Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Wohnung des Mannes erkundigte, welcher ihm und
seiner Zukunft ein Orakel werden sollte.

"Er muß das wissen!" rief er aus.

Binnen einer halben Stunde stand Anton der
Korbmacher aus Liebenau vor Ludwig Devrient.

Dieser war, ihn zu empfangen, aus der Nachmit-
tagsruhe aufgeschreckt worden, nahm ihn zwar freund-
lich und gütig, aber doch mit jener nur erzwungenen
Herzlichkeit auf, die man erheucheln muß, wenn man
sie momentan nicht empfindet.

"Was wünschen Sie von mir?" -- Eine sehr
einfache, nahe liegende Frage, die aber den Aspiran-
ten entsetzte: sie klang ihm lieblos, kalt, im Vergleich
zu seines eigenen Herzens Wärme.

Vielleicht können Sie mich nicht mehr? Jch war
nur eine Viertelstunde so glücklich, ....

"O gewiß, ich kenne Sie. Wir sahen uns gestern
Abend in der Nähe. Früher schon hab' ich einigemale
ihre Reitbahn besucht. Jch liebe diese kühnen Künste.
Noch einmal: was führt Sie zu mir? Womit kann
ich dienen?"

Sie würden mir also nicht das Recht zugestehen,
mich hier eingedrängt zu haben, nur um Sie zu
sehen, zu hören, Jhnen wiederholt zu sagen...

7 *

Wohnung des Mannes erkundigte, welcher ihm und
ſeiner Zukunft ein Orakel werden ſollte.

Er muß das wiſſen!“ rief er aus.

Binnen einer halben Stunde ſtand Anton der
Korbmacher aus Liebenau vor Ludwig Devrient.

Dieſer war, ihn zu empfangen, aus der Nachmit-
tagsruhe aufgeſchreckt worden, nahm ihn zwar freund-
lich und guͤtig, aber doch mit jener nur erzwungenen
Herzlichkeit auf, die man erheucheln muß, wenn man
ſie momentan nicht empfindet.

„Was wuͤnſchen Sie von mir?“ — Eine ſehr
einfache, nahe liegende Frage, die aber den Aspiran-
ten entſetzte: ſie klang ihm lieblos, kalt, im Vergleich
zu ſeines eigenen Herzens Waͤrme.

Vielleicht koͤnnen Sie mich nicht mehr? Jch war
nur eine Viertelſtunde ſo gluͤcklich, ....

„O gewiß, ich kenne Sie. Wir ſahen uns geſtern
Abend in der Naͤhe. Fruͤher ſchon hab’ ich einigemale
ihre Reitbahn beſucht. Jch liebe dieſe kuͤhnen Kuͤnſte.
Noch einmal: was fuͤhrt Sie zu mir? Womit kann
ich dienen?“

Sie wuͤrden mir alſo nicht das Recht zugeſtehen,
mich hier eingedraͤngt zu haben, nur um Sie zu
ſehen, zu hoͤren, Jhnen wiederholt zu ſagen...

7 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="99"/>
Wohnung des Mannes erkundigte, welcher ihm und<lb/>
&#x017F;einer Zukunft ein Orakel werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Er</hi> muß das wi&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; rief er aus.</p><lb/>
        <p>Binnen einer halben Stunde &#x017F;tand Anton der<lb/>
Korbmacher aus Liebenau vor Ludwig Devrient.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er war, ihn zu empfangen, aus der Nachmit-<lb/>
tagsruhe aufge&#x017F;chreckt worden, nahm ihn zwar freund-<lb/>
lich und gu&#x0364;tig, aber doch mit jener nur erzwungenen<lb/>
Herzlichkeit auf, die man erheucheln muß, wenn man<lb/>
&#x017F;ie momentan nicht empfindet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was wu&#x0364;n&#x017F;chen Sie von mir?&#x201C; &#x2014; Eine &#x017F;ehr<lb/>
einfache, nahe liegende Frage, die aber den Aspiran-<lb/>
ten ent&#x017F;etzte: &#x017F;ie klang ihm lieblos, kalt, im Vergleich<lb/>
zu &#x017F;eines eigenen Herzens Wa&#x0364;rme.</p><lb/>
        <p>Vielleicht ko&#x0364;nnen Sie mich nicht mehr? Jch war<lb/>
nur eine Viertel&#x017F;tunde &#x017F;o glu&#x0364;cklich, ....</p><lb/>
        <p>&#x201E;O gewiß, ich kenne Sie. Wir &#x017F;ahen uns ge&#x017F;tern<lb/>
Abend in der Na&#x0364;he. Fru&#x0364;her &#x017F;chon hab&#x2019; ich einigemale<lb/>
ihre Reitbahn be&#x017F;ucht. Jch liebe die&#x017F;e ku&#x0364;hnen Ku&#x0364;n&#x017F;te.<lb/>
Noch einmal: was fu&#x0364;hrt Sie zu mir? Womit kann<lb/>
ich dienen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie wu&#x0364;rden mir al&#x017F;o nicht das Recht zuge&#x017F;tehen,<lb/>
mich hier eingedra&#x0364;ngt zu haben, nur um Sie zu<lb/>
&#x017F;ehen, zu ho&#x0364;ren, Jhnen wiederholt zu &#x017F;agen...</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">7 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0101] Wohnung des Mannes erkundigte, welcher ihm und ſeiner Zukunft ein Orakel werden ſollte. „Er muß das wiſſen!“ rief er aus. Binnen einer halben Stunde ſtand Anton der Korbmacher aus Liebenau vor Ludwig Devrient. Dieſer war, ihn zu empfangen, aus der Nachmit- tagsruhe aufgeſchreckt worden, nahm ihn zwar freund- lich und guͤtig, aber doch mit jener nur erzwungenen Herzlichkeit auf, die man erheucheln muß, wenn man ſie momentan nicht empfindet. „Was wuͤnſchen Sie von mir?“ — Eine ſehr einfache, nahe liegende Frage, die aber den Aspiran- ten entſetzte: ſie klang ihm lieblos, kalt, im Vergleich zu ſeines eigenen Herzens Waͤrme. Vielleicht koͤnnen Sie mich nicht mehr? Jch war nur eine Viertelſtunde ſo gluͤcklich, .... „O gewiß, ich kenne Sie. Wir ſahen uns geſtern Abend in der Naͤhe. Fruͤher ſchon hab’ ich einigemale ihre Reitbahn beſucht. Jch liebe dieſe kuͤhnen Kuͤnſte. Noch einmal: was fuͤhrt Sie zu mir? Womit kann ich dienen?“ Sie wuͤrden mir alſo nicht das Recht zugeſtehen, mich hier eingedraͤngt zu haben, nur um Sie zu ſehen, zu hoͤren, Jhnen wiederholt zu ſagen... 7 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/101
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/101>, abgerufen am 23.11.2024.