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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890.

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unmöglich, ganz unmöglich, dass ich fort kann!
... Und -- das kann noch lange, lange Jahre
so fortdauern! ...
Wendt (nach einer Weile, halb zu sich selbst, seit-
wärts, zwischen den Zähnen):
Und -- da musst Du
Dich also -- opfern! ...
Toni (nachdenklich): Die armen, armen Menschen!
Wendt: Dein ganzes Leben in diesem Elend ver-
bringen! Dein ganzes Leben! ... Das soll man
ertragen?! ...
(Ist aufgesprungen.) Das ist ja
unmöglich, Toni! Das ist ja unmöglich!
Toni (sanft): Ach, doch!
Wendt: Toni!
Toni: Und wenn sie noch schlecht wären! ...
Sie sind aber so gut! Alle beide! Ich habe
sie ja so lieb! ...
Wendt (leise; einfach constatirend, nicht vorwurfsvoll):
Ja! Mehr als mich! ...
Toni: Ach, Du bist ja viel glücklicher!
Wendt: Glücklicher? Ich?!
Toni: Ja, Du! Du! ... Du bist ja noch jung
und hast noch so viel vor Dir! ... Aber sie
haben ja gar nichts mehr auf der Welt! Gar
nichts! ...
Wendt (stöhnt auf).
Toni (leise): Wir könnten ja doch nie so recht
glücklich sein! ... Ich hätte ja keine ruhige
Stunde bei Dir, wenn ich wüsste, wenn ich fort-
während denken sollte, dass hier ... Nein, nein!
... Das wäre ja nur eine fortwährende Qual
für mich! ... Das siehst Du ja auch ein!
Wendt: Ich? ... ein?!
Toni: Ja!
Wendt (zuerst vollständig fassungslos, dann): Gut!
unmöglich, ganz unmöglich, dass ich fort kann!
… Und — das kann noch lange, lange Jahre
so fortdauern! …
Wendt (nach einer Weile, halb zu sich selbst, seit-
wärts, zwischen den Zähnen):
Und — da musst Du
Dich also — opfern! …
Toni (nachdenklich): Die armen, armen Menschen!
Wendt: Dein ganzes Leben in diesem Elend ver-
bringen! Dein ganzes Leben! … Das soll man
ertragen?! …
(Ist aufgesprungen.) Das ist ja
unmöglich, Toni! Das ist ja unmöglich!
Toni (sanft): Ach, doch!
Wendt: Toni!
Toni: Und wenn sie noch schlecht wären! …
Sie sind aber so gut! Alle beide! Ich habe
sie ja so lieb! …
Wendt (leise; einfach constatirend, nicht vorwurfsvoll):
Ja! Mehr als mich! …
Toni: Ach, Du bist ja viel glücklicher!
Wendt: Glücklicher? Ich?!
Toni: Ja, Du! Du! … Du bist ja noch jung
und hast noch so viel vor Dir! … Aber sie
haben ja gar nichts mehr auf der Welt! Gar
nichts! …
Wendt (stöhnt auf).
Toni (leise): Wir könnten ja doch nie so recht
glücklich sein! … Ich hätte ja keine ruhige
Stunde bei Dir, wenn ich wüsste, wenn ich fort-
während denken sollte, dass hier … Nein, nein!
… Das wäre ja nur eine fortwährende Qual
für mich! … Das siehst Du ja auch ein!
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[84/0106] unmöglich, ganz unmöglich, dass ich fort kann! … Und — das kann noch lange, lange Jahre so fortdauern! … Wendt (nach einer Weile, halb zu sich selbst, seit- wärts, zwischen den Zähnen): Und — da musst Du Dich also — opfern! … Toni (nachdenklich): Die armen, armen Menschen! Wendt: Dein ganzes Leben in diesem Elend ver- bringen! Dein ganzes Leben! … Das soll man ertragen?! … (Ist aufgesprungen.) Das ist ja unmöglich, Toni! Das ist ja unmöglich! Toni (sanft): Ach, doch! Wendt: Toni! Toni: Und wenn sie noch schlecht wären! … Sie sind aber so gut! Alle beide! Ich habe sie ja so lieb! … Wendt (leise; einfach constatirend, nicht vorwurfsvoll): Ja! Mehr als mich! … Toni: Ach, Du bist ja viel glücklicher! Wendt: Glücklicher? Ich?! Toni: Ja, Du! Du! … Du bist ja noch jung und hast noch so viel vor Dir! … Aber sie haben ja gar nichts mehr auf der Welt! Gar nichts! … Wendt (stöhnt auf). Toni (leise): Wir könnten ja doch nie so recht glücklich sein! … Ich hätte ja keine ruhige Stunde bei Dir, wenn ich wüsste, wenn ich fort- während denken sollte, dass hier … Nein, nein! … Das wäre ja nur eine fortwährende Qual für mich! … Das siehst Du ja auch ein! Wendt: Ich? … ein?! Toni: Ja! Wendt (zuerst vollständig fassungslos, dann): Gut!

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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/106>, abgerufen am 24.11.2024.