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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Zu Hause saßen sie lange stumm und betrübt.

Hedwig, hub der Alte an, ich habe seinen Namen
nicht genannt, seitdem ich mit dem Schwerte zwischen
Euch getreten bin, wie der Straf-Engel, der die ersten
Menschen aus ihrem Paradiese vertrieb. Jch habe
Dich aus dem Deinigen vertrieben. Und Du klagst
nicht! Du schweigst und schluckst Gram und Thränen
hinab. Mir wäre besser, ich läge beim Puppenspieler
und der Antoinette, als daß ich den sprachlosen Jam-
mer mit ansehen muß. Sprich nur, weine nur, mache
mir nur Vorwürfe, ich bitte Dich um Gotteswillen!
Tadle meine Grausamkeit, meinen Hochmuth, meine
Härte mit harten Worten, damit ich Worte finde,
mich gegen Deine Anklagen zu vertheidigen! Wenn
Du so schweigend duldest, werd' ich an mir selbst irre
und komme mir vor, wie ein Bösewicht. Hab' ich
denn wirklich so Unrecht gethan?

"Du hast Recht gethan, mein Vater, und alles
Unrecht ist auf meiner Seite. Deshalb schweig' ich.
Wie sollt' ich mich auch vertheidigen? Hab' ich nicht,
von meiner Jugend und Unerfahrenheit irre geführt,
einem jungen Manne Gehör gegeben, der es unmög-
lich gut meinen konnte? Der mein kindisches Vertrauen
mißbrauchen wollte für seine herzlosen Zwecke? Ja,

Zu Hauſe ſaßen ſie lange ſtumm und betruͤbt.

Hedwig, hub der Alte an, ich habe ſeinen Namen
nicht genannt, ſeitdem ich mit dem Schwerte zwiſchen
Euch getreten bin, wie der Straf-Engel, der die erſten
Menſchen aus ihrem Paradieſe vertrieb. Jch habe
Dich aus dem Deinigen vertrieben. Und Du klagſt
nicht! Du ſchweigſt und ſchluckſt Gram und Thraͤnen
hinab. Mir waͤre beſſer, ich laͤge beim Puppenſpieler
und der Antoinette, als daß ich den ſprachloſen Jam-
mer mit anſehen muß. Sprich nur, weine nur, mache
mir nur Vorwuͤrfe, ich bitte Dich um Gotteswillen!
Tadle meine Grauſamkeit, meinen Hochmuth, meine
Haͤrte mit harten Worten, damit ich Worte finde,
mich gegen Deine Anklagen zu vertheidigen! Wenn
Du ſo ſchweigend duldeſt, werd’ ich an mir ſelbſt irre
und komme mir vor, wie ein Boͤſewicht. Hab’ ich
denn wirklich ſo Unrecht gethan?

„Du haſt Recht gethan, mein Vater, und alles
Unrecht iſt auf meiner Seite. Deshalb ſchweig’ ich.
Wie ſollt’ ich mich auch vertheidigen? Hab’ ich nicht,
von meiner Jugend und Unerfahrenheit irre gefuͤhrt,
einem jungen Manne Gehoͤr gegeben, der es unmoͤg-
lich gut meinen konnte? Der mein kindiſches Vertrauen
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[135/0139] Zu Hauſe ſaßen ſie lange ſtumm und betruͤbt. Hedwig, hub der Alte an, ich habe ſeinen Namen nicht genannt, ſeitdem ich mit dem Schwerte zwiſchen Euch getreten bin, wie der Straf-Engel, der die erſten Menſchen aus ihrem Paradieſe vertrieb. Jch habe Dich aus dem Deinigen vertrieben. Und Du klagſt nicht! Du ſchweigſt und ſchluckſt Gram und Thraͤnen hinab. Mir waͤre beſſer, ich laͤge beim Puppenſpieler und der Antoinette, als daß ich den ſprachloſen Jam- mer mit anſehen muß. Sprich nur, weine nur, mache mir nur Vorwuͤrfe, ich bitte Dich um Gotteswillen! Tadle meine Grauſamkeit, meinen Hochmuth, meine Haͤrte mit harten Worten, damit ich Worte finde, mich gegen Deine Anklagen zu vertheidigen! Wenn Du ſo ſchweigend duldeſt, werd’ ich an mir ſelbſt irre und komme mir vor, wie ein Boͤſewicht. Hab’ ich denn wirklich ſo Unrecht gethan? „Du haſt Recht gethan, mein Vater, und alles Unrecht iſt auf meiner Seite. Deshalb ſchweig’ ich. Wie ſollt’ ich mich auch vertheidigen? Hab’ ich nicht, von meiner Jugend und Unerfahrenheit irre gefuͤhrt, einem jungen Manne Gehoͤr gegeben, der es unmoͤg- lich gut meinen konnte? Der mein kindiſches Vertrauen mißbrauchen wollte fuͤr ſeine herzloſen Zwecke? Ja,

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/139>, abgerufen am 27.11.2024.