ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die Frauenzimmer hier nicht die Geschäfte treiben, wie bei ihnen, seyn sie ganz unthätig; weil sie nicht die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen, leben sie blos in den Tag hinein. Die Familienbande scheinen mir hier noch fest geknüpft, die Verhält- nisse zwischen Eltern und Kindern der guten alten Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man hat sich bei den zunehmend harten Zeiten weislich beschränkt, der Luxus scheint hier nicht mit der Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in manchen Gegenden, wo der Krieg seit Jahren seine Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie- sige Universität hat von dem, was wir unter die- sem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele Hülfsmittel an belehrenden Sammlungen, und zahlreichen Stipendien, besonders für Ausländer, sogar für Ungarn. Dieses alte Denkmal von Gei- stesverkehr zwischen dem West- und Ostende von Europa erfreute mich innig -- für den überall Licht suchenden Menschengeist, für das schöne Band der Wissenschaft, das die fernsten Nationen ver- schlingt, und für die Ehre dieser wackern Stadt, die im Stillen so weit verbreitet wohl thut.
ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die Frauenzimmer hier nicht die Geſchaͤfte treiben, wie bei ihnen, ſeyn ſie ganz unthaͤtig; weil ſie nicht die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen, leben ſie blos in den Tag hinein. Die Familienbande ſcheinen mir hier noch feſt geknuͤpft, die Verhaͤlt- niſſe zwiſchen Eltern und Kindern der guten alten Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man hat ſich bei den zunehmend harten Zeiten weislich beſchraͤnkt, der Luxus ſcheint hier nicht mit der Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in manchen Gegenden, wo der Krieg ſeit Jahren ſeine Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie- ſige Univerſitaͤt hat von dem, was wir unter die- ſem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele Huͤlfsmittel an belehrenden Sammlungen, und zahlreichen Stipendien, beſonders fuͤr Auslaͤnder, ſogar fuͤr Ungarn. Dieſes alte Denkmal von Gei- ſtesverkehr zwiſchen dem Weſt- und Oſtende von Europa erfreute mich innig — fuͤr den uͤberall Licht ſuchenden Menſchengeiſt, fuͤr das ſchoͤne Band der Wiſſenſchaft, das die fernſten Nationen ver- ſchlingt, und fuͤr die Ehre dieſer wackern Stadt, die im Stillen ſo weit verbreitet wohl thut.
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ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die
Frauenzimmer hier nicht die Geſchaͤfte treiben, wie
bei ihnen, ſeyn ſie ganz unthaͤtig; weil ſie nicht
die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen,
leben ſie blos in den Tag hinein. Die Familienbande
ſcheinen mir hier noch feſt geknuͤpft, die Verhaͤlt-
niſſe zwiſchen Eltern und Kindern der guten alten
Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man
hat ſich bei den zunehmend harten Zeiten weislich
beſchraͤnkt, der Luxus ſcheint hier nicht mit der
Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in
manchen Gegenden, wo der Krieg ſeit Jahren ſeine
Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie-
ſige Univerſitaͤt hat von dem, was wir unter die-
ſem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele
Huͤlfsmittel an belehrenden Sammlungen, und
zahlreichen Stipendien, beſonders fuͤr Auslaͤnder,
ſogar fuͤr Ungarn. Dieſes alte Denkmal von Gei-
ſtesverkehr zwiſchen dem Weſt- und Oſtende von
Europa erfreute mich innig — fuͤr den uͤberall
Licht ſuchenden Menſchengeiſt, fuͤr das ſchoͤne Band
der Wiſſenſchaft, das die fernſten Nationen ver-
ſchlingt, und fuͤr die Ehre dieſer wackern Stadt,
die im Stillen ſo weit verbreitet wohl thut.
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/131>, abgerufen am 22.12.2024.
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