Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Diener, welcher öffnete, hatte einen dicken Pack Briefe in der Hand. Bist du's endlich, Maso! sagte er. Da sind die Briefe -- nur dreizehn Stück. Daß du mir keinen verlierest! Maso nahm die Briefe in Empfang, die er morgen, am Sonntag, frühzeitig nach Florenz zur Post bringen sollte. Er hatte solchen Botendienst oft zu besorgen; denn auf der Villa wurden viele Briefe geschrieben, und da an Sonn- und Festtagen der Signor Baldo nicht in die Stadt zu gehen pflegte, so mußte für diese Tage ein besonderer Bote mit dem Transport nach der Post betraut werden. Maso kannte alle Obliegenheiten seines Vertrauensamtes; allein heute fragte er, ob ihm die Padrona keine besonderen Anweisungen zu geben habe. Als der Diener dies verneinte, drehte er sich halb auf dem Absatz um, blieb aber wieder stehen und sagte, er müsse mit der Signora reden. Der Andere sah die Nothwendigkeit nicht ein, doch Maso bestand darauf, daß er der Herrin etwas zu sagen habe, und wurde, nachdem der Diener drinnen angefragt, in den Salotto geführt, wo die Signora, an einem langen, mit Büchern und Papieren bedeckten Tische sitzend, ein lebhaftes Gespräch führte mit dem deutschen Gaste, zugleich aber und ohne daß das Gespräch darunter litt, eifrigst Briefe schrieb. Donna Ersilia war nämlich eine so emsige Sprecherin als fleißige Briefschreiberin und vermochte wie Cäsar mehrere Thätigkeiten in einer und derselben Zeit zu verrichten. Der Diener, welcher öffnete, hatte einen dicken Pack Briefe in der Hand. Bist du's endlich, Maso! sagte er. Da sind die Briefe — nur dreizehn Stück. Daß du mir keinen verlierest! Maso nahm die Briefe in Empfang, die er morgen, am Sonntag, frühzeitig nach Florenz zur Post bringen sollte. Er hatte solchen Botendienst oft zu besorgen; denn auf der Villa wurden viele Briefe geschrieben, und da an Sonn- und Festtagen der Signor Baldo nicht in die Stadt zu gehen pflegte, so mußte für diese Tage ein besonderer Bote mit dem Transport nach der Post betraut werden. Maso kannte alle Obliegenheiten seines Vertrauensamtes; allein heute fragte er, ob ihm die Padrona keine besonderen Anweisungen zu geben habe. Als der Diener dies verneinte, drehte er sich halb auf dem Absatz um, blieb aber wieder stehen und sagte, er müsse mit der Signora reden. Der Andere sah die Nothwendigkeit nicht ein, doch Maso bestand darauf, daß er der Herrin etwas zu sagen habe, und wurde, nachdem der Diener drinnen angefragt, in den Salotto geführt, wo die Signora, an einem langen, mit Büchern und Papieren bedeckten Tische sitzend, ein lebhaftes Gespräch führte mit dem deutschen Gaste, zugleich aber und ohne daß das Gespräch darunter litt, eifrigst Briefe schrieb. Donna Ersilia war nämlich eine so emsige Sprecherin als fleißige Briefschreiberin und vermochte wie Cäsar mehrere Thätigkeiten in einer und derselben Zeit zu verrichten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0018"/> <p>Der Diener, welcher öffnete, hatte einen dicken Pack Briefe in der Hand. Bist du's endlich, Maso! sagte er. Da sind die Briefe — nur dreizehn Stück. Daß du mir keinen verlierest!</p><lb/> <p>Maso nahm die Briefe in Empfang, die er morgen, am Sonntag, frühzeitig nach Florenz zur Post bringen sollte. Er hatte solchen Botendienst oft zu besorgen; denn auf der Villa wurden viele Briefe geschrieben, und da an Sonn- und Festtagen der Signor Baldo nicht in die Stadt zu gehen pflegte, so mußte für diese Tage ein besonderer Bote mit dem Transport nach der Post betraut werden. Maso kannte alle Obliegenheiten seines Vertrauensamtes; allein heute fragte er, ob ihm die Padrona keine besonderen Anweisungen zu geben habe. Als der Diener dies verneinte, drehte er sich halb auf dem Absatz um, blieb aber wieder stehen und sagte, er müsse mit der Signora reden. Der Andere sah die Nothwendigkeit nicht ein, doch Maso bestand darauf, daß er der Herrin etwas zu sagen habe, und wurde, nachdem der Diener drinnen angefragt, in den Salotto geführt, wo die Signora, an einem langen, mit Büchern und Papieren bedeckten Tische sitzend, ein lebhaftes Gespräch führte mit dem deutschen Gaste, zugleich aber und ohne daß das Gespräch darunter litt, eifrigst Briefe schrieb. Donna Ersilia war nämlich eine so emsige Sprecherin als fleißige Briefschreiberin und vermochte wie Cäsar mehrere Thätigkeiten in einer und derselben Zeit zu verrichten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Der Diener, welcher öffnete, hatte einen dicken Pack Briefe in der Hand. Bist du's endlich, Maso! sagte er. Da sind die Briefe — nur dreizehn Stück. Daß du mir keinen verlierest!
Maso nahm die Briefe in Empfang, die er morgen, am Sonntag, frühzeitig nach Florenz zur Post bringen sollte. Er hatte solchen Botendienst oft zu besorgen; denn auf der Villa wurden viele Briefe geschrieben, und da an Sonn- und Festtagen der Signor Baldo nicht in die Stadt zu gehen pflegte, so mußte für diese Tage ein besonderer Bote mit dem Transport nach der Post betraut werden. Maso kannte alle Obliegenheiten seines Vertrauensamtes; allein heute fragte er, ob ihm die Padrona keine besonderen Anweisungen zu geben habe. Als der Diener dies verneinte, drehte er sich halb auf dem Absatz um, blieb aber wieder stehen und sagte, er müsse mit der Signora reden. Der Andere sah die Nothwendigkeit nicht ein, doch Maso bestand darauf, daß er der Herrin etwas zu sagen habe, und wurde, nachdem der Diener drinnen angefragt, in den Salotto geführt, wo die Signora, an einem langen, mit Büchern und Papieren bedeckten Tische sitzend, ein lebhaftes Gespräch führte mit dem deutschen Gaste, zugleich aber und ohne daß das Gespräch darunter litt, eifrigst Briefe schrieb. Donna Ersilia war nämlich eine so emsige Sprecherin als fleißige Briefschreiberin und vermochte wie Cäsar mehrere Thätigkeiten in einer und derselben Zeit zu verrichten.
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