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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Ja, denkt zurück an all die Hohen
Und laßt den Tand, der blinkt und gleißt:
Nicht nur die griechischen Heroen
Sind werth, daß sie der Dichter preist!
Nicht mehr exotische Gedichte
Ersinne heute das Genie,
Denn unsre herrliche Geschichte
Ist auch ein gut Stück Poesie!
O, ist denn deutsch zu sein so schwer?
Und lebt nur einmal ein Homer?
Schaut her! die ich in Händen wiege,
Die kranzverzierte Harfe hier,
Wer ist so kühn und nimmt sie mir
Und singt von unserm heilgen Kriege?
O schaut nur, wie der Sonne Gold
Ihr glitzernd durch die Saiten rollt!
Sie schlug mit kunstgeübtem Finger
Herr Heinrich einst, der Ofterdinger,
Der schneidig uns wie Schwertesschwang
Das Lied der Nibelungen sang.
Glück auf! Wer will sein Epigone,
Nein, wer sein Herr, sein Meister sein?
Da, hier die Harfe, hier die Krone,
Und meine Hand hier ... wer schlägt ein?
Schon grollt's von fernen Klanggewittern,
Schon durch die Saiten fühl ich's zittern
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Ja, denkt zurück an all die Hohen
Und laßt den Tand, der blinkt und gleißt:
Nicht nur die griechiſchen Heroen
Sind werth, daß ſie der Dichter preist!
Nicht mehr exotiſche Gedichte
Erſinne heute das Genie,
Denn unſre herrliche Geſchichte
Iſt auch ein gut Stück Poeſie!
O, iſt denn deutſch zu ſein ſo ſchwer?
Und lebt nur einmal ein Homer?
Schaut her! die ich in Händen wiege,
Die kranzverzierte Harfe hier,
Wer iſt ſo kühn und nimmt ſie mir
Und ſingt von unſerm heilgen Kriege?
O ſchaut nur, wie der Sonne Gold
Ihr glitzernd durch die Saiten rollt!
Sie ſchlug mit kunſtgeübtem Finger
Herr Heinrich einſt, der Ofterdinger,
Der ſchneidig uns wie Schwertesſchwang
Das Lied der Nibelungen ſang.
Glück auf! Wer will ſein Epigone,
Nein, wer ſein Herr, ſein Meiſter ſein?
Da, hier die Harfe, hier die Krone,
Und meine Hand hier ... wer ſchlägt ein?
Schon grollt's von fernen Klanggewittern,
Schon durch die Saiten fühl ich's zittern
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[145/0167] Ja, denkt zurück an all die Hohen Und laßt den Tand, der blinkt und gleißt: Nicht nur die griechiſchen Heroen Sind werth, daß ſie der Dichter preist! Nicht mehr exotiſche Gedichte Erſinne heute das Genie, Denn unſre herrliche Geſchichte Iſt auch ein gut Stück Poeſie! O, iſt denn deutſch zu ſein ſo ſchwer? Und lebt nur einmal ein Homer? Schaut her! die ich in Händen wiege, Die kranzverzierte Harfe hier, Wer iſt ſo kühn und nimmt ſie mir Und ſingt von unſerm heilgen Kriege? O ſchaut nur, wie der Sonne Gold Ihr glitzernd durch die Saiten rollt! Sie ſchlug mit kunſtgeübtem Finger Herr Heinrich einſt, der Ofterdinger, Der ſchneidig uns wie Schwertesſchwang Das Lied der Nibelungen ſang. Glück auf! Wer will ſein Epigone, Nein, wer ſein Herr, ſein Meiſter ſein? Da, hier die Harfe, hier die Krone, Und meine Hand hier ... wer ſchlägt ein? Schon grollt's von fernen Klanggewittern, Schon durch die Saiten fühl ich's zittern 10

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/167>, abgerufen am 24.11.2024.