tung gestört. Jch war berühmt, als Schkramprl, -- ich mußte Schkramprl bleiben."
Gestern vergaß ich Erkundigungen einzuziehen, -- darf ich es heute nachholen? Als was erwarben Sie Jhre Reputation.
"Jch? Ganz einfach als Riese! Zunächst als Riese. Mit fünfzehn Jahren war ich so groß, wie Sie mich hier neben sich sehen, nicht einen Strich kleiner. Mein Vater führte mich umher. Mein Vater war der weltberühmte Gesichterschneider dieses Namens, und hatte ursprünglich gewünscht, mich für seine Kunst zu erziehen. Auch machte ich schon bedeu- tende Progressen: mit zwölf Jahren konnte ich meine Nase in den Mund nehmen, so daß die Unterlippe deren Spitze bedeckte, was allerdings bedeu- tende Naturanlagen verrieth, weil meine Nase ungleich kürzer ist, wie jene meines unvergeßlichen Vaters gewesen. Die Zunge brachte ich schon so weit hervor, als er in seinen besten Stunden. Aber es sollte nicht sein. Bevor ich noch so weit ausgebildet, daß ich mich an des Lehrers Seite mit Ehren öffentlich pro- duziren konnte, kam ich in's Wachsen. Es ging so schnell, daß ich aus einem untersetzten, dicken, derben Kerl, binnen zweier Jahre zur Hopfenstange empor-
tung geſtoͤrt. Jch war beruͤhmt, als Schkramprl, — ich mußte Schkramprl bleiben.“
Geſtern vergaß ich Erkundigungen einzuziehen, — darf ich es heute nachholen? Als was erwarben Sie Jhre Reputation.
„Jch? Ganz einfach als Rieſe! Zunaͤchſt als Rieſe. Mit fuͤnfzehn Jahren war ich ſo groß, wie Sie mich hier neben ſich ſehen, nicht einen Strich kleiner. Mein Vater fuͤhrte mich umher. Mein Vater war der weltberuͤhmte Geſichterſchneider dieſes Namens, und hatte urſpruͤnglich gewuͤnſcht, mich fuͤr ſeine Kunſt zu erziehen. Auch machte ich ſchon bedeu- tende Progreſſen: mit zwoͤlf Jahren konnte ich meine Naſe in den Mund nehmen, ſo daß die Unterlippe deren Spitze bedeckte, was allerdings bedeu- tende Naturanlagen verrieth, weil meine Naſe ungleich kuͤrzer iſt, wie jene meines unvergeßlichen Vaters geweſen. Die Zunge brachte ich ſchon ſo weit hervor, als er in ſeinen beſten Stunden. Aber es ſollte nicht ſein. Bevor ich noch ſo weit ausgebildet, daß ich mich an des Lehrers Seite mit Ehren oͤffentlich pro- duziren konnte, kam ich in’s Wachſen. Es ging ſo ſchnell, daß ich aus einem unterſetzten, dicken, derben Kerl, binnen zweier Jahre zur Hopfenſtange empor-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="143"/>
tung geſtoͤrt. Jch war beruͤhmt, als Schkramprl,<lb/>— ich mußte Schkramprl bleiben.“</p><lb/><p>Geſtern vergaß ich Erkundigungen einzuziehen,<lb/>— darf ich es heute nachholen? Als was erwarben<lb/>
Sie Jhre Reputation.</p><lb/><p>„Jch? Ganz einfach als Rieſe! Zunaͤchſt als<lb/>
Rieſe. Mit fuͤnfzehn Jahren war ich ſo groß, wie<lb/>
Sie mich hier neben ſich ſehen, nicht einen Strich<lb/>
kleiner. Mein Vater fuͤhrte mich umher. Mein<lb/>
Vater war der weltberuͤhmte Geſichterſchneider dieſes<lb/>
Namens, und hatte urſpruͤnglich gewuͤnſcht, mich fuͤr<lb/>ſeine Kunſt zu erziehen. Auch machte ich ſchon bedeu-<lb/>
tende Progreſſen: mit zwoͤlf Jahren konnte ich meine<lb/>
Naſe in den Mund nehmen, ſo daß die Unterlippe<lb/>
deren Spitze bedeckte, was allerdings bedeu-<lb/>
tende Naturanlagen verrieth, weil meine Naſe ungleich<lb/>
kuͤrzer iſt, wie jene meines unvergeßlichen Vaters<lb/>
geweſen. Die Zunge brachte ich ſchon ſo weit hervor,<lb/>
als er in ſeinen beſten Stunden. Aber es ſollte nicht<lb/>ſein. Bevor ich noch ſo weit ausgebildet, daß ich<lb/>
mich an des Lehrers Seite mit Ehren oͤffentlich pro-<lb/>
duziren konnte, kam ich in’s Wachſen. Es ging ſo<lb/>ſchnell, daß ich aus einem unterſetzten, dicken, derben<lb/>
Kerl, binnen zweier Jahre zur Hopfenſtange empor-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0145]
tung geſtoͤrt. Jch war beruͤhmt, als Schkramprl,
— ich mußte Schkramprl bleiben.“
Geſtern vergaß ich Erkundigungen einzuziehen,
— darf ich es heute nachholen? Als was erwarben
Sie Jhre Reputation.
„Jch? Ganz einfach als Rieſe! Zunaͤchſt als
Rieſe. Mit fuͤnfzehn Jahren war ich ſo groß, wie
Sie mich hier neben ſich ſehen, nicht einen Strich
kleiner. Mein Vater fuͤhrte mich umher. Mein
Vater war der weltberuͤhmte Geſichterſchneider dieſes
Namens, und hatte urſpruͤnglich gewuͤnſcht, mich fuͤr
ſeine Kunſt zu erziehen. Auch machte ich ſchon bedeu-
tende Progreſſen: mit zwoͤlf Jahren konnte ich meine
Naſe in den Mund nehmen, ſo daß die Unterlippe
deren Spitze bedeckte, was allerdings bedeu-
tende Naturanlagen verrieth, weil meine Naſe ungleich
kuͤrzer iſt, wie jene meines unvergeßlichen Vaters
geweſen. Die Zunge brachte ich ſchon ſo weit hervor,
als er in ſeinen beſten Stunden. Aber es ſollte nicht
ſein. Bevor ich noch ſo weit ausgebildet, daß ich
mich an des Lehrers Seite mit Ehren oͤffentlich pro-
duziren konnte, kam ich in’s Wachſen. Es ging ſo
ſchnell, daß ich aus einem unterſetzten, dicken, derben
Kerl, binnen zweier Jahre zur Hopfenſtange empor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/145>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.