Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Doch sank das Reich auch ins Verderben, Noch einmal, eh ich ging zu sterben, Wollt ich mir seine sieben Gauen Im Glanz der Frühlingspracht beschauen. Drum wieder, als der Schnee geschmolzen, Gab ich mein Amt dem Burgherrn ab Und ritt mit Armbrust, Schwert und Bolzen Getrost durchs Thor ins Thal hinab. Durch Wäldergrün um Dorf und Weiler Ritt ich fürbaß beim Blättersäuseln Und oft sah ich den Rauch der Meiler Still träumend in die Luft sich kräuseln. Durch mancher Burg zerfallne Häuser Ging's weiter dann ins Land hinein Und einst kam ich im Abendschein Auch an den alten Berg Kyffhäuser. Der Herr war müd, sein Rößlein auch, Ich band es los und ließ es grasen Und lagerte mich in den Rasen Tief unter einem Hollerstrauch. Dem Schicksal Deutschlands sann ich nach,
Dem Schicksal meines Vaterlands, Bis mir vom Abendsonnenglanz Das Salz durch beide Wimpern brach. Doch ſank das Reich auch ins Verderben, Noch einmal, eh ich ging zu ſterben, Wollt ich mir ſeine ſieben Gauen Im Glanz der Frühlingspracht beſchauen. Drum wieder, als der Schnee geſchmolzen, Gab ich mein Amt dem Burgherrn ab Und ritt mit Armbruſt, Schwert und Bolzen Getroſt durchs Thor ins Thal hinab. Durch Wäldergrün um Dorf und Weiler Ritt ich fürbaß beim Blätterſäuſeln Und oft ſah ich den Rauch der Meiler Still träumend in die Luft ſich kräuſeln. Durch mancher Burg zerfallne Häuſer Ging's weiter dann ins Land hinein Und einſt kam ich im Abendſchein Auch an den alten Berg Kyffhäuſer. Der Herr war müd, ſein Rößlein auch, Ich band es los und ließ es graſen Und lagerte mich in den Raſen Tief unter einem Hollerſtrauch. Dem Schickſal Deutſchlands ſann ich nach,
Dem Schickſal meines Vaterlands, Bis mir vom Abendſonnenglanz Das Salz durch beide Wimpern brach. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0160" n="138"/> <lg n="25"> <l>Doch ſank das Reich auch ins Verderben,</l><lb/> <l>Noch einmal, eh ich ging zu ſterben,</l><lb/> <l>Wollt ich mir ſeine ſieben Gauen</l><lb/> <l>Im Glanz der Frühlingspracht beſchauen.</l><lb/> </lg> <lg n="26"> <l>Drum wieder, als der Schnee geſchmolzen,</l><lb/> <l>Gab ich mein Amt dem Burgherrn ab</l><lb/> <l>Und ritt mit Armbruſt, Schwert und Bolzen</l><lb/> <l>Getroſt durchs Thor ins Thal hinab.</l><lb/> <l>Durch Wäldergrün um Dorf und Weiler</l><lb/> <l>Ritt ich fürbaß beim Blätterſäuſeln</l><lb/> <l>Und oft ſah ich den Rauch der Meiler</l><lb/> <l>Still träumend in die Luft ſich kräuſeln.</l><lb/> <l>Durch mancher Burg zerfallne Häuſer</l><lb/> <l>Ging's weiter dann ins Land hinein</l><lb/> <l>Und einſt kam ich im Abendſchein</l><lb/> <l>Auch an den alten Berg Kyffhäuſer.</l><lb/> <l>Der Herr war müd, ſein Rößlein auch,</l><lb/> <l>Ich band es los und ließ es graſen</l><lb/> <l>Und lagerte mich in den Raſen</l><lb/> <l>Tief unter einem Hollerſtrauch.</l><lb/> </lg> <lg n="27"> <l>Dem Schickſal Deutſchlands ſann ich nach,</l><lb/> <l>Dem Schickſal meines Vaterlands,</l><lb/> <l>Bis mir vom Abendſonnenglanz</l><lb/> <l>Das Salz durch beide Wimpern brach.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [138/0160]
Doch ſank das Reich auch ins Verderben,
Noch einmal, eh ich ging zu ſterben,
Wollt ich mir ſeine ſieben Gauen
Im Glanz der Frühlingspracht beſchauen.
Drum wieder, als der Schnee geſchmolzen,
Gab ich mein Amt dem Burgherrn ab
Und ritt mit Armbruſt, Schwert und Bolzen
Getroſt durchs Thor ins Thal hinab.
Durch Wäldergrün um Dorf und Weiler
Ritt ich fürbaß beim Blätterſäuſeln
Und oft ſah ich den Rauch der Meiler
Still träumend in die Luft ſich kräuſeln.
Durch mancher Burg zerfallne Häuſer
Ging's weiter dann ins Land hinein
Und einſt kam ich im Abendſchein
Auch an den alten Berg Kyffhäuſer.
Der Herr war müd, ſein Rößlein auch,
Ich band es los und ließ es graſen
Und lagerte mich in den Raſen
Tief unter einem Hollerſtrauch.
Dem Schickſal Deutſchlands ſann ich nach,
Dem Schickſal meines Vaterlands,
Bis mir vom Abendſonnenglanz
Das Salz durch beide Wimpern brach.
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