Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

in drei Sprachen: Englisch, Französisch, Deutsch.
Sie machte großes Glück. Jch sah mich durch sie
verdunkelt. Jch, als Riese, war nur eine kleine Bei-
gabe zu Dem was man an ihr bewunderte."

Lebten Sie glücklich mit ihr?

"Wie die Engel. Jeden Abend nahm ich die
Kasse in Empfang. Wir lebten sehr glücklich. Doch
auch dieses Glück sollte nicht dauernd sein. Sie
fühlte sich Mutter. -- Oh Freund, niemals werd' ich
die süßen Stunden vergessen, wo wir die Feier-Abende
plaudernd mit kühnen Hoffnungen schmückten. Diese
galten unserm jungen sehnlich-erwarteten Weltbürger.
Unsere Einbildungskraft erging sich in weiten Räumen:
wird es ein Knabe sein oder ein Mädchen? Oder
keins von Beiden? Wird es nach dem Vater, wird
es nach der Mutter schlagen? Wird es vielleicht eine
Riesin? doch von unbeschreiblicher Größe, wie noch
nie ein männlicher Riese gezeigt wurde; wo man ohne
Bedenken zwiefache Eintrittspreise stellen dürfte?
Wird es, -- oh Du liebes Kind! -- vielleicht nur
einen Arm haben, aber an diesem zwei Hände? Oder
auch gar keinen, wie seine gute Mutter, um deren
Geschäft fortzusetzen? Oder werden ihm vielleicht
beide Beine fehlen? Das wäre minder vortheilhaft?

in drei Sprachen: Engliſch, Franzoͤſiſch, Deutſch.
Sie machte großes Gluͤck. Jch ſah mich durch ſie
verdunkelt. Jch, als Rieſe, war nur eine kleine Bei-
gabe zu Dem was man an ihr bewunderte.“

Lebten Sie gluͤcklich mit ihr?

„Wie die Engel. Jeden Abend nahm ich die
Kaſſe in Empfang. Wir lebten ſehr gluͤcklich. Doch
auch dieſes Gluͤck ſollte nicht dauernd ſein. Sie
fuͤhlte ſich Mutter. — Oh Freund, niemals werd’ ich
die ſuͤßen Stunden vergeſſen, wo wir die Feier-Abende
plaudernd mit kuͤhnen Hoffnungen ſchmuͤckten. Dieſe
galten unſerm jungen ſehnlich-erwarteten Weltbuͤrger.
Unſere Einbildungskraft erging ſich in weiten Raͤumen:
wird es ein Knabe ſein oder ein Maͤdchen? Oder
keins von Beiden? Wird es nach dem Vater, wird
es nach der Mutter ſchlagen? Wird es vielleicht eine
Rieſin? doch von unbeſchreiblicher Groͤße, wie noch
nie ein maͤnnlicher Rieſe gezeigt wurde; wo man ohne
Bedenken zwiefache Eintrittspreiſe ſtellen duͤrfte?
Wird es, — oh Du liebes Kind! — vielleicht nur
einen Arm haben, aber an dieſem zwei Haͤnde? Oder
auch gar keinen, wie ſeine gute Mutter, um deren
Geſchaͤft fortzuſetzen? Oder werden ihm vielleicht
beide Beine fehlen? Das waͤre minder vortheilhaft?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="148"/>
in drei Sprachen: Engli&#x017F;ch, Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch, Deut&#x017F;ch.<lb/>
Sie machte großes Glu&#x0364;ck. Jch &#x017F;ah mich durch &#x017F;ie<lb/>
verdunkelt. Jch, als Rie&#x017F;e, war nur eine kleine Bei-<lb/>
gabe zu Dem was man an ihr bewunderte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Lebten Sie glu&#x0364;cklich mit ihr?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie die Engel. Jeden Abend nahm ich die<lb/>
Ka&#x017F;&#x017F;e in Empfang. Wir lebten &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich. Doch<lb/>
auch die&#x017F;es Glu&#x0364;ck &#x017F;ollte nicht dauernd &#x017F;ein. Sie<lb/>
fu&#x0364;hlte &#x017F;ich Mutter. &#x2014; Oh Freund, niemals werd&#x2019; ich<lb/>
die &#x017F;u&#x0364;ßen Stunden verge&#x017F;&#x017F;en, wo wir die Feier-Abende<lb/>
plaudernd mit ku&#x0364;hnen Hoffnungen &#x017F;chmu&#x0364;ckten. Die&#x017F;e<lb/>
galten un&#x017F;erm jungen &#x017F;ehnlich-erwarteten Weltbu&#x0364;rger.<lb/>
Un&#x017F;ere Einbildungskraft erging &#x017F;ich in weiten Ra&#x0364;umen:<lb/>
wird es ein Knabe &#x017F;ein oder ein Ma&#x0364;dchen? Oder<lb/>
keins von Beiden? Wird es nach dem Vater, wird<lb/>
es nach der Mutter &#x017F;chlagen? Wird es vielleicht eine<lb/>
Rie&#x017F;in? doch von unbe&#x017F;chreiblicher Gro&#x0364;ße, wie noch<lb/>
nie ein ma&#x0364;nnlicher Rie&#x017F;e gezeigt wurde; wo man ohne<lb/>
Bedenken zwiefache Eintrittsprei&#x017F;e &#x017F;tellen du&#x0364;rfte?<lb/>
Wird es, &#x2014; oh Du liebes Kind! &#x2014; vielleicht nur<lb/>
einen Arm haben, aber an die&#x017F;em zwei Ha&#x0364;nde? Oder<lb/>
auch gar keinen, wie &#x017F;eine gute Mutter, um deren<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ft fortzu&#x017F;etzen? Oder werden ihm vielleicht<lb/>
beide Beine fehlen? Das wa&#x0364;re minder vortheilhaft?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0150] in drei Sprachen: Engliſch, Franzoͤſiſch, Deutſch. Sie machte großes Gluͤck. Jch ſah mich durch ſie verdunkelt. Jch, als Rieſe, war nur eine kleine Bei- gabe zu Dem was man an ihr bewunderte.“ Lebten Sie gluͤcklich mit ihr? „Wie die Engel. Jeden Abend nahm ich die Kaſſe in Empfang. Wir lebten ſehr gluͤcklich. Doch auch dieſes Gluͤck ſollte nicht dauernd ſein. Sie fuͤhlte ſich Mutter. — Oh Freund, niemals werd’ ich die ſuͤßen Stunden vergeſſen, wo wir die Feier-Abende plaudernd mit kuͤhnen Hoffnungen ſchmuͤckten. Dieſe galten unſerm jungen ſehnlich-erwarteten Weltbuͤrger. Unſere Einbildungskraft erging ſich in weiten Raͤumen: wird es ein Knabe ſein oder ein Maͤdchen? Oder keins von Beiden? Wird es nach dem Vater, wird es nach der Mutter ſchlagen? Wird es vielleicht eine Rieſin? doch von unbeſchreiblicher Groͤße, wie noch nie ein maͤnnlicher Rieſe gezeigt wurde; wo man ohne Bedenken zwiefache Eintrittspreiſe ſtellen duͤrfte? Wird es, — oh Du liebes Kind! — vielleicht nur einen Arm haben, aber an dieſem zwei Haͤnde? Oder auch gar keinen, wie ſeine gute Mutter, um deren Geſchaͤft fortzuſetzen? Oder werden ihm vielleicht beide Beine fehlen? Das waͤre minder vortheilhaft?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/150
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/150>, abgerufen am 22.05.2024.