Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Phantasus. 2. Heft. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eine rote, glühende Eisensäule bis in den Himmel,
mit spitzen Glasscherben und Scheermessern gespickt,
werde ich an unsichtbaren Ketten langsam rauf und runter gedreht.
Langsam, ruckweis und gründlich.
Ich stöhne, ächze, gurgle, brülle: Hosianna!
In sieben mal siebzig Ewigkeiten,
wenn die Scherben zermürbt sind und die Messer nicht mehr können,
wird die Säule schwarz stehn;
unten,
in dem runden, stinkenden Tümpel um sie,
wird mein Hirn, meine Leber, mein Blut, der ganze Matsch geronnen liegen,
und ich,
"geläutert",
eine verklärte, selig gewordne Liebigbüchse,
werde schluchzend
mit meinem letzten, übrig gebliebenen Knöchelchen
an die Pforte des Paradieses klopfen!
Um eine rote, glühende Eisensäule bis in den Himmel,
mit spitzen Glasscherben und Scheermessern gespickt,
werde ich an unsichtbaren Ketten langsam rauf und runter gedreht.
Langsam, ruckweis und gründlich.
Ich stöhne, ächze, gurgle, brülle: Hosianna!
In sieben mal siebzig Ewigkeiten,
wenn die Scherben zermürbt sind und die Messer nicht mehr können,
wird die Säule schwarz stehn;
unten,
in dem runden, stinkenden Tümpel um sie,
wird mein Hirn, meine Leber, mein Blut, der ganze Matsch geronnen liegen,
und ich,
„geläutert“,
eine verklärte, selig gewordne Liebigbüchse,
werde schluchzend
mit meinem letzten, übrig gebliebenen Knöchelchen
an die Pforte des Paradieses klopfen!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0022"/>
      <lg type="poem">
        <lg n="1">
          <l rendition="#c">Um eine rote, glühende Eisensäule bis in den Himmel,</l><lb/>
          <l rendition="#c">mit spitzen Glasscherben und Scheermessern gespickt,</l><lb/>
          <l rendition="#c">werde ich an unsichtbaren Ketten langsam rauf und runter gedreht.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="2">
          <l rendition="#c">Langsam, ruckweis und gründlich.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="3">
          <l rendition="#c">Ich stöhne, ächze, gurgle, brülle: Hosianna!</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <l rendition="#c">In sieben mal siebzig Ewigkeiten,</l><lb/>
          <l rendition="#c">wenn die Scherben zermürbt sind und die Messer nicht mehr können,</l><lb/>
          <l rendition="#c">wird die Säule schwarz stehn;</l><lb/>
          <l rendition="#c">unten,</l><lb/>
          <l rendition="#c">in dem runden, stinkenden Tümpel um sie,</l><lb/>
          <l rendition="#c">wird mein Hirn, meine Leber, mein Blut, der ganze Matsch geronnen liegen,</l><lb/>
          <l rendition="#c">und ich,</l><lb/>
          <l rendition="#c">&#x201E;geläutert&#x201C;,</l><lb/>
          <l rendition="#c">eine verklärte, selig gewordne Liebigbüchse,</l><lb/>
          <l rendition="#c">werde schluchzend</l><lb/>
          <l rendition="#c">mit meinem letzten, übrig gebliebenen Knöchelchen</l><lb/>
          <l rendition="#c">an die Pforte des Paradieses klopfen!</l>
        </lg><lb/>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] Um eine rote, glühende Eisensäule bis in den Himmel, mit spitzen Glasscherben und Scheermessern gespickt, werde ich an unsichtbaren Ketten langsam rauf und runter gedreht. Langsam, ruckweis und gründlich. Ich stöhne, ächze, gurgle, brülle: Hosianna! In sieben mal siebzig Ewigkeiten, wenn die Scherben zermürbt sind und die Messer nicht mehr können, wird die Säule schwarz stehn; unten, in dem runden, stinkenden Tümpel um sie, wird mein Hirn, meine Leber, mein Blut, der ganze Matsch geronnen liegen, und ich, „geläutert“, eine verklärte, selig gewordne Liebigbüchse, werde schluchzend mit meinem letzten, übrig gebliebenen Knöchelchen an die Pforte des Paradieses klopfen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_phantasus02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_phantasus02_1899/22
Zitationshilfe: Holz, Arno: Phantasus. 2. Heft. Berlin, 1899, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_phantasus02_1899/22>, abgerufen am 03.12.2024.