O goldne Lenznacht der Jasminen, O, wär ich niemals dir entrückt! Das ewge Rädern der Maschinen Hat mir das Hirn zerpflückt, zerstückt! Einst schlich ich aus dem Haus der Väter Nachts in die Welt mich wie ein Dieb Und heut -- drei kurze Jährchen später! -- Wie ein geschlagner Missethäter, Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb!
Wozu dein armes Hirn zerwühlen? Du grübelst und die Weltlust lacht! Denn von Gedanken, von Gefühlen, Hat noch kein Mensch sich satt gemacht! Ja, Recht hat, o du süße Mutter, Dein Spruch, vor dem's mir stets gegraust: Was soll uns Shakespeare, Kant und Luther? Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter Erhabner als der ganze Faust!
O goldne Lenznacht der Jasminen, O, wär ich niemals dir entrückt! Das ewge Rädern der Maſchinen Hat mir das Hirn zerpflückt, zerſtückt! Einſt ſchlich ich aus dem Haus der Väter Nachts in die Welt mich wie ein Dieb Und heut — drei kurze Jährchen ſpäter! — Wie ein geſchlagner Miſſethäter, Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb!
Wozu dein armes Hirn zerwühlen? Du grübelſt und die Weltluſt lacht! Denn von Gedanken, von Gefühlen, Hat noch kein Menſch ſich ſatt gemacht! Ja, Recht hat, o du ſüße Mutter, Dein Spruch, vor dem's mir ſtets gegraust: Was ſoll uns Shakeſpeare, Kant und Luther? Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter Erhabner als der ganze Fauſt!
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O goldne Lenznacht der Jasminen,
O, wär ich niemals dir entrückt!
Das ewge Rädern der Maſchinen
Hat mir das Hirn zerpflückt, zerſtückt!
Einſt ſchlich ich aus dem Haus der Väter
Nachts in die Welt mich wie ein Dieb
Und heut — drei kurze Jährchen ſpäter! —
Wie ein geſchlagner Miſſethäter,
Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb!
Wozu dein armes Hirn zerwühlen?
Du grübelſt und die Weltluſt lacht!
Denn von Gedanken, von Gefühlen,
Hat noch kein Menſch ſich ſatt gemacht!
Ja, Recht hat, o du ſüße Mutter,
Dein Spruch, vor dem's mir ſtets gegraust:
Was ſoll uns Shakeſpeare, Kant und Luther?
Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter
Erhabner als der ganze Fauſt!
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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/429>, abgerufen am 13.06.2024.
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