Wie in allen Puppenspielen, ist der ernsthaft gemeinten Hauptfigur auch in diesem Stücke Kas- perle als Begleiter beigegeben; der Chorus der Ro- mantik, der mit derben, treffenden, ironischen Witz- worten gleichsam die Moral der Fabel explizirt. Er ist der treue Diener; macht alle dumme Streiche des Herren mit, obgleich er sich und ihn verspottend warnt; besucht mit ihm willige Dirnen; bleibt nicht zurück, wo der Spieltisch lockt; läßt sich bei'm Schen- ken den Becher füllen und klagt nur, daß es ein schlechtes Haus sei, weil man ihnen "besoffenen Wein" gereicht; hält sich aber, Dank sei es seiner humoristischen und dabei kerngesunden Hannswur- sten-Natur, stets über Wasser und bewahrt auch im größten Unglück, wie er's mit dem scharfgetadelten, dennoch geliebten Gebieter theilt, heit're Laune genug, aus allem Jammer das Lustige herauszufinden. Ja, Kasperle ist es zuletzt, der den heimkehrenden, in Lumpen gehüllten Bettler bei den Eltern anmeldet, diese schonend vorbereitet und ihnen sogar den tiefsten Grad vergangenen Elendes schalkhaft beschreibt, indem er ihnen vertraut, ihr Herr Sohn sei "auf der Jnsel Sumpfus König einer wilden Völkerschaft gewesen, die in niederen Hütten gewohnt habe und
Wie in allen Puppenſpielen, iſt der ernſthaft gemeinten Hauptfigur auch in dieſem Stuͤcke Kas- perle als Begleiter beigegeben; der Chorus der Ro- mantik, der mit derben, treffenden, ironiſchen Witz- worten gleichſam die Moral der Fabel explizirt. Er iſt der treue Diener; macht alle dumme Streiche des Herren mit, obgleich er ſich und ihn verſpottend warnt; beſucht mit ihm willige Dirnen; bleibt nicht zuruͤck, wo der Spieltiſch lockt; laͤßt ſich bei’m Schen- ken den Becher fuͤllen und klagt nur, daß es ein ſchlechtes Haus ſei, weil man ihnen „beſoffenen Wein“ gereicht; haͤlt ſich aber, Dank ſei es ſeiner humoriſtiſchen und dabei kerngeſunden Hannswur- ſten-Natur, ſtets uͤber Waſſer und bewahrt auch im groͤßten Ungluͤck, wie er’s mit dem ſcharfgetadelten, dennoch geliebten Gebieter theilt, heit’re Laune genug, aus allem Jammer das Luſtige herauszufinden. Ja, Kasperle iſt es zuletzt, der den heimkehrenden, in Lumpen gehuͤllten Bettler bei den Eltern anmeldet, dieſe ſchonend vorbereitet und ihnen ſogar den tiefſten Grad vergangenen Elendes ſchalkhaft beſchreibt, indem er ihnen vertraut, ihr Herr Sohn ſei „auf der Jnſel Sumpfus Koͤnig einer wilden Voͤlkerſchaft geweſen, die in niederen Huͤtten gewohnt habe und
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0176"n="172"/><p>Wie in allen Puppenſpielen, iſt der ernſthaft<lb/>
gemeinten Hauptfigur auch in dieſem Stuͤcke Kas-<lb/>
perle als Begleiter beigegeben; der Chorus der Ro-<lb/>
mantik, der mit derben, treffenden, ironiſchen Witz-<lb/>
worten gleichſam die Moral der Fabel explizirt. Er<lb/>
iſt der treue Diener; macht alle dumme Streiche des<lb/>
Herren mit, obgleich er ſich und ihn verſpottend<lb/>
warnt; beſucht mit ihm willige Dirnen; bleibt nicht<lb/>
zuruͤck, wo der Spieltiſch lockt; laͤßt ſich bei’m Schen-<lb/>
ken den Becher fuͤllen und klagt nur, daß es ein<lb/>ſchlechtes Haus ſei, weil man ihnen „beſoffenen<lb/>
Wein“ gereicht; haͤlt ſich aber, Dank ſei es ſeiner<lb/>
humoriſtiſchen und dabei kerngeſunden Hannswur-<lb/>ſten-Natur, ſtets uͤber Waſſer und bewahrt auch im<lb/>
groͤßten Ungluͤck, wie er’s mit dem ſcharfgetadelten,<lb/>
dennoch geliebten Gebieter theilt, heit’re Laune genug,<lb/>
aus allem Jammer das Luſtige herauszufinden. Ja,<lb/>
Kasperle iſt es zuletzt, der den heimkehrenden, in<lb/>
Lumpen gehuͤllten Bettler bei den Eltern anmeldet,<lb/>
dieſe ſchonend vorbereitet und ihnen ſogar den tiefſten<lb/>
Grad vergangenen Elendes ſchalkhaft beſchreibt,<lb/>
indem er ihnen vertraut, ihr Herr Sohn ſei „auf der<lb/>
Jnſel Sumpfus Koͤnig einer wilden Voͤlkerſchaft<lb/>
geweſen, die in niederen Huͤtten gewohnt habe und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0176]
Wie in allen Puppenſpielen, iſt der ernſthaft
gemeinten Hauptfigur auch in dieſem Stuͤcke Kas-
perle als Begleiter beigegeben; der Chorus der Ro-
mantik, der mit derben, treffenden, ironiſchen Witz-
worten gleichſam die Moral der Fabel explizirt. Er
iſt der treue Diener; macht alle dumme Streiche des
Herren mit, obgleich er ſich und ihn verſpottend
warnt; beſucht mit ihm willige Dirnen; bleibt nicht
zuruͤck, wo der Spieltiſch lockt; laͤßt ſich bei’m Schen-
ken den Becher fuͤllen und klagt nur, daß es ein
ſchlechtes Haus ſei, weil man ihnen „beſoffenen
Wein“ gereicht; haͤlt ſich aber, Dank ſei es ſeiner
humoriſtiſchen und dabei kerngeſunden Hannswur-
ſten-Natur, ſtets uͤber Waſſer und bewahrt auch im
groͤßten Ungluͤck, wie er’s mit dem ſcharfgetadelten,
dennoch geliebten Gebieter theilt, heit’re Laune genug,
aus allem Jammer das Luſtige herauszufinden. Ja,
Kasperle iſt es zuletzt, der den heimkehrenden, in
Lumpen gehuͤllten Bettler bei den Eltern anmeldet,
dieſe ſchonend vorbereitet und ihnen ſogar den tiefſten
Grad vergangenen Elendes ſchalkhaft beſchreibt,
indem er ihnen vertraut, ihr Herr Sohn ſei „auf der
Jnſel Sumpfus Koͤnig einer wilden Voͤlkerſchaft
geweſen, die in niederen Huͤtten gewohnt habe und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/176>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.