Wir finden Anton auf seinem Lager, noch immer ohne Bewußtsein, den glatt geschorenen Kopf mit Eisumschlägen bedeckt. Vor ihm stehen sein Direk- tor, der Furioso, der Arzt von gestern und ein Wund- arzt. Es kann, äußert der Arzt, eine allerdings heftige, aber doch möglicherweise vorübergehende Erschütterung sein, die gar keine bedeutenden Folgen haben wird; äußere Verletzungen, welche Besorgnisse erregten, sind durchaus nicht vorhanden. Es kann aber ebenso der Tod sein! Darüber ist morgen erst zu sprechen. Blut haben wir ihm gelassen. Jetzt ist nichts nothwendig, als Ruhe und aufmerksame Pflege, hauptsächlich wegen des Eises, welches unaufhörlich erneuert werden muß. Wenn Sie wollen, werd' ich eine zuverlässige Krankenwärterin senden ....
Da erhob sich eine bleiche Gestalt, das ausdruck- volle Antlitz durch tief eingefallene, verweinte Augen entstellt, feierlich von dem Koffer, worauf sie in einer dunklen Ecke des Zimmers gesessen.
Die Fremden erschraken vor ihr.
"Es ist nur die Jartour," sagte der Direktor.
Und Adele an's Lager tretend, legte die Hand auf's Herz und sprach mit einer Stimme die dem Arzte durch alle Nerven drang; die sogar den ziemlich
Wir finden Anton auf ſeinem Lager, noch immer ohne Bewußtſein, den glatt geſchorenen Kopf mit Eisumſchlaͤgen bedeckt. Vor ihm ſtehen ſein Direk- tor, der Furioſo, der Arzt von geſtern und ein Wund- arzt. Es kann, aͤußert der Arzt, eine allerdings heftige, aber doch moͤglicherweiſe voruͤbergehende Erſchuͤtterung ſein, die gar keine bedeutenden Folgen haben wird; aͤußere Verletzungen, welche Beſorgniſſe erregten, ſind durchaus nicht vorhanden. Es kann aber ebenſo der Tod ſein! Daruͤber iſt morgen erſt zu ſprechen. Blut haben wir ihm gelaſſen. Jetzt iſt nichts nothwendig, als Ruhe und aufmerkſame Pflege, hauptſaͤchlich wegen des Eiſes, welches unaufhoͤrlich erneuert werden muß. Wenn Sie wollen, werd’ ich eine zuverlaͤſſige Krankenwaͤrterin ſenden ....
Da erhob ſich eine bleiche Geſtalt, das ausdruck- volle Antlitz durch tief eingefallene, verweinte Augen entſtellt, feierlich von dem Koffer, worauf ſie in einer dunklen Ecke des Zimmers geſeſſen.
Die Fremden erſchraken vor ihr.
„Es iſt nur die Jartour,“ ſagte der Direktor.
Und Adele an’s Lager tretend, legte die Hand auf’s Herz und ſprach mit einer Stimme die dem Arzte durch alle Nerven drang; die ſogar den ziemlich
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Wir finden Anton auf ſeinem Lager, noch immer
ohne Bewußtſein, den glatt geſchorenen Kopf mit
Eisumſchlaͤgen bedeckt. Vor ihm ſtehen ſein Direk-
tor, der Furioſo, der Arzt von geſtern und ein Wund-
arzt. Es kann, aͤußert der Arzt, eine allerdings
heftige, aber doch moͤglicherweiſe voruͤbergehende
Erſchuͤtterung ſein, die gar keine bedeutenden Folgen
haben wird; aͤußere Verletzungen, welche Beſorgniſſe
erregten, ſind durchaus nicht vorhanden. Es kann
aber ebenſo der Tod ſein! Daruͤber iſt morgen erſt zu
ſprechen. Blut haben wir ihm gelaſſen. Jetzt iſt
nichts nothwendig, als Ruhe und aufmerkſame Pflege,
hauptſaͤchlich wegen des Eiſes, welches unaufhoͤrlich
erneuert werden muß. Wenn Sie wollen, werd’ ich
eine zuverlaͤſſige Krankenwaͤrterin ſenden ....
Da erhob ſich eine bleiche Geſtalt, das ausdruck-
volle Antlitz durch tief eingefallene, verweinte Augen
entſtellt, feierlich von dem Koffer, worauf ſie in einer
dunklen Ecke des Zimmers geſeſſen.
Die Fremden erſchraken vor ihr.
„Es iſt nur die Jartour,“ ſagte der Direktor.
Und Adele an’s Lager tretend, legte die Hand
auf’s Herz und ſprach mit einer Stimme die dem
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/59>, abgerufen am 27.11.2024.
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