entschiedenen Entschluß zu fassen. Adele, da sie durchaus nicht begriff, was vorgefallen sei, befand sich gänzlich außer Fassung und hielt, mehr erstaunt und erschreckt, als fürchtend, mit beiden Händen die Mähnen fest. Dieser peinliche Zustand währte aber nur einige Sekunden lang. Schon hatte Anton eine der zu Boden gefallenen Fahnen ergriffen, mit deren Stiele die sterbende Katze herabgeschlagen, des Pferdes Zügel gepackt und sich mit solcher Gewalt daran gehängt, daß es sich auf einen Augenblick ver- hindert fühlte, zu bäumen, oder auszuschlagen. Dieser Augenblick gab Adelen ihre Fassung wieder, sie ließ sich mit der ihr eigenen Geschicklichkeit zu Boden gleiten, kam unversehrt im weichen Sande an, erhob sich dann und schüttelte für's Erste den Staub von ihren Gewändern. Unterdessen hatte Anton das rasende Pferd sich selbst überlassen müssen, wollte er nicht von dessen Hufen zerschmettert werden. Es setzte schäumend, seiner zwiefachen Last entledigt, doch nicht seiner Schmerzen, über die ungeöffneten Thürflügel der Barrieren hinaus. Nach und nach gelangten denn auch die Zuschauer aus ihrer ersten Verblüfftheit zum Bewußtsein dessen, was sich eigent- lich zugetragen. Von allen Seiten wurden Stim-
entſchiedenen Entſchluß zu faſſen. Adele, da ſie durchaus nicht begriff, was vorgefallen ſei, befand ſich gaͤnzlich außer Faſſung und hielt, mehr erſtaunt und erſchreckt, als fuͤrchtend, mit beiden Haͤnden die Maͤhnen feſt. Dieſer peinliche Zuſtand waͤhrte aber nur einige Sekunden lang. Schon hatte Anton eine der zu Boden gefallenen Fahnen ergriffen, mit deren Stiele die ſterbende Katze herabgeſchlagen, des Pferdes Zuͤgel gepackt und ſich mit ſolcher Gewalt daran gehaͤngt, daß es ſich auf einen Augenblick ver- hindert fuͤhlte, zu baͤumen, oder auszuſchlagen. Dieſer Augenblick gab Adelen ihre Faſſung wieder, ſie ließ ſich mit der ihr eigenen Geſchicklichkeit zu Boden gleiten, kam unverſehrt im weichen Sande an, erhob ſich dann und ſchuͤttelte fuͤr’s Erſte den Staub von ihren Gewaͤndern. Unterdeſſen hatte Anton das raſende Pferd ſich ſelbſt uͤberlaſſen muͤſſen, wollte er nicht von deſſen Hufen zerſchmettert werden. Es ſetzte ſchaͤumend, ſeiner zwiefachen Laſt entledigt, doch nicht ſeiner Schmerzen, uͤber die ungeoͤffneten Thuͤrfluͤgel der Barrièren hinaus. Nach und nach gelangten denn auch die Zuſchauer aus ihrer erſten Verbluͤfftheit zum Bewußtſein deſſen, was ſich eigent- lich zugetragen. Von allen Seiten wurden Stim-
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entſchiedenen Entſchluß zu faſſen. Adele, da ſie
durchaus nicht begriff, was vorgefallen ſei, befand
ſich gaͤnzlich außer Faſſung und hielt, mehr erſtaunt
und erſchreckt, als fuͤrchtend, mit beiden Haͤnden die
Maͤhnen feſt. Dieſer peinliche Zuſtand waͤhrte aber
nur einige Sekunden lang. Schon hatte Anton eine
der zu Boden gefallenen Fahnen ergriffen, mit deren
Stiele die ſterbende Katze herabgeſchlagen, des
Pferdes Zuͤgel gepackt und ſich mit ſolcher Gewalt
daran gehaͤngt, daß es ſich auf einen Augenblick ver-
hindert fuͤhlte, zu baͤumen, oder auszuſchlagen.
Dieſer Augenblick gab Adelen ihre Faſſung wieder,
ſie ließ ſich mit der ihr eigenen Geſchicklichkeit zu
Boden gleiten, kam unverſehrt im weichen Sande
an, erhob ſich dann und ſchuͤttelte fuͤr’s Erſte den
Staub von ihren Gewaͤndern. Unterdeſſen hatte
Anton das raſende Pferd ſich ſelbſt uͤberlaſſen muͤſſen,
wollte er nicht von deſſen Hufen zerſchmettert werden.
Es ſetzte ſchaͤumend, ſeiner zwiefachen Laſt entledigt,
doch nicht ſeiner Schmerzen, uͤber die ungeoͤffneten
Thuͤrfluͤgel der Barrièren hinaus. Nach und nach
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/29>, abgerufen am 23.11.2024.
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