welchen der Bruch eines so lange bestandenen Ver- hältnisses ein für allemal nie bleiben wird, ungleich weniger; man tröstet sich durch zornige Aufwallun- gen. Ganz anders jedoch gestaltet sich der inwendige Zustand, sobald eine tückische Wendung unseres Ge- schickes uns diesen Trost "des ersten Wortes" raubt; sobald wir hören oder lesen müssen, was wir selbst auszusprechen vor Ungeduld brannten. Dies geschah dem armen Anton. Während er noch an seinem Absageschreiben drechselte, brachte der Zettelträger mit dem Anschlagezettel des Tages, der Herrn Antoine als wieder hergestellt pomphaft verkündete, ein zierliches, seiden-papiernes Epistelchen, dessen Jnhalt wir, so gut und schlecht als möglich zu ver- deutschen wagen:
"Sie sind ein zu braver Junge, Antoine, und waren mir zu theuer, als daß ich Sie betrügen oder täuschen möchte. Deshalb sag' ich Jhnen ohne lange Vorrede: ich habe mich mit meinem Gemal ver- söhnt. Herr Amelot verläßt das noch nicht fest abgeschlossene hiesige Engagement. Der Direktor ist nicht böse darüber, -- aus mehrfachen Gründen! Und ich verlange es, aus den begreiflichsten von der Welt. Wir reisen morgen, oder übermorgen.
welchen der Bruch eines ſo lange beſtandenen Ver- haͤltniſſes ein fuͤr allemal nie bleiben wird, ungleich weniger; man troͤſtet ſich durch zornige Aufwallun- gen. Ganz anders jedoch geſtaltet ſich der inwendige Zuſtand, ſobald eine tuͤckiſche Wendung unſeres Ge- ſchickes uns dieſen Troſt „des erſten Wortes“ raubt; ſobald wir hoͤren oder leſen muͤſſen, was wir ſelbſt auszuſprechen vor Ungeduld brannten. Dies geſchah dem armen Anton. Waͤhrend er noch an ſeinem Abſageſchreiben drechſelte, brachte der Zetteltraͤger mit dem Anſchlagezettel des Tages, der Herrn Antoine als wieder hergeſtellt pomphaft verkuͤndete, ein zierliches, ſeiden-papiernes Epiſtelchen, deſſen Jnhalt wir, ſo gut und ſchlecht als moͤglich zu ver- deutſchen wagen:
„Sie ſind ein zu braver Junge, Antoine, und waren mir zu theuer, als daß ich Sie betruͤgen oder taͤuſchen moͤchte. Deshalb ſag’ ich Jhnen ohne lange Vorrede: ich habe mich mit meinem Gemal ver- ſoͤhnt. Herr Amelot verlaͤßt das noch nicht feſt abgeſchloſſene hieſige Engagement. Der Direktor iſt nicht boͤſe daruͤber, — aus mehrfachen Gruͤnden! Und ich verlange es, aus den begreiflichſten von der Welt. Wir reiſen morgen, oder uͤbermorgen.
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welchen der Bruch eines ſo lange beſtandenen Ver-
haͤltniſſes ein fuͤr allemal nie bleiben wird, ungleich
weniger; man troͤſtet ſich durch zornige Aufwallun-
gen. Ganz anders jedoch geſtaltet ſich der inwendige
Zuſtand, ſobald eine tuͤckiſche Wendung unſeres Ge-
ſchickes uns dieſen Troſt „des erſten Wortes“ raubt;
ſobald wir hoͤren oder leſen muͤſſen, was wir ſelbſt
auszuſprechen vor Ungeduld brannten. Dies geſchah
dem armen Anton. Waͤhrend er noch an ſeinem
Abſageſchreiben drechſelte, brachte der Zetteltraͤger
mit dem Anſchlagezettel des Tages, der Herrn
Antoine als wieder hergeſtellt pomphaft verkuͤndete,
ein zierliches, ſeiden-papiernes Epiſtelchen, deſſen
Jnhalt wir, ſo gut und ſchlecht als moͤglich zu ver-
deutſchen wagen:
„Sie ſind ein zu braver Junge, Antoine, und
waren mir zu theuer, als daß ich Sie betruͤgen oder
taͤuſchen moͤchte. Deshalb ſag’ ich Jhnen ohne lange
Vorrede: ich habe mich mit meinem Gemal ver-
ſoͤhnt. Herr Amelot verlaͤßt das noch nicht feſt
abgeſchloſſene hieſige Engagement. Der Direktor iſt
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ich verlange es, aus den begreiflichſten von der
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/54>, abgerufen am 28.11.2024.
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