sich richtete, daß er denn doch nicht energisch genug verfahren sei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun- den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er etwas Näheres von seiner Mutter und ihrem Ende vielleicht erfahren haben würde; -- dann bedeutete man ihn alles Ernstes, dieser Vorwürfe und Selbst- quälereien sich zu entschlagen, da es keinem Zweifel unterliege, daß die übel zusammengeworfene Sänger- gesellschaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil versuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland aufgelöst und versprengt worden, die Carina jedoch elend zu Grunde gegangen sei. Dies, versicherte die kranke Frau, wisse sie mit unumstößlicher Gewißheit, durch glaubwürdige Zeugen; er möge ihrem an hei- liger Eidesstatt gegebenen Worte vertrauen: jede Bemühung, die Gesuchte anderswo aufzufinden, müsse fruchtlos bleiben.
An dem Abende, den wir zunächst schildern, war Anton, von seiner Zuhörerin geleitet, wieder in die ersten Tage seines Lebens, bis zu seiner Geburt zurück- gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut- ter Goksch erfahren, das erzählte er nun, ohne daran zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend sei. Die Dunkelstunde trat ein. Die Fenster in der
ſich richtete, daß er denn doch nicht energiſch genug verfahren ſei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun- den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er etwas Naͤheres von ſeiner Mutter und ihrem Ende vielleicht erfahren haben wuͤrde; — dann bedeutete man ihn alles Ernſtes, dieſer Vorwuͤrfe und Selbſt- quaͤlereien ſich zu entſchlagen, da es keinem Zweifel unterliege, daß die uͤbel zuſammengeworfene Saͤnger- geſellſchaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil verſuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutſchland aufgeloͤst und verſprengt worden, die Carina jedoch elend zu Grunde gegangen ſei. Dies, verſicherte die kranke Frau, wiſſe ſie mit unumſtoͤßlicher Gewißheit, durch glaubwuͤrdige Zeugen; er moͤge ihrem an hei- liger Eidesſtatt gegebenen Worte vertrauen: jede Bemuͤhung, die Geſuchte anderswo aufzufinden, muͤſſe fruchtlos bleiben.
An dem Abende, den wir zunaͤchſt ſchildern, war Anton, von ſeiner Zuhoͤrerin geleitet, wieder in die erſten Tage ſeines Lebens, bis zu ſeiner Geburt zuruͤck- gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut- ter Gokſch erfahren, das erzaͤhlte er nun, ohne daran zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend ſei. Die Dunkelſtunde trat ein. Die Fenſter in der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="189"/>ſich richtete, daß er denn doch nicht energiſch genug<lb/>
verfahren ſei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun-<lb/>
den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er<lb/>
etwas Naͤheres von ſeiner Mutter und ihrem Ende<lb/>
vielleicht erfahren haben wuͤrde; — dann bedeutete<lb/>
man ihn alles Ernſtes, dieſer Vorwuͤrfe und Selbſt-<lb/>
quaͤlereien ſich zu entſchlagen, da es keinem Zweifel<lb/>
unterliege, daß die uͤbel zuſammengeworfene Saͤnger-<lb/>
geſellſchaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil<lb/>
verſuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutſchland<lb/>
aufgeloͤst und verſprengt worden, die Carina jedoch<lb/>
elend zu Grunde gegangen ſei. Dies, verſicherte die<lb/>
kranke Frau, wiſſe ſie mit unumſtoͤßlicher Gewißheit,<lb/>
durch glaubwuͤrdige Zeugen; er moͤge ihrem an hei-<lb/>
liger Eidesſtatt gegebenen Worte vertrauen: jede<lb/>
Bemuͤhung, die Geſuchte anderswo aufzufinden,<lb/>
muͤſſe fruchtlos bleiben.</p><lb/><p>An dem Abende, den wir zunaͤchſt ſchildern, war<lb/>
Anton, von ſeiner Zuhoͤrerin geleitet, wieder in die<lb/>
erſten Tage ſeines Lebens, bis zu ſeiner Geburt zuruͤck-<lb/>
gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut-<lb/>
ter Gokſch erfahren, das erzaͤhlte er nun, ohne daran<lb/>
zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend ſei.<lb/>
Die Dunkelſtunde trat ein. Die Fenſter in der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[189/0193]
ſich richtete, daß er denn doch nicht energiſch genug
verfahren ſei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun-
den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er
etwas Naͤheres von ſeiner Mutter und ihrem Ende
vielleicht erfahren haben wuͤrde; — dann bedeutete
man ihn alles Ernſtes, dieſer Vorwuͤrfe und Selbſt-
quaͤlereien ſich zu entſchlagen, da es keinem Zweifel
unterliege, daß die uͤbel zuſammengeworfene Saͤnger-
geſellſchaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil
verſuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutſchland
aufgeloͤst und verſprengt worden, die Carina jedoch
elend zu Grunde gegangen ſei. Dies, verſicherte die
kranke Frau, wiſſe ſie mit unumſtoͤßlicher Gewißheit,
durch glaubwuͤrdige Zeugen; er moͤge ihrem an hei-
liger Eidesſtatt gegebenen Worte vertrauen: jede
Bemuͤhung, die Geſuchte anderswo aufzufinden,
muͤſſe fruchtlos bleiben.
An dem Abende, den wir zunaͤchſt ſchildern, war
Anton, von ſeiner Zuhoͤrerin geleitet, wieder in die
erſten Tage ſeines Lebens, bis zu ſeiner Geburt zuruͤck-
gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut-
ter Gokſch erfahren, das erzaͤhlte er nun, ohne daran
zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend ſei.
Die Dunkelſtunde trat ein. Die Fenſter in der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/193>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.