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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Dennoch ging er immer weiter.

Es kam ihm der Einfall, bei diesem oder jenem
Laden ein Brot zu stehlen! "Es liegt so vielerlei
Gebäck aus! Vielleicht auch schenken sie mir's!"

Doch wagte er weder zu nehmen, noch zu betteln.

Er ging weiter.

Er durchwühlte die Taschen, ob er nicht noch
irgendwo ein Geldstück fände!

Nein! Das letzte war vorgestern ausgegeben
worden.

Nun fiel ihm ein, daß er ein schwarzseidenes Tuch
um den Hals geschlungen trage; daß es ein heißer
Tag sei, daß er kein Tuche brauche!

Er lösete es ab und trat vor einen Trödel-Laden
mit der Frage, was er dafür empfange? Die Trödle-
rin warf einen Seitenblick nach einem in der Nähe
lauernden Aufseher; dann sagte sie sehr laut: Wir
kaufen nichts von Unbekannten; es ist gefährlich.

"Sie hält mich für einen Dieb," sagte Anton;
"ich verdien's nicht besser. Theodor hält mich auch
dafür."

Er ging weiter.

Er glaubte zu bemerken, daß jener Aufseher ihm
folge!

Die Vagabunden. II. 22

Dennoch ging er immer weiter.

Es kam ihm der Einfall, bei dieſem oder jenem
Laden ein Brot zu ſtehlen! „Es liegt ſo vielerlei
Gebaͤck aus! Vielleicht auch ſchenken ſie mir’s!“

Doch wagte er weder zu nehmen, noch zu betteln.

Er ging weiter.

Er durchwuͤhlte die Taſchen, ob er nicht noch
irgendwo ein Geldſtuͤck faͤnde!

Nein! Das letzte war vorgeſtern ausgegeben
worden.

Nun fiel ihm ein, daß er ein ſchwarzſeidenes Tuch
um den Hals geſchlungen trage; daß es ein heißer
Tag ſei, daß er kein Tuche brauche!

Er loͤſete es ab und trat vor einen Troͤdel-Laden
mit der Frage, was er dafuͤr empfange? Die Troͤdle-
rin warf einen Seitenblick nach einem in der Naͤhe
lauernden Aufſeher; dann ſagte ſie ſehr laut: Wir
kaufen nichts von Unbekannten; es iſt gefaͤhrlich.

„Sie haͤlt mich fuͤr einen Dieb,“ ſagte Anton;
„ich verdien’s nicht beſſer. Theodor haͤlt mich auch
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Er ging weiter.

Er glaubte zu bemerken, daß jener Aufſeher ihm
folge!

Die Vagabunden. II. 22
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[337/0339] Dennoch ging er immer weiter. Es kam ihm der Einfall, bei dieſem oder jenem Laden ein Brot zu ſtehlen! „Es liegt ſo vielerlei Gebaͤck aus! Vielleicht auch ſchenken ſie mir’s!“ Doch wagte er weder zu nehmen, noch zu betteln. Er ging weiter. Er durchwuͤhlte die Taſchen, ob er nicht noch irgendwo ein Geldſtuͤck faͤnde! Nein! Das letzte war vorgeſtern ausgegeben worden. Nun fiel ihm ein, daß er ein ſchwarzſeidenes Tuch um den Hals geſchlungen trage; daß es ein heißer Tag ſei, daß er kein Tuche brauche! Er loͤſete es ab und trat vor einen Troͤdel-Laden mit der Frage, was er dafuͤr empfange? Die Troͤdle- rin warf einen Seitenblick nach einem in der Naͤhe lauernden Aufſeher; dann ſagte ſie ſehr laut: Wir kaufen nichts von Unbekannten; es iſt gefaͤhrlich. „Sie haͤlt mich fuͤr einen Dieb,“ ſagte Anton; „ich verdien’s nicht beſſer. Theodor haͤlt mich auch dafuͤr.“ Er ging weiter. Er glaubte zu bemerken, daß jener Aufſeher ihm folge! Die Vagabunden. II. 22

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/339>, abgerufen am 18.05.2024.