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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Aber seine größte war's doch, daß er dir das Herz brach!
Denn ich weiß, du bist sein Liebling gewesen; sein Liebling,
wie Siegfried, den Hagen erschlug!

Doch ich klage nicht!

Was solltest du auch hier auf dieser närrischen Kugel?

Das goldne Elend deiner Mitwürmer machte dich me¬
lancholisch und wenn ein Hammer auf seinen Ambos sauste,
fuhr's dir durchs Herz wie ein Stich, denn die Zeit des
dritten Testaments ist noch fern.

Armer Freund!

Wäre deine Seele, deine unsterbliche Seele, nicht von
Krystall gewesen, sie wäre nicht zersprungen. Sie wäre nicht
zersprungen und du selbst wärst jetzt glücklich. Glücklich, wie
wir brutalen Kieselsteinseelen es eben sein können.

Doch ich will nicht glücklich sein! Ich will nicht wie
ein Thier sein und das Schwein zum Schwager haben! Ich
pfeife auf ihre spießbürgerliche Verdauungsmoral!

Mein stilles Leben wird fortab ein Kampf sein. Und
mein Lied ein Racheschrei. Ein wilder, blutrünstiger Aufschrei
um dich und deine todten Hoffnungen, die hingemordeten
Kinder deines Herzens!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O, wie dunkel es ist!

Lang, lang ist dem Schlaflosen die Nacht und Träume
umgaukeln nur Kinder und Thoren!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wann, o ihr Brüder, wird uns das Frühroth, das
ewige Frühroth, Erlösung ins Herz blitzen? Liegen wir

Aber ſeine größte war's doch, daß er dir das Herz brach!
Denn ich weiß, du biſt ſein Liebling geweſen; ſein Liebling,
wie Siegfried, den Hagen erſchlug!

Doch ich klage nicht!

Was ſollteſt du auch hier auf dieſer närriſchen Kugel?

Das goldne Elend deiner Mitwürmer machte dich me¬
lancholiſch und wenn ein Hammer auf ſeinen Ambos ſauſte,
fuhr's dir durchs Herz wie ein Stich, denn die Zeit des
dritten Teſtaments iſt noch fern.

Armer Freund!

Wäre deine Seele, deine unſterbliche Seele, nicht von
Kryſtall geweſen, ſie wäre nicht zerſprungen. Sie wäre nicht
zerſprungen und du ſelbſt wärſt jetzt glücklich. Glücklich, wie
wir brutalen Kieſelſteinſeelen es eben ſein können.

Doch ich will nicht glücklich ſein! Ich will nicht wie
ein Thier ſein und das Schwein zum Schwager haben! Ich
pfeife auf ihre ſpießbürgerliche Verdauungsmoral!

Mein ſtilles Leben wird fortab ein Kampf ſein. Und
mein Lied ein Racheſchrei. Ein wilder, blutrünſtiger Aufſchrei
um dich und deine todten Hoffnungen, die hingemordeten
Kinder deines Herzens!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O, wie dunkel es iſt!

Lang, lang iſt dem Schlafloſen die Nacht und Träume
umgaukeln nur Kinder und Thoren!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wann, o ihr Brüder, wird uns das Frühroth, das
ewige Frühroth, Erlöſung ins Herz blitzen? Liegen wir

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[392/0414] Aber ſeine größte war's doch, daß er dir das Herz brach! Denn ich weiß, du biſt ſein Liebling geweſen; ſein Liebling, wie Siegfried, den Hagen erſchlug! Doch ich klage nicht! Was ſollteſt du auch hier auf dieſer närriſchen Kugel? Das goldne Elend deiner Mitwürmer machte dich me¬ lancholiſch und wenn ein Hammer auf ſeinen Ambos ſauſte, fuhr's dir durchs Herz wie ein Stich, denn die Zeit des dritten Teſtaments iſt noch fern. Armer Freund! Wäre deine Seele, deine unſterbliche Seele, nicht von Kryſtall geweſen, ſie wäre nicht zerſprungen. Sie wäre nicht zerſprungen und du ſelbſt wärſt jetzt glücklich. Glücklich, wie wir brutalen Kieſelſteinſeelen es eben ſein können. Doch ich will nicht glücklich ſein! Ich will nicht wie ein Thier ſein und das Schwein zum Schwager haben! Ich pfeife auf ihre ſpießbürgerliche Verdauungsmoral! Mein ſtilles Leben wird fortab ein Kampf ſein. Und mein Lied ein Racheſchrei. Ein wilder, blutrünſtiger Aufſchrei um dich und deine todten Hoffnungen, die hingemordeten Kinder deines Herzens! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O, wie dunkel es iſt! Lang, lang iſt dem Schlafloſen die Nacht und Träume umgaukeln nur Kinder und Thoren! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wann, o ihr Brüder, wird uns das Frühroth, das ewige Frühroth, Erlöſung ins Herz blitzen? Liegen wir

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/414>, abgerufen am 22.11.2024.