Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890. Frau Selicke: Die sind fidel! ... (Sie tritt zu Selicke hin und legt ihm sanft die Hand auf die Schulter; mit mitleidiger, bebender Stimme): Vater! ... (Selicke, der, das Gesicht in den Händen, die Ellen- bogen auf die Kniee gestützt, vor sich hinbrütet, achtet nicht auf sie.) Vater! ... Komm! ... Vater! ... (Ihre Worte gehen in Weinen über.) Selicke (rührt sich; dumpf, mit zärtlichem Ausdruck): Du! ... Mein Linchen! ... (Schluchzt unterdrückt.) Frau Selicke (lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und weint): Vater, komm! ... Komm hier fort! ... Selicke: Du! ... Mein Linchen! ... Warum Du? (Starrt vor sich hin.) Frau Selicke (immer noch in derselben Stellung): Komm. Vater! ... Wir wollen uns von jetzt ab -- rechte Mühe geben ... Wir wollen ver- nünftig sein ... Es soll nun anders werden bei uns. ... Nicht wahr, Vater? Selicke (richtet das Gesicht in die Höhe und sieht sie mit einem todten, ausdruckslosen Blick an. Frau Selicke starrt ihn eine kleine Weile angstvoll an und richtet sich dann, den Schürzenzipfel vor den Augen, wieder auf. Selicke, der sich schwerfällig erhoben hat, bückt sich über das Bett und küsst die Leiche. Weich, zärtlich): Leb wohl! ... Leb wohl, mein gutes Linchen! ... Du hast's gut! ... Du hast's gut! ... (Betrachtet die Leiche noch einen Augen- blick, richtet sich dann in die Höhe und wankt gebrochen in die Kammer, während Walter auf dem Sopha noch lauter zu weinen anfängt und Albert sich, mit dem Gesicht gegen das Fenster gewandt, laut schneuzt.) (Kleine Pause.) Frau Selicke (wieder in Thränen ausbrechend): Warum hat uns -- der liebe Gott das -- Kind ge- nommen?! ... und ich ... und ich -- muss mich -- weiterschleppen ... mit meinem Elend Frau Selicke: Die sind fidel! … (Sie tritt zu Selicke hin und legt ihm sanft die Hand auf die Schulter; mit mitleidiger, bebender Stimme): Vater! … (Selicke, der, das Gesicht in den Händen, die Ellen- bogen auf die Kniee gestützt, vor sich hinbrütet, achtet nicht auf sie.) Vater! … Komm! … Vater! … (Ihre Worte gehen in Weinen über.) Selicke (rührt sich; dumpf, mit zärtlichem Ausdruck): Du! … Mein Linchen! … (Schluchzt unterdrückt.) Frau Selicke (lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und weint): Vater, komm! … Komm hier fort! … Selicke: Du! … Mein Linchen! … Warum Du? (Starrt vor sich hin.) Frau Selicke (immer noch in derselben Stellung): Komm. Vater! … Wir wollen uns von jetzt ab — rechte Mühe geben … Wir wollen ver- nünftig sein … Es soll nun anders werden bei uns. … Nicht wahr, Vater? Selicke (richtet das Gesicht in die Höhe und sieht sie mit einem todten, ausdruckslosen Blick an. Frau Selicke starrt ihn eine kleine Weile angstvoll an und richtet sich dann, den Schürzenzipfel vor den Augen, wieder auf. Selicke, der sich schwerfällig erhoben hat, bückt sich über das Bett und küsst die Leiche. Weich, zärtlich): Leb wohl! … Leb wohl, mein gutes Linchen! … Du hast’s gut! … Du hast’s gut! … (Betrachtet die Leiche noch einen Augen- blick, richtet sich dann in die Höhe und wankt gebrochen in die Kammer, während Walter auf dem Sopha noch lauter zu weinen anfängt und Albert sich, mit dem Gesicht gegen das Fenster gewandt, laut schneuzt.) (Kleine Pause.) 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Frau Selicke: Die sind fidel! … (Sie tritt zu
Selicke hin und legt ihm sanft die Hand auf die
Schulter; mit mitleidiger, bebender Stimme): Vater! …
(Selicke, der, das Gesicht in den Händen, die Ellen-
bogen auf die Kniee gestützt, vor sich hinbrütet,
achtet nicht auf sie.) Vater! … Komm! …
Vater! … (Ihre Worte gehen in Weinen über.)
Selicke (rührt sich; dumpf, mit zärtlichem Ausdruck):
Du! … Mein Linchen! … (Schluchzt unterdrückt.)
Frau Selicke (lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter
und weint): Vater, komm! … Komm hier fort! …
Selicke: Du! … Mein Linchen! … Warum
Du? (Starrt vor sich hin.)
Frau Selicke (immer noch in derselben Stellung):
Komm. Vater! … Wir wollen uns von jetzt
ab — rechte Mühe geben … Wir wollen ver-
nünftig sein … Es soll nun anders werden bei
uns. … Nicht wahr, Vater?
Selicke (richtet das Gesicht in die Höhe und sieht sie
mit einem todten, ausdruckslosen Blick an. Frau Selicke
starrt ihn eine kleine Weile angstvoll an und richtet
sich dann, den Schürzenzipfel vor den Augen, wieder
auf. Selicke, der sich schwerfällig erhoben hat, bückt
sich über das Bett und küsst die Leiche. Weich,
zärtlich): Leb wohl! … Leb wohl, mein gutes
Linchen! … Du hast’s gut! … Du hast’s
gut! … (Betrachtet die Leiche noch einen Augen-
blick, richtet sich dann in die Höhe und wankt gebrochen
in die Kammer, während Walter auf dem Sopha noch
lauter zu weinen anfängt und Albert sich, mit dem
Gesicht gegen das Fenster gewandt, laut schneuzt.)
(Kleine Pause.)
Frau Selicke (wieder in Thränen ausbrechend): Warum
hat uns — der liebe Gott das — Kind ge-
nommen?! … und ich … und ich — muss
mich — weiterschleppen … mit meinem Elend
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