Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Da winkte wie ein Ziel Ihm fern ein goldner Schein Und mehr als einmal fiel Ihm der Messias ein. Er grübelte und sah: Noch wird das Volk geknutet, Das Herz von Golgatha Hat sich umsonst verblutet! Nun sprach das Ideal Ihm tief zu Herz und Hirn, Sein blutig Kainsmal Stand roth auf seiner Stirn. Er floh das Volksgewühl Und schlief nur wenig Stunden Und ließ dann sein Gefühl Sich zu Gedanken runden: "Ein Fluch auf diese Zeit!
Was grad wuchs, biegt sie krumm! Mein Herzblut aber schreit: Warum, o Gott, warum? Wozu denn Herr und Knecht? Was arm, was reich auf Erden? Für das zertretne Recht Will ich der Anwalt werden! Da winkte wie ein Ziel Ihm fern ein goldner Schein Und mehr als einmal fiel Ihm der Meſſias ein. Er grübelte und ſah: Noch wird das Volk geknutet, Das Herz von Golgatha Hat ſich umſonſt verblutet! Nun ſprach das Ideal Ihm tief zu Herz und Hirn, Sein blutig Kainsmal Stand roth auf ſeiner Stirn. Er floh das Volksgewühl Und ſchlief nur wenig Stunden Und ließ dann ſein Gefühl Sich zu Gedanken runden: „Ein Fluch auf dieſe Zeit!
Was grad wuchs, biegt ſie krumm! Mein Herzblut aber ſchreit: Warum, o Gott, warum? Wozu denn Herr und Knecht? Was arm, was reich auf Erden? Für das zertretne Recht Will ich der Anwalt werden! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0193" n="171"/> <lg n="24"> <l>Da winkte wie ein Ziel</l><lb/> <l>Ihm fern ein goldner Schein</l><lb/> <l>Und mehr als einmal fiel</l><lb/> <l>Ihm der Meſſias ein.</l><lb/> <l>Er grübelte und ſah:</l><lb/> <l>Noch wird das Volk geknutet,</l><lb/> <l>Das Herz von Golgatha</l><lb/> <l>Hat ſich umſonſt verblutet!</l><lb/> </lg> <lg n="25"> <l>Nun ſprach das Ideal</l><lb/> <l>Ihm tief zu Herz und Hirn,</l><lb/> <l>Sein blutig Kainsmal</l><lb/> <l>Stand roth auf ſeiner Stirn.</l><lb/> <l>Er floh das Volksgewühl</l><lb/> <l>Und ſchlief nur wenig Stunden</l><lb/> <l>Und ließ dann ſein Gefühl</l><lb/> <l>Sich zu Gedanken runden:</l><lb/> </lg> <lg n="26"> <l>„Ein Fluch auf dieſe Zeit!</l><lb/> <l>Was grad wuchs, biegt ſie krumm!</l><lb/> <l>Mein Herzblut aber ſchreit:</l><lb/> <l>Warum, o Gott, warum?</l><lb/> <l>Wozu denn Herr und Knecht?</l><lb/> <l>Was arm, was reich auf Erden?</l><lb/> <l>Für das zertretne Recht</l><lb/> <l>Will ich der Anwalt werden!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [171/0193]
Da winkte wie ein Ziel
Ihm fern ein goldner Schein
Und mehr als einmal fiel
Ihm der Meſſias ein.
Er grübelte und ſah:
Noch wird das Volk geknutet,
Das Herz von Golgatha
Hat ſich umſonſt verblutet!
Nun ſprach das Ideal
Ihm tief zu Herz und Hirn,
Sein blutig Kainsmal
Stand roth auf ſeiner Stirn.
Er floh das Volksgewühl
Und ſchlief nur wenig Stunden
Und ließ dann ſein Gefühl
Sich zu Gedanken runden:
„Ein Fluch auf dieſe Zeit!
Was grad wuchs, biegt ſie krumm!
Mein Herzblut aber ſchreit:
Warum, o Gott, warum?
Wozu denn Herr und Knecht?
Was arm, was reich auf Erden?
Für das zertretne Recht
Will ich der Anwalt werden!
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