Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nommen; er zürnte mit seinen Nachbarn, die dumm
lachten, wo ihm Thränen in's Auge traten. Bei den
Worten: "ich bin die Hoffnung!" überkam ihn eine
Rührung, die er kaum bemeistern konnte, und die
seine nächsten Umgebungen, bei einem Marionetten-
spiel, komisch fanden, die aber auf ihn selbst so nach-
dauernd wirkte, daß er sich nicht von E. trennen
mochte, ohne wenigstens noch einer Vorstellung im
Puppentheater beigewohnt zu haben. "Jch bin ein
wunderlicher Mensch," gestand er sich ehrlich ein:
Spontini'sche große Oper mit aller Macht und Pracht
hat mich kalt gelassen, wiewohl ich auch ein Stückchen
Musikus bin; -- und diese Belustigung, Dienstmäg-
den und kleinen Kindern zunächst gewidmet, regt
mich auf, wie wenn es eine Tragödie wäre. Einen
guten Theil zu solcher Exaltation trägt freilich auch
die weibliche Stimme bei, die da mit hinein redet; sie
klingt, als ob sie einer alternden Frau angehöre, und
doch ist mir noch keines schönen Mädchens oder Wei-
bes Stimme so innig zu Herzen gedrungen; -- (Hed-
wig's immer ausgenommen, wie sich von selbst ver-
steht). Jch muß diese Stimme wieder hören und muß
die Frau kennen lernen, die mit wenig schlichten

nommen; er zuͤrnte mit ſeinen Nachbarn, die dumm
lachten, wo ihm Thraͤnen in’s Auge traten. Bei den
Worten: „ich bin die Hoffnung!“ uͤberkam ihn eine
Ruͤhrung, die er kaum bemeiſtern konnte, und die
ſeine naͤchſten Umgebungen, bei einem Marionetten-
ſpiel, komiſch fanden, die aber auf ihn ſelbſt ſo nach-
dauernd wirkte, daß er ſich nicht von E. trennen
mochte, ohne wenigſtens noch einer Vorſtellung im
Puppentheater beigewohnt zu haben. „Jch bin ein
wunderlicher Menſch,“ geſtand er ſich ehrlich ein:
Spontini’ſche große Oper mit aller Macht und Pracht
hat mich kalt gelaſſen, wiewohl ich auch ein Stuͤckchen
Muſikus bin; — und dieſe Beluſtigung, Dienſtmaͤg-
den und kleinen Kindern zunaͤchſt gewidmet, regt
mich auf, wie wenn es eine Tragoͤdie waͤre. Einen
guten Theil zu ſolcher Exaltation traͤgt freilich auch
die weibliche Stimme bei, die da mit hinein redet; ſie
klingt, als ob ſie einer alternden Frau angehoͤre, und
doch iſt mir noch keines ſchoͤnen Maͤdchens oder Wei-
bes Stimme ſo innig zu Herzen gedrungen; — (Hed-
wig’s immer ausgenommen, wie ſich von ſelbſt ver-
ſteht). Jch muß dieſe Stimme wieder hoͤren und muß
die Frau kennen lernen, die mit wenig ſchlichten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="174"/>
nommen; er zu&#x0364;rnte mit &#x017F;einen Nachbarn, die dumm<lb/>
lachten, wo ihm Thra&#x0364;nen in&#x2019;s Auge traten. Bei den<lb/>
Worten: &#x201E;ich bin die Hoffnung!&#x201C; u&#x0364;berkam ihn eine<lb/>
Ru&#x0364;hrung, die er kaum bemei&#x017F;tern konnte, und die<lb/>
&#x017F;eine na&#x0364;ch&#x017F;ten Umgebungen, bei einem Marionetten-<lb/>
&#x017F;piel, komi&#x017F;ch fanden, die aber auf ihn &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o nach-<lb/>
dauernd wirkte, daß er &#x017F;ich nicht von E. trennen<lb/>
mochte, ohne wenig&#x017F;tens noch einer Vor&#x017F;tellung im<lb/>
Puppentheater beigewohnt zu haben. &#x201E;Jch bin ein<lb/>
wunderlicher Men&#x017F;ch,&#x201C; ge&#x017F;tand er &#x017F;ich ehrlich ein:<lb/>
Spontini&#x2019;&#x017F;che große Oper mit aller Macht und Pracht<lb/>
hat mich kalt gela&#x017F;&#x017F;en, wiewohl ich auch ein Stu&#x0364;ckchen<lb/>
Mu&#x017F;ikus bin; &#x2014; und die&#x017F;e Belu&#x017F;tigung, Dien&#x017F;tma&#x0364;g-<lb/>
den und kleinen Kindern zuna&#x0364;ch&#x017F;t gewidmet, regt<lb/>
mich auf, wie wenn es eine Trago&#x0364;die wa&#x0364;re. Einen<lb/>
guten Theil zu &#x017F;olcher Exaltation tra&#x0364;gt freilich auch<lb/>
die weibliche Stimme bei, die da mit hinein redet; &#x017F;ie<lb/>
klingt, als ob &#x017F;ie einer alternden Frau angeho&#x0364;re, und<lb/>
doch i&#x017F;t mir noch keines &#x017F;cho&#x0364;nen Ma&#x0364;dchens oder Wei-<lb/>
bes Stimme &#x017F;o innig zu Herzen gedrungen; &#x2014; (Hed-<lb/>
wig&#x2019;s immer ausgenommen, wie &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;teht). Jch muß die&#x017F;e Stimme wieder ho&#x0364;ren und muß<lb/>
die Frau kennen lernen, die mit wenig &#x017F;chlichten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0178] nommen; er zuͤrnte mit ſeinen Nachbarn, die dumm lachten, wo ihm Thraͤnen in’s Auge traten. Bei den Worten: „ich bin die Hoffnung!“ uͤberkam ihn eine Ruͤhrung, die er kaum bemeiſtern konnte, und die ſeine naͤchſten Umgebungen, bei einem Marionetten- ſpiel, komiſch fanden, die aber auf ihn ſelbſt ſo nach- dauernd wirkte, daß er ſich nicht von E. trennen mochte, ohne wenigſtens noch einer Vorſtellung im Puppentheater beigewohnt zu haben. „Jch bin ein wunderlicher Menſch,“ geſtand er ſich ehrlich ein: Spontini’ſche große Oper mit aller Macht und Pracht hat mich kalt gelaſſen, wiewohl ich auch ein Stuͤckchen Muſikus bin; — und dieſe Beluſtigung, Dienſtmaͤg- den und kleinen Kindern zunaͤchſt gewidmet, regt mich auf, wie wenn es eine Tragoͤdie waͤre. Einen guten Theil zu ſolcher Exaltation traͤgt freilich auch die weibliche Stimme bei, die da mit hinein redet; ſie klingt, als ob ſie einer alternden Frau angehoͤre, und doch iſt mir noch keines ſchoͤnen Maͤdchens oder Wei- bes Stimme ſo innig zu Herzen gedrungen; — (Hed- wig’s immer ausgenommen, wie ſich von ſelbſt ver- ſteht). Jch muß dieſe Stimme wieder hoͤren und muß die Frau kennen lernen, die mit wenig ſchlichten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/178
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/178>, abgerufen am 04.12.2024.