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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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in einem Halbkreise auf. Donna Ersilia blickte verwundert den Priore an der aber sagte: Es heißt, daß ein Tropfen Honig ein Meer voll Galle läutere, und da von den Lippen Eurer Signoria die Worte wie Honig träufeln, so möchte ich Sie bitten, diesen wackeren und hochgesinnten Burschen meiner Gemeinde Urballa zu sagen, wie wenig Eure Signoria es ihrer für würdig hält, daß sie mit ihren Nachbarn von Valtella in Unfrieden leben. Donna Ersilia drohte dem Priore mit dem Finger, als wollte sie sagen: Ei, ei, Priore mio, einmal dient es Euch, meine Rede mit dem Brausen des Sturmes, ein andermal mit dem Träufeln des Honigs zu vergleichen; zur Strafe sollte ich Euch beweisen, daß mein Mund auch schwirrende Pfeile versenden kann, die ihr Ziel nicht verfehlen; -- allein man durfte doch den Burschen da nicht das Schauspiel eines Zwistes mit ihrem geistlichen Führer geben, und da sie nun einmal durch die List des Priore in diese Falle gelockt worden war, so blieb nichts übrig, als sich mit Würde herauszuziehen; Verlegenheit kannte sie nicht, und ohne sich zu besinnen, hob sie an: Ihr wisset, meine Freunde, daß ich mich glücklich schätze, eure Mitbürgerin zu sein. Denn die bin ich, da die meisten unserer Ländereien und zumal die besten unserer Weinberge zu der Gemarkung von Urballa gehören. Die Villa aber steht auf Valtellaner Grund und Boden, und darum bin ich auch eine Bürgerin von Valtella, und nun frage ich euch, ob mein Herz nicht weinen

in einem Halbkreise auf. Donna Ersilia blickte verwundert den Priore an der aber sagte: Es heißt, daß ein Tropfen Honig ein Meer voll Galle läutere, und da von den Lippen Eurer Signoria die Worte wie Honig träufeln, so möchte ich Sie bitten, diesen wackeren und hochgesinnten Burschen meiner Gemeinde Urballa zu sagen, wie wenig Eure Signoria es ihrer für würdig hält, daß sie mit ihren Nachbarn von Valtella in Unfrieden leben. Donna Ersilia drohte dem Priore mit dem Finger, als wollte sie sagen: Ei, ei, Priore mio, einmal dient es Euch, meine Rede mit dem Brausen des Sturmes, ein andermal mit dem Träufeln des Honigs zu vergleichen; zur Strafe sollte ich Euch beweisen, daß mein Mund auch schwirrende Pfeile versenden kann, die ihr Ziel nicht verfehlen; — allein man durfte doch den Burschen da nicht das Schauspiel eines Zwistes mit ihrem geistlichen Führer geben, und da sie nun einmal durch die List des Priore in diese Falle gelockt worden war, so blieb nichts übrig, als sich mit Würde herauszuziehen; Verlegenheit kannte sie nicht, und ohne sich zu besinnen, hob sie an: Ihr wisset, meine Freunde, daß ich mich glücklich schätze, eure Mitbürgerin zu sein. Denn die bin ich, da die meisten unserer Ländereien und zumal die besten unserer Weinberge zu der Gemarkung von Urballa gehören. Die Villa aber steht auf Valtellaner Grund und Boden, und darum bin ich auch eine Bürgerin von Valtella, und nun frage ich euch, ob mein Herz nicht weinen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/82>, abgerufen am 03.05.2024.