mir nehmen könnte. Aber da brachte glücklicherweise eine Magd, mit der Meldung, daß ein Diener vom Schlosse "auf die gnädige Comtesse" warte, zwei dicke, brennende Kerzen, die sie auf den Tisch vor dem Sopha stellte. Nun hatte ich den ganzen Anblick einer Schönheit, wie ich sie auf Erden nicht für mög- lich gehalten. Jch kann sie nicht anders bezeichnen, als durch: Verklärung! Wenn es jemals ein weibli- ches Wesen gab, dem nur zwei Seraphs-Fittige fehl- ten, um ein reiner strahlender Engel zu heißen, so war es diese Julia. Sie sehen und im Jnnersten empfinden, daß diesem Wesen gegenüber jede eitle Eifersucht Verbrechen sei, -- das war Eins. Jch hatte nur ein Gefühl: wenn Guido vielleicht eine bes- sere, klügere, mehr gebildete Gattin verdiente, als ich ihm werden können, so verdiente dieses Mädchen einen anderen Gatten; Jhrer war er nicht würdig, das mußt' ich mir eingestehen, wie heiß ich ihn auch geliebt. Jch habe niemals ein solches Weib gesehen. und als ich sie nun sprechen sah'. Als dem seelen- vollen Tone, der mich während der Dunkelstunde schon begeistert, jetzt auch die lieblichen Züge entspra- chen, des Auges mildes Feuer, des zartgeformten Mundes Lächeln, da mußt' ich wohl an mich halten,
mir nehmen koͤnnte. Aber da brachte gluͤcklicherweiſe eine Magd, mit der Meldung, daß ein Diener vom Schloſſe „auf die gnaͤdige Comteſſe“ warte, zwei dicke, brennende Kerzen, die ſie auf den Tiſch vor dem Sopha ſtellte. Nun hatte ich den ganzen Anblick einer Schoͤnheit, wie ich ſie auf Erden nicht fuͤr moͤg- lich gehalten. Jch kann ſie nicht anders bezeichnen, als durch: Verklaͤrung! Wenn es jemals ein weibli- ches Weſen gab, dem nur zwei Seraphs-Fittige fehl- ten, um ein reiner ſtrahlender Engel zu heißen, ſo war es dieſe Julia. Sie ſehen und im Jnnerſten empfinden, daß dieſem Weſen gegenuͤber jede eitle Eiferſucht Verbrechen ſei, — das war Eins. Jch hatte nur ein Gefuͤhl: wenn Guido vielleicht eine beſ- ſere, kluͤgere, mehr gebildete Gattin verdiente, als ich ihm werden koͤnnen, ſo verdiente dieſes Maͤdchen einen anderen Gatten; Jhrer war er nicht wuͤrdig, das mußt’ ich mir eingeſtehen, wie heiß ich ihn auch geliebt. Jch habe niemals ein ſolches Weib geſehen. und als ich ſie nun ſprechen ſah’. Als dem ſeelen- vollen Tone, der mich waͤhrend der Dunkelſtunde ſchon begeiſtert, jetzt auch die lieblichen Zuͤge entſpra- chen, des Auges mildes Feuer, des zartgeformten Mundes Laͤcheln, da mußt’ ich wohl an mich halten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0249"n="245"/>
mir nehmen koͤnnte. Aber da brachte gluͤcklicherweiſe<lb/>
eine Magd, mit der Meldung, daß ein Diener vom<lb/>
Schloſſe „auf die gnaͤdige Comteſſe“ warte, zwei<lb/>
dicke, brennende Kerzen, die ſie auf den Tiſch vor<lb/>
dem Sopha ſtellte. Nun hatte ich den ganzen Anblick<lb/>
einer Schoͤnheit, wie ich ſie auf Erden nicht fuͤr moͤg-<lb/>
lich gehalten. Jch kann ſie nicht anders bezeichnen,<lb/>
als durch: Verklaͤrung! Wenn es jemals ein weibli-<lb/>
ches Weſen gab, dem nur zwei Seraphs-Fittige fehl-<lb/>
ten, um ein reiner ſtrahlender Engel zu heißen, ſo<lb/>
war es dieſe Julia. Sie ſehen und im Jnnerſten<lb/>
empfinden, daß dieſem Weſen gegenuͤber jede eitle<lb/>
Eiferſucht Verbrechen ſei, — das war Eins. Jch<lb/>
hatte nur ein Gefuͤhl: wenn Guido vielleicht eine beſ-<lb/>ſere, kluͤgere, mehr gebildete Gattin verdiente, als ich<lb/>
ihm werden koͤnnen, ſo verdiente dieſes Maͤdchen<lb/>
einen anderen Gatten; <hirendition="#g">Jhrer</hi> war er nicht wuͤrdig,<lb/>
das mußt’ ich mir eingeſtehen, wie heiß ich ihn auch<lb/>
geliebt. Jch habe niemals ein ſolches Weib geſehen.<lb/>
und als ich ſie nun ſprechen <hirendition="#g">ſah’.</hi> Als dem ſeelen-<lb/>
vollen Tone, der mich waͤhrend der Dunkelſtunde<lb/>ſchon begeiſtert, jetzt auch die lieblichen Zuͤge entſpra-<lb/>
chen, des Auges mildes Feuer, des zartgeformten<lb/>
Mundes Laͤcheln, da mußt’ ich wohl an mich halten,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[245/0249]
mir nehmen koͤnnte. Aber da brachte gluͤcklicherweiſe
eine Magd, mit der Meldung, daß ein Diener vom
Schloſſe „auf die gnaͤdige Comteſſe“ warte, zwei
dicke, brennende Kerzen, die ſie auf den Tiſch vor
dem Sopha ſtellte. Nun hatte ich den ganzen Anblick
einer Schoͤnheit, wie ich ſie auf Erden nicht fuͤr moͤg-
lich gehalten. Jch kann ſie nicht anders bezeichnen,
als durch: Verklaͤrung! Wenn es jemals ein weibli-
ches Weſen gab, dem nur zwei Seraphs-Fittige fehl-
ten, um ein reiner ſtrahlender Engel zu heißen, ſo
war es dieſe Julia. Sie ſehen und im Jnnerſten
empfinden, daß dieſem Weſen gegenuͤber jede eitle
Eiferſucht Verbrechen ſei, — das war Eins. Jch
hatte nur ein Gefuͤhl: wenn Guido vielleicht eine beſ-
ſere, kluͤgere, mehr gebildete Gattin verdiente, als ich
ihm werden koͤnnen, ſo verdiente dieſes Maͤdchen
einen anderen Gatten; Jhrer war er nicht wuͤrdig,
das mußt’ ich mir eingeſtehen, wie heiß ich ihn auch
geliebt. Jch habe niemals ein ſolches Weib geſehen.
und als ich ſie nun ſprechen ſah’. Als dem ſeelen-
vollen Tone, der mich waͤhrend der Dunkelſtunde
ſchon begeiſtert, jetzt auch die lieblichen Zuͤge entſpra-
chen, des Auges mildes Feuer, des zartgeformten
Mundes Laͤcheln, da mußt’ ich wohl an mich halten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/249>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.