Vater ist gestorben, und die Mutter sammt dem Kinde ist nach Liebenau gezogen; sie ist es; mein Kind ist es, welche Carino gesehen." Von diesem Gedanken wurd' ich erfüllt. Jch gönnte den weite- ren Berichten des unermüdlichen, wenn auch liebens- würdigen Schwätzers, nur noch wenig Gehör; trach- tete einzig danach, ihn bald los zu werden und allein zu bleiben mit den Empfindungen, die ich mir so lange fern gehalten, die aber nun, sich an mir rächend, mehr schmerzlich als wohlthätig auf mich einstürmten. Meine würdige Mutter lebte noch! Mir lebte ein Sohn; ein hoffnungsvoller, begabter Sohn! Und ich -- -- -- -- --
Damals war es, wo ich mich entschloß, Deiner Großmutter zu schreiben, ihre Verzeihung anzuflehen. Wäre mir huldvolle Antwort auf jenes Schreiben zu Theil geworden, so hätte ich, -- dies war mein Vor- satz, -- den Flitterkram und Prunk, der mich zu dieser Zeit noch umgab, zu Gelde gemacht, und wäre heim- gekehrt, in Eurer Hütte mit Euch zu leben, Euch zu dienen, Eure Magd zu sein; nicht ihre Tochter, nicht Deine Mutter. Jch hatte mit Thränen geschrieben, mit blutigen Thränen; so krümmt und windet sich der Wurm unter des Vogels Krallen, wie ich mich
Vater iſt geſtorben, und die Mutter ſammt dem Kinde iſt nach Liebenau gezogen; ſie iſt es; mein Kind iſt es, welche Carino geſehen.“ Von dieſem Gedanken wurd’ ich erfuͤllt. Jch goͤnnte den weite- ren Berichten des unermuͤdlichen, wenn auch liebens- wuͤrdigen Schwaͤtzers, nur noch wenig Gehoͤr; trach- tete einzig danach, ihn bald los zu werden und allein zu bleiben mit den Empfindungen, die ich mir ſo lange fern gehalten, die aber nun, ſich an mir raͤchend, mehr ſchmerzlich als wohlthaͤtig auf mich einſtuͤrmten. Meine wuͤrdige Mutter lebte noch! Mir lebte ein Sohn; ein hoffnungsvoller, begabter Sohn! Und ich — — — — —
Damals war es, wo ich mich entſchloß, Deiner Großmutter zu ſchreiben, ihre Verzeihung anzuflehen. Waͤre mir huldvolle Antwort auf jenes Schreiben zu Theil geworden, ſo haͤtte ich, — dies war mein Vor- ſatz, — den Flitterkram und Prunk, der mich zu dieſer Zeit noch umgab, zu Gelde gemacht, und waͤre heim- gekehrt, in Eurer Huͤtte mit Euch zu leben, Euch zu dienen, Eure Magd zu ſein; nicht ihre Tochter, nicht Deine Mutter. Jch hatte mit Thraͤnen geſchrieben, mit blutigen Thraͤnen; ſo kruͤmmt und windet ſich der Wurm unter des Vogels Krallen, wie ich mich
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Vater iſt geſtorben, und die Mutter ſammt dem
Kinde iſt nach Liebenau gezogen; ſie iſt es; mein
Kind iſt es, welche Carino geſehen.“ Von dieſem
Gedanken wurd’ ich erfuͤllt. Jch goͤnnte den weite-
ren Berichten des unermuͤdlichen, wenn auch liebens-
wuͤrdigen Schwaͤtzers, nur noch wenig Gehoͤr; trach-
tete einzig danach, ihn bald los zu werden und allein
zu bleiben mit den Empfindungen, die ich mir ſo
lange fern gehalten, die aber nun, ſich an mir
raͤchend, mehr ſchmerzlich als wohlthaͤtig auf mich
einſtuͤrmten. Meine wuͤrdige Mutter lebte noch! Mir
lebte ein Sohn; ein hoffnungsvoller, begabter Sohn!
Und ich — — — — —
Damals war es, wo ich mich entſchloß, Deiner
Großmutter zu ſchreiben, ihre Verzeihung anzuflehen.
Waͤre mir huldvolle Antwort auf jenes Schreiben zu
Theil geworden, ſo haͤtte ich, — dies war mein Vor-
ſatz, — den Flitterkram und Prunk, der mich zu dieſer
Zeit noch umgab, zu Gelde gemacht, und waͤre heim-
gekehrt, in Eurer Huͤtte mit Euch zu leben, Euch zu
dienen, Eure Magd zu ſein; nicht ihre Tochter, nicht
Deine Mutter. Jch hatte mit Thraͤnen geſchrieben,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/268>, abgerufen am 19.05.2024.
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