Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.O goldne Lenznacht der Jasminen, O, wär ich niemals dir entrückt! Das ewge Rädern der Maschinen Hat mir das Hirn zerpflückt, zerstückt! Einst schlich ich aus dem Haus der Väter Nachts in die Welt mich wie ein Dieb Und heut -- drei kurze Jährchen später! -- Wie ein geschlagner Missethäter, Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb! Wozu dein armes Hirn zerwühlen? Du grübelst und die Weltlust lacht! Denn von Gedanken, von Gefühlen, Hat noch kein Mensch sich satt gemacht! Ja, Recht hat, o du süße Mutter, Dein Spruch, vor dem's mir stets gegraust: Was soll uns Shakespeare, Kant und Luther? Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter Erhabner als der ganze Faust! O goldne Lenznacht der Jasminen, O, wär ich niemals dir entrückt! Das ewge Rädern der Maſchinen Hat mir das Hirn zerpflückt, zerſtückt! Einſt ſchlich ich aus dem Haus der Väter Nachts in die Welt mich wie ein Dieb Und heut — drei kurze Jährchen ſpäter! — Wie ein geſchlagner Miſſethäter, Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb! Wozu dein armes Hirn zerwühlen? Du grübelſt und die Weltluſt lacht! Denn von Gedanken, von Gefühlen, Hat noch kein Menſch ſich ſatt gemacht! Ja, Recht hat, o du ſüße Mutter, Dein Spruch, vor dem's mir ſtets gegraust: Was ſoll uns Shakeſpeare, Kant und Luther? Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter Erhabner als der ganze Fauſt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0429" n="407"/> <lg n="3"> <l>O goldne Lenznacht der Jasminen,</l><lb/> <l>O, wär ich niemals dir entrückt!</l><lb/> <l>Das ewge Rädern der Maſchinen</l><lb/> <l>Hat mir das Hirn zerpflückt, zerſtückt!</l><lb/> <l>Einſt ſchlich ich aus dem Haus der Väter</l><lb/> <l>Nachts in die Welt mich wie ein Dieb</l><lb/> <l>Und heut — drei kurze Jährchen ſpäter! —</l><lb/> <l>Wie ein geſchlagner Miſſethäter,</l><lb/> <l>Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Wozu dein armes Hirn zerwühlen?</l><lb/> <l>Du grübelſt und die Weltluſt lacht!</l><lb/> <l>Denn von Gedanken, von Gefühlen,</l><lb/> <l>Hat noch kein Menſch ſich ſatt gemacht!</l><lb/> <l>Ja, Recht hat, o du ſüße Mutter,</l><lb/> <l>Dein Spruch, vor dem's mir ſtets gegraust:</l><lb/> <l>Was ſoll uns Shakeſpeare, Kant und Luther?</l><lb/> <l>Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter</l><lb/> <l>Erhabner als der ganze Fauſt!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [407/0429]
O goldne Lenznacht der Jasminen,
O, wär ich niemals dir entrückt!
Das ewge Rädern der Maſchinen
Hat mir das Hirn zerpflückt, zerſtückt!
Einſt ſchlich ich aus dem Haus der Väter
Nachts in die Welt mich wie ein Dieb
Und heut — drei kurze Jährchen ſpäter! —
Wie ein geſchlagner Miſſethäter,
Schluchz ich: Vergieb, o Gott, vergieb!
Wozu dein armes Hirn zerwühlen?
Du grübelſt und die Weltluſt lacht!
Denn von Gedanken, von Gefühlen,
Hat noch kein Menſch ſich ſatt gemacht!
Ja, Recht hat, o du ſüße Mutter,
Dein Spruch, vor dem's mir ſtets gegraust:
Was ſoll uns Shakeſpeare, Kant und Luther?
Dem Elend dünkt ein Stückchen Butter
Erhabner als der ganze Fauſt!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |