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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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oder Freude ein Herz suchst, dem Du das Deine
ausschütten könnest, so komm und suche mich auf.

Und nun begieb Dich zur Ruhe. Die Begeben-
heiten dieses Tages haben Dich, den erst Genesenden,
heftig angegriffen. Segne Gott Deine erste Nacht
in diesem Hause mit sanftem, erquickendem Schlum-
mer! Jch reise ab. Mein Tagewerk hier ist gethan.
Denke in Liebe Deines verstorbenen Vaters, bete für
-- meinen Sohn und vertraue auf Deiner Pflege-
mutter Freundschaft."

Anton, als die Gräfin nun vom Sessel aufge-
standen war, näherte sich ihr, beugte sich über ihre
Hände und küßte diese.

Sie umschlang ihn mit beiden Armen, drückte
einen heißen Kuß auf seine Stirn und sagte nur
noch: "Abel, bete für Kain!"

Dann ging sie raschen Trittes hinaus, wo ihre
Diener auf dem Flure harrten.

Anton geleitete sie bis zur Kutsche. Der Mond
ging eben leuchtend auf.

Der neue Gutsherr von Liebenau entschlummerte
unter sanften Thränen, wie er sie nicht mehr geweint
hatte, seitdem Mutter Gocksch gestorben war.



Die Vagabunden. IV. 8

oder Freude ein Herz ſuchſt, dem Du das Deine
ausſchuͤtten koͤnneſt, ſo komm und ſuche mich auf.

Und nun begieb Dich zur Ruhe. Die Begeben-
heiten dieſes Tages haben Dich, den erſt Geneſenden,
heftig angegriffen. Segne Gott Deine erſte Nacht
in dieſem Hauſe mit ſanftem, erquickendem Schlum-
mer! Jch reiſe ab. Mein Tagewerk hier iſt gethan.
Denke in Liebe Deines verſtorbenen Vaters, bete fuͤr
— meinen Sohn und vertraue auf Deiner Pflege-
mutter Freundſchaft.“

Anton, als die Graͤfin nun vom Seſſel aufge-
ſtanden war, naͤherte ſich ihr, beugte ſich uͤber ihre
Haͤnde und kuͤßte dieſe.

Sie umſchlang ihn mit beiden Armen, druͤckte
einen heißen Kuß auf ſeine Stirn und ſagte nur
noch: „Abel, bete fuͤr Kain!“

Dann ging ſie raſchen Trittes hinaus, wo ihre
Diener auf dem Flure harrten.

Anton geleitete ſie bis zur Kutſche. Der Mond
ging eben leuchtend auf.

Der neue Gutsherr von Liebenau entſchlummerte
unter ſanften Thraͤnen, wie er ſie nicht mehr geweint
hatte, ſeitdem Mutter Gockſch geſtorben war.



Die Vagabunden. IV. 8
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[113/0117] oder Freude ein Herz ſuchſt, dem Du das Deine ausſchuͤtten koͤnneſt, ſo komm und ſuche mich auf. Und nun begieb Dich zur Ruhe. Die Begeben- heiten dieſes Tages haben Dich, den erſt Geneſenden, heftig angegriffen. Segne Gott Deine erſte Nacht in dieſem Hauſe mit ſanftem, erquickendem Schlum- mer! Jch reiſe ab. Mein Tagewerk hier iſt gethan. Denke in Liebe Deines verſtorbenen Vaters, bete fuͤr — meinen Sohn und vertraue auf Deiner Pflege- mutter Freundſchaft.“ Anton, als die Graͤfin nun vom Seſſel aufge- ſtanden war, naͤherte ſich ihr, beugte ſich uͤber ihre Haͤnde und kuͤßte dieſe. Sie umſchlang ihn mit beiden Armen, druͤckte einen heißen Kuß auf ſeine Stirn und ſagte nur noch: „Abel, bete fuͤr Kain!“ Dann ging ſie raſchen Trittes hinaus, wo ihre Diener auf dem Flure harrten. Anton geleitete ſie bis zur Kutſche. Der Mond ging eben leuchtend auf. Der neue Gutsherr von Liebenau entſchlummerte unter ſanften Thraͤnen, wie er ſie nicht mehr geweint hatte, ſeitdem Mutter Gockſch geſtorben war. Die Vagabunden. IV. 8

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/117>, abgerufen am 25.11.2024.