Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn nur erst Schnee kommen möchte. Die
Berge mit ihren hohen Tannen müssen im Winter-
schmuck herrlich sein!

Heute früh ist ein Hirschkalb eingebracht worden,
welches den Studien gewidmet werden soll; stellt sich
noch sehr ungebehrdig an."


"Herr Kästner ist verdrüßlich. Wenn ich ihn
frage, was ihm fehlt, so schiebt er alle Schuld auf
das Hirschkalb, welches nicht begreifen will. Jm
Ganzen bin ich zufrieden mit seiner üblen Laune, denn
sie verhindert ihn, zutraulich mit mir zu schwatzen
und das gewisse Projekt in Anregung zu bringen. Je
weiter sich die Sache hinausschiebt, desto angenehmer
ist es mir."


"Nun hätten wir ja den lieben Winter: ellenhoch
liegt der Schnee. Es sieht wunderhübsch aus. Doch
mit dem Anblick muß ich mich auch zufrieden stellen.
Von spazieren geh'n ist keine Rede mehr. Man ver-
sinkt bis über die Hüften.

Wer jetzt seine Bücher noch hätte! Die Zeit wird
mir mitunter sehr lang!"

Wenn nur erſt Schnee kommen moͤchte. Die
Berge mit ihren hohen Tannen muͤſſen im Winter-
ſchmuck herrlich ſein!

Heute fruͤh iſt ein Hirſchkalb eingebracht worden,
welches den Studien gewidmet werden ſoll; ſtellt ſich
noch ſehr ungebehrdig an.“


„Herr Kaͤſtner iſt verdruͤßlich. Wenn ich ihn
frage, was ihm fehlt, ſo ſchiebt er alle Schuld auf
das Hirſchkalb, welches nicht begreifen will. Jm
Ganzen bin ich zufrieden mit ſeiner uͤblen Laune, denn
ſie verhindert ihn, zutraulich mit mir zu ſchwatzen
und das gewiſſe Projekt in Anregung zu bringen. Je
weiter ſich die Sache hinausſchiebt, deſto angenehmer
iſt es mir.“


„Nun haͤtten wir ja den lieben Winter: ellenhoch
liegt der Schnee. Es ſieht wunderhuͤbſch aus. Doch
mit dem Anblick muß ich mich auch zufrieden ſtellen.
Von ſpazieren geh’n iſt keine Rede mehr. Man ver-
ſinkt bis uͤber die Huͤften.

Wer jetzt ſeine Buͤcher noch haͤtte! Die Zeit wird
mir mitunter ſehr lang!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <pb facs="#f0118" n="114"/>
            <p>Wenn nur er&#x017F;t Schnee kommen mo&#x0364;chte. Die<lb/>
Berge mit ihren hohen Tannen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en im Winter-<lb/>
&#x017F;chmuck herrlich &#x017F;ein!</p><lb/>
            <p>Heute fru&#x0364;h i&#x017F;t ein Hir&#x017F;chkalb eingebracht worden,<lb/>
welches den Studien gewidmet werden &#x017F;oll; &#x017F;tellt &#x017F;ich<lb/>
noch &#x017F;ehr ungebehrdig an.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="diaryEntry">
            <dateline> <hi rendition="#et">Vom 13. November.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Herr Ka&#x0364;&#x017F;tner i&#x017F;t verdru&#x0364;ßlich. Wenn ich ihn<lb/>
frage, was ihm fehlt, &#x017F;o &#x017F;chiebt er alle Schuld auf<lb/>
das Hir&#x017F;chkalb, welches nicht begreifen will. Jm<lb/>
Ganzen bin ich zufrieden mit &#x017F;einer u&#x0364;blen Laune, denn<lb/>
&#x017F;ie verhindert ihn, zutraulich mit mir zu &#x017F;chwatzen<lb/>
und das gewi&#x017F;&#x017F;e Projekt in Anregung zu bringen. Je<lb/>
weiter &#x017F;ich die Sache hinaus&#x017F;chiebt, de&#x017F;to angenehmer<lb/>
i&#x017F;t es mir.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="diaryEntry">
            <dateline> <hi rendition="#et">Vom 18. November.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Nun ha&#x0364;tten wir ja den lieben Winter: ellenhoch<lb/>
liegt der Schnee. Es &#x017F;ieht wunderhu&#x0364;b&#x017F;ch aus. Doch<lb/>
mit dem Anblick muß ich mich auch zufrieden &#x017F;tellen.<lb/>
Von &#x017F;pazieren geh&#x2019;n i&#x017F;t keine Rede mehr. Man ver-<lb/>
&#x017F;inkt bis u&#x0364;ber die Hu&#x0364;ften.</p><lb/>
            <p>Wer jetzt &#x017F;eine Bu&#x0364;cher noch ha&#x0364;tte! Die Zeit wird<lb/>
mir mitunter &#x017F;ehr lang!&#x201C;</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0118] Wenn nur erſt Schnee kommen moͤchte. Die Berge mit ihren hohen Tannen muͤſſen im Winter- ſchmuck herrlich ſein! Heute fruͤh iſt ein Hirſchkalb eingebracht worden, welches den Studien gewidmet werden ſoll; ſtellt ſich noch ſehr ungebehrdig an.“ Vom 13. November. „Herr Kaͤſtner iſt verdruͤßlich. Wenn ich ihn frage, was ihm fehlt, ſo ſchiebt er alle Schuld auf das Hirſchkalb, welches nicht begreifen will. Jm Ganzen bin ich zufrieden mit ſeiner uͤblen Laune, denn ſie verhindert ihn, zutraulich mit mir zu ſchwatzen und das gewiſſe Projekt in Anregung zu bringen. Je weiter ſich die Sache hinausſchiebt, deſto angenehmer iſt es mir.“ Vom 18. November. „Nun haͤtten wir ja den lieben Winter: ellenhoch liegt der Schnee. Es ſieht wunderhuͤbſch aus. Doch mit dem Anblick muß ich mich auch zufrieden ſtellen. Von ſpazieren geh’n iſt keine Rede mehr. Man ver- ſinkt bis uͤber die Huͤften. Wer jetzt ſeine Buͤcher noch haͤtte! Die Zeit wird mir mitunter ſehr lang!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/118
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/118>, abgerufen am 04.12.2024.