Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Am Ufer dräute der Möwenstein,
Drauf stand ein verrufnes Gemäuer,
Dort schleppten sie Werg und Strandholz hinein
Und gossen Oel in das Feuer.
Das leuchtete weit in die Nacht hinaus
Und sollte rufen: O komm nach Haus!
Dumpf an rollen die Fluthen --
Hier steht Dein Weib in Nacht und Wind
Und jammert laut auf und küßt Dein Kind:
"Een Boot is noch buten!"
Doch die Nacht verrann und die See ward still
Und die Sonne schien in die Flammen,
Da schluchzte die Aermste: "As Gott will!"
Und bewußtlos brach sie zusammen!
Sie trugen sie heim auf schmalem Brett,
Dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett
Und draußen plätschern die Fluthen;
Dort spielt ihr Kind, ihr "lütting Jehann",
Und lallt wie träumend dann und wann:
"Een Boot is noch buten!" --

Am Ufer dräute der Möwenſtein,
Drauf ſtand ein verrufnes Gemäuer,
Dort ſchleppten ſie Werg und Strandholz hinein
Und goſſen Oel in das Feuer.
Das leuchtete weit in die Nacht hinaus
Und ſollte rufen: O komm nach Haus!
Dumpf an rollen die Fluthen —
Hier ſteht Dein Weib in Nacht und Wind
Und jammert laut auf und küßt Dein Kind:
„Een Boot is noch buten!“
Doch die Nacht verrann und die See ward ſtill
Und die Sonne ſchien in die Flammen,
Da ſchluchzte die Aermſte: „As Gott will!“
Und bewußtlos brach ſie zuſammen!
Sie trugen ſie heim auf ſchmalem Brett,
Dort liegt ſie nun fiebernd im Krankenbett
Und draußen plätſchern die Fluthen;
Dort ſpielt ihr Kind, ihr „lütting Jehann“,
Und lallt wie träumend dann und wann:
„Een Boot is noch buten!“ —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0111" n="89"/>
            <lg n="3">
              <l>Am Ufer dräute der Möwen&#x017F;tein,</l><lb/>
              <l>Drauf &#x017F;tand ein verrufnes Gemäuer,</l><lb/>
              <l>Dort &#x017F;chleppten &#x017F;ie Werg und Strandholz hinein</l><lb/>
              <l>Und go&#x017F;&#x017F;en Oel in das Feuer.</l><lb/>
              <l>Das leuchtete weit in die Nacht hinaus</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ollte rufen: O komm nach Haus!</l><lb/>
              <l>Dumpf an rollen die Fluthen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Hier &#x017F;teht Dein Weib in Nacht und Wind</l><lb/>
              <l>Und jammert laut auf und küßt Dein Kind:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Een Boot is noch buten!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Doch die Nacht verrann und die See ward &#x017F;till</l><lb/>
              <l>Und die Sonne &#x017F;chien in die Flammen,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;chluchzte die Aerm&#x017F;te: &#x201E;As Gott will!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und bewußtlos brach &#x017F;ie zu&#x017F;ammen!</l><lb/>
              <l>Sie trugen &#x017F;ie heim auf &#x017F;chmalem Brett,</l><lb/>
              <l>Dort liegt &#x017F;ie nun fiebernd im Krankenbett</l><lb/>
              <l>Und draußen plät&#x017F;chern die Fluthen;</l><lb/>
              <l>Dort &#x017F;pielt ihr Kind, ihr &#x201E;lütting Jehann&#x201C;,</l><lb/>
              <l>Und lallt wie träumend dann und wann:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Een Boot is noch buten!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0111] Am Ufer dräute der Möwenſtein, Drauf ſtand ein verrufnes Gemäuer, Dort ſchleppten ſie Werg und Strandholz hinein Und goſſen Oel in das Feuer. Das leuchtete weit in die Nacht hinaus Und ſollte rufen: O komm nach Haus! Dumpf an rollen die Fluthen — Hier ſteht Dein Weib in Nacht und Wind Und jammert laut auf und küßt Dein Kind: „Een Boot is noch buten!“ Doch die Nacht verrann und die See ward ſtill Und die Sonne ſchien in die Flammen, Da ſchluchzte die Aermſte: „As Gott will!“ Und bewußtlos brach ſie zuſammen! Sie trugen ſie heim auf ſchmalem Brett, Dort liegt ſie nun fiebernd im Krankenbett Und draußen plätſchern die Fluthen; Dort ſpielt ihr Kind, ihr „lütting Jehann“, Und lallt wie träumend dann und wann: „Een Boot is noch buten!“ —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/111
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/111>, abgerufen am 21.11.2024.