Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie mir das Herz schlug, in Erwartung, die
kleine Treppe hinauf.

Weil ich ihr Zeit lassen wollte, sich erst auszuklei-
den, schielte ich nur seitwärts nach ihrer Stubenthür
und trat in die meinige, um dort zu harren.

Wer saß da schon, lebendig und leibhaftig?

Sie! Sie selbst! Adelheid!

Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch sie
ließ mich nicht im Zweifel; sie sprach mich an:

"Jhr habt das Schloß an meiner Thür verdorben,
wahrscheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran
gerüttelt habt, um einzudringen. Schade um das
Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden
wünschtet, durftet Jhr's nur sagen; ich hab' ja auch
mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht
schon längst geschehen. Jetzt bin ich hier; nun könnt
ihr sprechen."

Die Seelenruhe des Mädchens machte mich irre.
Jch stotterte etwas von getäuschter Hoffnung, von
Ueberraschung in ihrem Gemach, von einsamem Lager,
von zärtlichem Besuche und so dergleichen; brachte
jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil sie mich dabei
ansah, wie Papa Kästner seinen jüngsten Hirsch,

Wie mir das Herz ſchlug, in Erwartung, die
kleine Treppe hinauf.

Weil ich ihr Zeit laſſen wollte, ſich erſt auszuklei-
den, ſchielte ich nur ſeitwaͤrts nach ihrer Stubenthuͤr
und trat in die meinige, um dort zu harren.

Wer ſaß da ſchon, lebendig und leibhaftig?

Sie! Sie ſelbſt! Adelheid!

Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch ſie
ließ mich nicht im Zweifel; ſie ſprach mich an:

„Jhr habt das Schloß an meiner Thuͤr verdorben,
wahrſcheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran
geruͤttelt habt, um einzudringen. Schade um das
Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden
wuͤnſchtet, durftet Jhr’s nur ſagen; ich hab’ ja auch
mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht
ſchon laͤngſt geſchehen. Jetzt bin ich hier; nun koͤnnt
ihr ſprechen.“

Die Seelenruhe des Maͤdchens machte mich irre.
Jch ſtotterte etwas von getaͤuſchter Hoffnung, von
Ueberraſchung in ihrem Gemach, von einſamem Lager,
von zaͤrtlichem Beſuche und ſo dergleichen; brachte
jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil ſie mich dabei
anſah, wie Papa Kaͤſtner ſeinen juͤngſten Hirſch,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <pb facs="#f0132" n="128"/>
            <p>Wie mir das Herz &#x017F;chlug, in Erwartung, die<lb/>
kleine Treppe hinauf.</p><lb/>
            <p>Weil ich ihr Zeit la&#x017F;&#x017F;en wollte, &#x017F;ich er&#x017F;t auszuklei-<lb/>
den, &#x017F;chielte ich nur &#x017F;eitwa&#x0364;rts nach ihrer Stubenthu&#x0364;r<lb/>
und trat in die meinige, um dort zu harren.</p><lb/>
            <p>Wer &#x017F;aß da &#x017F;chon, lebendig und leibhaftig?</p><lb/>
            <p>Sie! Sie &#x017F;elb&#x017F;t! Adelheid!</p><lb/>
            <p>Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch &#x017F;ie<lb/>
ließ mich nicht im Zweifel; &#x017F;ie &#x017F;prach mich an:</p><lb/>
            <p>&#x201E;Jhr habt das Schloß an meiner Thu&#x0364;r verdorben,<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran<lb/>
geru&#x0364;ttelt habt, um einzudringen. Schade um das<lb/>
Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chtet, durftet Jhr&#x2019;s nur &#x017F;agen; ich hab&#x2019; ja auch<lb/>
mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht<lb/>
&#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t ge&#x017F;chehen. Jetzt bin ich hier; nun ko&#x0364;nnt<lb/>
ihr &#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Die Seelenruhe des Ma&#x0364;dchens machte mich irre.<lb/>
Jch &#x017F;totterte etwas von geta&#x0364;u&#x017F;chter Hoffnung, von<lb/>
Ueberra&#x017F;chung in ihrem Gemach, von ein&#x017F;amem Lager,<lb/>
von za&#x0364;rtlichem Be&#x017F;uche und &#x017F;o dergleichen; brachte<lb/>
jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil &#x017F;ie mich dabei<lb/>
an&#x017F;ah, wie Papa Ka&#x0364;&#x017F;tner &#x017F;einen ju&#x0364;ng&#x017F;ten Hir&#x017F;ch,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0132] Wie mir das Herz ſchlug, in Erwartung, die kleine Treppe hinauf. Weil ich ihr Zeit laſſen wollte, ſich erſt auszuklei- den, ſchielte ich nur ſeitwaͤrts nach ihrer Stubenthuͤr und trat in die meinige, um dort zu harren. Wer ſaß da ſchon, lebendig und leibhaftig? Sie! Sie ſelbſt! Adelheid! Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch ſie ließ mich nicht im Zweifel; ſie ſprach mich an: „Jhr habt das Schloß an meiner Thuͤr verdorben, wahrſcheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran geruͤttelt habt, um einzudringen. Schade um das Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden wuͤnſchtet, durftet Jhr’s nur ſagen; ich hab’ ja auch mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht ſchon laͤngſt geſchehen. Jetzt bin ich hier; nun koͤnnt ihr ſprechen.“ Die Seelenruhe des Maͤdchens machte mich irre. Jch ſtotterte etwas von getaͤuſchter Hoffnung, von Ueberraſchung in ihrem Gemach, von einſamem Lager, von zaͤrtlichem Beſuche und ſo dergleichen; brachte jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil ſie mich dabei anſah, wie Papa Kaͤſtner ſeinen juͤngſten Hirſch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/132
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/132>, abgerufen am 26.05.2024.