere, blutige Bilder
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Herzen des kraͤftigen Jungen kaͤmpften ſichtbar hef-
tige Entſchluͤſſe, deren Widerſtreit ſich bisweilen in
tief ausgeſtoßenen Seufzern, oder in einzelnen abge-
riſſenen Worten kund gab. Seine Haͤnde waren
krampfhaft zuſammengeballt. Von Zeit zu Zeit ſtreckt’
er ſie drohend gen Himmel. Als er, heftigen Schrit-
tes, den ſogenannten „Fuchswinkel“ erreicht, einen
duͤſteren, unzugaͤnglichen Platz im großen Walde,
warf er ſich, wie wenn er jetzt erſt ſicher vor jeder
Begegnung mit einem menſchlichen Weſen und ſei-
nem Grame nun erſt ungeſtoͤrt uͤberlaſſen ſei, laut
heulend zu Boden und begann das bunte Waldmoos
um ſeine Lagerſtaͤtte her auszurupfen und zu zerſtoͤ-
ren. Eine ganze Nacht hindurch hatte er ſeinem
Schmerze Gewalt angethan, und ſich maͤnnlich be-
herrſcht, um die Großmutter nicht zu beunruhigen.
Jetzt wußt’ er ſich jeder Feſſel entbunden und durfte
ſich austoben. Raſende Fluͤche gegen Jenen gerichtet,
der ihm das Daſein gegeben, ſchaͤumten von Anton’s
Munde. Eine Verwuͤnſchung draͤngte die andere.
Rache, Rache fuͤr meine Mutter! So lauteten die
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bringen konnte. Dann ſank er bewußtlos in dumpfen
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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