Wär' ich übrigens Herr Vlämert, ich ließe die Londoner Schauspielerin gänzlich aus dem Spiele und gäbe der armen Desdemona das Gesicht meiner eigenen Gattin. Einen besseren Eindruck für unschul- dige Reinheit kann er nirgend finden, wie in Käth- chens Zügen; das ist einmal wahr und das muß ich sagen, wenn sie mich schon nicht leiden mag."
vom 21. Juli.
"Auf was doch die Menschen gerathen, um Geld zu erwerben! Und was ich schon für seltsame, när- rische Dinge gehört und gesehen, ja selbst mitgemacht habe, die in derselben Absicht unternommen waren. Jetzt ist nun gar eine Affen- und Hunde-Komödie hier. Ein Jtaliener, Namens Baldavi, dirigirt das Ganze. Er soll früher auch Kunstreiter gewesen sein. Weil er aber bei einem gefährlichen Sturz mit dem Pferde das Bein gebrochen hat und schlecht geheilt worden ist, sah er sich genöthiget, die Reitkunst mit der Dramaturgie zu vertauschen. Das krumme Bein bei Seite war ich ja in einem ähnlichen Falle, nur daß bei mir nicht zur Ausführung kam, was ich vor- hatte.
Jch denke oft darüber nach, ob ich gut oder übel
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Waͤr’ ich uͤbrigens Herr Vlaͤmert, ich ließe die Londoner Schauſpielerin gaͤnzlich aus dem Spiele und gaͤbe der armen Desdemona das Geſicht meiner eigenen Gattin. Einen beſſeren Eindruck fuͤr unſchul- dige Reinheit kann er nirgend finden, wie in Kaͤth- chens Zuͤgen; das iſt einmal wahr und das muß ich ſagen, wenn ſie mich ſchon nicht leiden mag.“
vom 21. Juli.
„Auf was doch die Menſchen gerathen, um Geld zu erwerben! Und was ich ſchon fuͤr ſeltſame, naͤr- riſche Dinge gehoͤrt und geſehen, ja ſelbſt mitgemacht habe, die in derſelben Abſicht unternommen waren. Jetzt iſt nun gar eine Affen- und Hunde-Komoͤdie hier. Ein Jtaliener, Namens Baldavi, dirigirt das Ganze. Er ſoll fruͤher auch Kunſtreiter geweſen ſein. Weil er aber bei einem gefaͤhrlichen Sturz mit dem Pferde das Bein gebrochen hat und ſchlecht geheilt worden iſt, ſah er ſich genoͤthiget, die Reitkunſt mit der Dramaturgie zu vertauſchen. Das krumme Bein bei Seite war ich ja in einem aͤhnlichen Falle, nur daß bei mir nicht zur Ausfuͤhrung kam, was ich vor- hatte.
Jch denke oft daruͤber nach, ob ich gut oder uͤbel
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Waͤr’ ich uͤbrigens Herr Vlaͤmert, ich ließe die
Londoner Schauſpielerin gaͤnzlich aus dem Spiele
und gaͤbe der armen Desdemona das Geſicht meiner
eigenen Gattin. Einen beſſeren Eindruck fuͤr unſchul-
dige Reinheit kann er nirgend finden, wie in Kaͤth-
chens Zuͤgen; das iſt einmal wahr und das muß ich
ſagen, wenn ſie mich ſchon nicht leiden mag.“
vom 21. Juli.
„Auf was doch die Menſchen gerathen, um Geld
zu erwerben! Und was ich ſchon fuͤr ſeltſame, naͤr-
riſche Dinge gehoͤrt und geſehen, ja ſelbſt mitgemacht
habe, die in derſelben Abſicht unternommen waren.
Jetzt iſt nun gar eine Affen- und Hunde-Komoͤdie
hier. Ein Jtaliener, Namens Baldavi, dirigirt das
Ganze. Er ſoll fruͤher auch Kunſtreiter geweſen ſein.
Weil er aber bei einem gefaͤhrlichen Sturz mit dem
Pferde das Bein gebrochen hat und ſchlecht geheilt
worden iſt, ſah er ſich genoͤthiget, die Reitkunſt mit
der Dramaturgie zu vertauſchen. Das krumme Bein
bei Seite war ich ja in einem aͤhnlichen Falle, nur
daß bei mir nicht zur Ausfuͤhrung kam, was ich vor-
hatte.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/229>, abgerufen am 27.11.2024.
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