Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Zukunft, die er bald auf eine entfernte Universität
senden soll; denen er, wenn dies schwere Opfer
gebracht ist, nichts mehr zu hinterlassen haben wird,
als seinen ehrlichen Namen.

Jm Herrenhause? -- Die Töchter lieben den
Vater nicht, den sie kaum fürchten; von Achtung war
niemals die Rede. Der Vater bemüht sich, in unbe-
zahlten Weinen die traurige Aussicht zu ertränken,
daß er nicht im Stande sein wird, seinen Gläubigern
gegenüber den Besitz von Liebenau noch für längere
Dauer zu erstreiten. Er, für seine Person, wagt in
stürmischen Tagen an ein Pistol aus seiner Reiterzeit
und eine Kugel vor den umnebelten Schädel zu denken.
Aber was beginnen dann "seine Mädels?" Sollen
sie in Dienste gehen? Jhr Brot bei Fremden erwer-
ben? Und sind doch Freifräulein von reinster Geburt!
Linz und Miez haben zwar den adeligen Ansprüchen
fast entsagt. Seitdem des Vaters Trunksucht, seine
Unverträglichkeit, sein plumpes Betragen sie aus dem
nachbarlichen Umgange gerissen; seitdem sie auf ihr
Dorf, auf den Umgang mit der Schulmeisterin, der
Verwalterin und dem Pastor angewiesen blieben, hat
ihnen der Gedanke: die "Sponsade" der beiden Stu-
denten zu heißen, nichts fürchterliches mehr. Wenn

Zukunft, die er bald auf eine entfernte Univerſitaͤt
ſenden ſoll; denen er, wenn dies ſchwere Opfer
gebracht iſt, nichts mehr zu hinterlaſſen haben wird,
als ſeinen ehrlichen Namen.

