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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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"Liegt es an meinem schlechten Gewissen, -- denn
Unrecht bleibt es, das muß ich selbst gestehen, ein
Mädchen im Schlafgemach also zu belauschen; --
oder liegt es daran, daß ihre körperlichen Vorzüge
mir gefährlich zu werden anfangen? ich empfinde
neben dem Groll, der mich bisher gegen sie schweigen
ließ, jetzt auch einige Verlegenheit. Je mehr sie meine
Phantasie des Abends und bei Nacht beschäftiget, desto
mehr such' ich ihr den Tag über auszuweichen. Uebri-
gens kann das nicht so fortdauern und ein Ende muß
gemacht werden. Das Einfachste und Leichteste wäre
allerdings, daß ich mich erklärte; daß ich dem Vater
eröffnete: ich will Jhren Wunsch erfüllen. Damit
wäre auch der Adelheid geholfen, die nicht weiß, wie
sie sich dreh'n und winden soll, um ihre Liebe zu
beherrschen. Sie seufzt manmal so aus dem Tiefsten
heraus, daß ich förmlich erschrecke; dann wird sie's
gewahr und erschrickt auch; und dann macht sie sich
im Stalle, oder sonst wo zu schaffen, daß sie mir nur
aus den Augen kommt. Der Vater wartet nur auf
mein erstes Wort; er ist zu zartfühlend, sie mir wie-
derholt anzutragen. Jch sehe deutlich, wie er oft gern
reden möchte und es wieder hinunter schluckt.


„Liegt es an meinem ſchlechten Gewiſſen, — denn
Unrecht bleibt es, das muß ich ſelbſt geſtehen, ein
Maͤdchen im Schlafgemach alſo zu belauſchen; —
oder liegt es daran, daß ihre koͤrperlichen Vorzuͤge
mir gefaͤhrlich zu werden anfangen? ich empfinde
neben dem Groll, der mich bisher gegen ſie ſchweigen
ließ, jetzt auch einige Verlegenheit. Je mehr ſie meine
Phantaſie des Abends und bei Nacht beſchaͤftiget, deſto
mehr ſuch’ ich ihr den Tag uͤber auszuweichen. Uebri-
gens kann das nicht ſo fortdauern und ein Ende muß
gemacht werden. Das Einfachſte und Leichteſte waͤre
allerdings, daß ich mich erklaͤrte; daß ich dem Vater
eroͤffnete: ich will Jhren Wunſch erfuͤllen. Damit
waͤre auch der Adelheid geholfen, die nicht weiß, wie
ſie ſich dreh’n und winden ſoll, um ihre Liebe zu
beherrſchen. Sie ſeufzt manmal ſo aus dem Tiefſten
heraus, daß ich foͤrmlich erſchrecke; dann wird ſie’s
gewahr und erſchrickt auch; und dann macht ſie ſich
im Stalle, oder ſonſt wo zu ſchaffen, daß ſie mir nur
aus den Augen kommt. Der Vater wartet nur auf
mein erſtes Wort; er iſt zu zartfuͤhlend, ſie mir wie-
derholt anzutragen. Jch ſehe deutlich, wie er oft gern
reden moͤchte und es wieder hinunter ſchluckt.

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[124/0128] Vom 13. Dezember. „Liegt es an meinem ſchlechten Gewiſſen, — denn Unrecht bleibt es, das muß ich ſelbſt geſtehen, ein Maͤdchen im Schlafgemach alſo zu belauſchen; — oder liegt es daran, daß ihre koͤrperlichen Vorzuͤge mir gefaͤhrlich zu werden anfangen? ich empfinde neben dem Groll, der mich bisher gegen ſie ſchweigen ließ, jetzt auch einige Verlegenheit. Je mehr ſie meine Phantaſie des Abends und bei Nacht beſchaͤftiget, deſto mehr ſuch’ ich ihr den Tag uͤber auszuweichen. Uebri- gens kann das nicht ſo fortdauern und ein Ende muß gemacht werden. Das Einfachſte und Leichteſte waͤre allerdings, daß ich mich erklaͤrte; daß ich dem Vater eroͤffnete: ich will Jhren Wunſch erfuͤllen. Damit waͤre auch der Adelheid geholfen, die nicht weiß, wie ſie ſich dreh’n und winden ſoll, um ihre Liebe zu beherrſchen. Sie ſeufzt manmal ſo aus dem Tiefſten heraus, daß ich foͤrmlich erſchrecke; dann wird ſie’s gewahr und erſchrickt auch; und dann macht ſie ſich im Stalle, oder ſonſt wo zu ſchaffen, daß ſie mir nur aus den Augen kommt. Der Vater wartet nur auf mein erſtes Wort; er iſt zu zartfuͤhlend, ſie mir wie- derholt anzutragen. Jch ſehe deutlich, wie er oft gern reden moͤchte und es wieder hinunter ſchluckt.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/128>, abgerufen am 04.12.2024.