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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Was für eine Geborene ist Jhre Pflegemutter,
mein theurer Graf?

"Bester Vater, Sie nennen mich immer Graf --"

Graf, oder Anton, oder lieber Sohn, wie sich's
grade fügt. Warum sollt' ich Sie nicht Graf
nennen?

"Weil ich's nicht bin."

Ja, sind Sie denn nicht wirklich adoptirt?

"Nein, durchaus nicht. Mein Vater ist gestor-
ben, ehe noch die Vermittelung seiner Gemahlin --"

Freund, Sie führen doch seinen Namen?

"Seinen Namen. Jch heiße Hahn."

Ganz richtig. Und hieß denn Jhr Herr Vater
anders.

"Sie verlangen doch nicht, daß mein Vater Hahn
geheißen haben soll?"

Allerdings, Anton, wie denn sonst? Hab' ich ihn
doch selbst gekannt, den guten, wunderlichen Grafen,
der ein königliches Vermögen, ein ungeheures Besitz-
thum in seiner Leidenschaft fürs Theater durchge-
bracht hat. Ja, lieber Sohn, ich hab' ihn gekannt:
zuerst, wie er als Kavalier aus dem Mecklenburgi-
schen nach der Residenz kam, die berühmtesten Mit-
glieder des Hoftheaters zu sich einzuladen, daß sie bei

Die Vagabunden. IV. 10

Was fuͤr eine Geborene iſt Jhre Pflegemutter,
mein theurer Graf?

„Beſter Vater, Sie nennen mich immer Graf —“

Graf, oder Anton, oder lieber Sohn, wie ſich’s
grade fuͤgt. Warum ſollt’ ich Sie nicht Graf
nennen?

„Weil ich’s nicht bin.“

Ja, ſind Sie denn nicht wirklich adoptirt?

„Nein, durchaus nicht. Mein Vater iſt geſtor-
ben, ehe noch die Vermittelung ſeiner Gemahlin —“

Freund, Sie fuͤhren doch ſeinen Namen?

Seinen Namen. Jch heiße Hahn.

Ganz richtig. Und hieß denn Jhr Herr Vater
anders.

„Sie verlangen doch nicht, daß mein Vater Hahn
geheißen haben ſoll?“

Allerdings, Anton, wie denn ſonſt? Hab’ ich ihn
doch ſelbſt gekannt, den guten, wunderlichen Grafen,
der ein koͤnigliches Vermoͤgen, ein ungeheures Beſitz-
thum in ſeiner Leidenſchaft fuͤrs Theater durchge-
bracht hat. Ja, lieber Sohn, ich hab’ ihn gekannt:
zuerſt, wie er als Kavalier aus dem Mecklenburgi-
ſchen nach der Reſidenz kam, die beruͤhmteſten Mit-
glieder des Hoftheaters zu ſich einzuladen, daß ſie bei

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[145/0149] Was fuͤr eine Geborene iſt Jhre Pflegemutter, mein theurer Graf? „Beſter Vater, Sie nennen mich immer Graf —“ Graf, oder Anton, oder lieber Sohn, wie ſich’s grade fuͤgt. Warum ſollt’ ich Sie nicht Graf nennen? „Weil ich’s nicht bin.“ Ja, ſind Sie denn nicht wirklich adoptirt? „Nein, durchaus nicht. Mein Vater iſt geſtor- ben, ehe noch die Vermittelung ſeiner Gemahlin —“ Freund, Sie fuͤhren doch ſeinen Namen? „Seinen Namen. Jch heiße Hahn.“ Ganz richtig. Und hieß denn Jhr Herr Vater anders. „Sie verlangen doch nicht, daß mein Vater Hahn geheißen haben ſoll?“ Allerdings, Anton, wie denn ſonſt? Hab’ ich ihn doch ſelbſt gekannt, den guten, wunderlichen Grafen, der ein koͤnigliches Vermoͤgen, ein ungeheures Beſitz- thum in ſeiner Leidenſchaft fuͤrs Theater durchge- bracht hat. Ja, lieber Sohn, ich hab’ ihn gekannt: zuerſt, wie er als Kavalier aus dem Mecklenburgi- ſchen nach der Reſidenz kam, die beruͤhmteſten Mit- glieder des Hoftheaters zu ſich einzuladen, daß ſie bei Die Vagabunden. IV. 10

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/149>, abgerufen am 28.11.2024.