Jm Herrenhauſe? — Die Toͤchter lieben den
Vater nicht, den ſie kaum fuͤrchten; von Achtung war
niemals die Rede. Der Vater bemuͤht ſich, in unbe-
zahlten Weinen die traurige Ausſicht zu ertraͤnken,
daß er nicht im Stande ſein wird, ſeinen Glaͤubigern
gegenuͤber den Beſitz von Liebenau noch fuͤr laͤngere
Dauer zu erſtreiten. Er, fuͤr ſeine Perſon, wagt in
ſtuͤrmiſchen Tagen an ein Piſtol aus ſeiner Reiterzeit
und eine Kugel vor den umnebelten Schaͤdel zu denken.
Aber was beginnen dann „ſeine Maͤdels?“ Sollen
ſie in Dienſte gehen? Jhr Brot bei Fremden erwer-
ben? Und ſind doch Freifraͤulein von reinſter Geburt!
Linz und Miez haben zwar den adeligen Anſpruͤchen
faſt entſagt. Seitdem des Vaters Trunkſucht, ſeine
Unvertraͤglichkeit, ſein plumpes Betragen ſie aus dem
nachbarlichen Umgange geriſſen; ſeitdem ſie auf ihr
Dorf, auf den Umgang mit der Schulmeiſterin, der
Verwalterin und dem Paſtor angewieſen blieben, hat
ihnen der Gedanke: die „Sponſade“ der beiden Stu-
denten zu heißen, nichts fuͤrchterliches mehr. Wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="80"/>
Zukunft, die er bald auf eine entfernte Univer&#x017F;ita&#x0364;t<lb/>
&#x017F;enden &#x017F;oll; denen er, wenn dies &#x017F;chwere Opfer<lb/>
gebracht i&#x017F;t, nichts mehr zu hinterla&#x017F;&#x017F;en haben wird,<lb/>
als &#x017F;einen ehrlichen Namen.</p><lb/>
        <p>Jm Herrenhau&#x017F;e? &#x2014; Die To&#x0364;chter lieben den<lb/>
Vater nicht, den &#x017F;ie kaum fu&#x0364;rchten; von Achtung war<lb/>
niemals die Rede. Der Vater bemu&#x0364;ht &#x017F;ich, in unbe-<lb/>
zahlten Weinen die traurige Aus&#x017F;icht zu ertra&#x0364;nken,<lb/>
daß er nicht im Stande &#x017F;ein wird, &#x017F;einen Gla&#x0364;ubigern<lb/>
gegenu&#x0364;ber den Be&#x017F;itz von Liebenau noch fu&#x0364;r la&#x0364;ngere<lb/>
Dauer zu er&#x017F;treiten. Er, fu&#x0364;r &#x017F;eine Per&#x017F;on, wagt in<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;chen Tagen an ein Pi&#x017F;tol aus &#x017F;einer Reiterzeit<lb/>
und eine Kugel vor den umnebelten Scha&#x0364;del zu denken.<lb/>
Aber was beginnen dann &#x201E;&#x017F;eine Ma&#x0364;dels?&#x201C; Sollen<lb/>
&#x017F;ie in Dien&#x017F;te gehen? Jhr Brot bei Fremden erwer-<lb/>
ben? Und &#x017F;ind doch Freifra&#x0364;ulein von rein&#x017F;ter Geburt!<lb/>
Linz und Miez haben zwar den adeligen An&#x017F;pru&#x0364;chen<lb/>
fa&#x017F;t ent&#x017F;agt. Seitdem des Vaters Trunk&#x017F;ucht, &#x017F;eine<lb/>
Unvertra&#x0364;glichkeit, &#x017F;ein plumpes Betragen &#x017F;ie aus dem<lb/>
nachbarlichen Umgange geri&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;eitdem &#x017F;ie auf ihr<lb/>
Dorf, auf den Umgang mit der Schulmei&#x017F;terin, der<lb/>
Verwalterin und dem Pa&#x017F;tor angewie&#x017F;en blieben, hat<lb/>
ihnen der Gedanke: die &#x201E;Spon&#x017F;ade&#x201C; der beiden Stu-<lb/>
denten zu heißen, nichts fu&#x0364;rchterliches mehr. Wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0096] Zukunft, die er bald auf eine entfernte Univerſitaͤt ſenden ſoll; denen er, wenn dies ſchwere Opfer gebracht iſt, nichts mehr zu hinterlaſſen haben wird, als ſeinen ehrlichen Namen. Jm Herrenhauſe? — Die Toͤchter lieben den Vater nicht, den ſie kaum fuͤrchten; von Achtung war niemals die Rede. Der Vater bemuͤht ſich, in unbe- zahlten Weinen die traurige Ausſicht zu ertraͤnken, daß er nicht im Stande ſein wird, ſeinen Glaͤubigern gegenuͤber den Beſitz von Liebenau noch fuͤr laͤngere Dauer zu erſtreiten. Er, fuͤr ſeine Perſon, wagt in ſtuͤrmiſchen Tagen an ein Piſtol aus ſeiner Reiterzeit und eine Kugel vor den umnebelten Schaͤdel zu denken. Aber was beginnen dann „ſeine Maͤdels?“ Sollen ſie in Dienſte gehen? Jhr Brot bei Fremden erwer- ben? Und ſind doch Freifraͤulein von reinſter Geburt! Linz und Miez haben zwar den adeligen Anſpruͤchen faſt entſagt. Seitdem des Vaters Trunkſucht, ſeine Unvertraͤglichkeit, ſein plumpes Betragen ſie aus dem nachbarlichen Umgange geriſſen; ſeitdem ſie auf ihr Dorf, auf den Umgang mit der Schulmeiſterin, der Verwalterin und dem Paſtor angewieſen blieben, hat ihnen der Gedanke: die „Sponſade“ der beiden Stu- denten zu heißen, nichts fuͤrchterliches mehr. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/96
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/96>, abgerufen am 21.11.2024.