Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die
Frauenzimmer hier nicht die Geschäfte treiben, wie
bei ihnen, seyn sie ganz unthätig; weil sie nicht
die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen,
leben sie blos in den Tag hinein. Die Familienbande
scheinen mir hier noch fest geknüpft, die Verhält-
nisse zwischen Eltern und Kindern der guten alten
Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man
hat sich bei den zunehmend harten Zeiten weislich
beschränkt, der Luxus scheint hier nicht mit der
Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in
manchen Gegenden, wo der Krieg seit Jahren seine
Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie-
sige Universität hat von dem, was wir unter die-
sem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele
Hülfsmittel an belehrenden Sammlungen, und
zahlreichen Stipendien, besonders für Ausländer,
sogar für Ungarn. Dieses alte Denkmal von Gei-
stesverkehr zwischen dem West- und Ostende von
Europa erfreute mich innig -- für den überall
Licht suchenden Menschengeist, für das schöne Band
der Wissenschaft, das die fernsten Nationen ver-
schlingt, und für die Ehre dieser wackern Stadt,
die im Stillen so weit verbreitet wohl thut.


ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die
Frauenzimmer hier nicht die Geſchaͤfte treiben, wie
bei ihnen, ſeyn ſie ganz unthaͤtig; weil ſie nicht
die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen,
leben ſie blos in den Tag hinein. Die Familienbande
ſcheinen mir hier noch feſt geknuͤpft, die Verhaͤlt-
niſſe zwiſchen Eltern und Kindern der guten alten
Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man
hat ſich bei den zunehmend harten Zeiten weislich
beſchraͤnkt, der Luxus ſcheint hier nicht mit der
Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in
manchen Gegenden, wo der Krieg ſeit Jahren ſeine
Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie-
ſige Univerſitaͤt hat von dem, was wir unter die-
ſem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele
Huͤlfsmittel an belehrenden Sammlungen, und
zahlreichen Stipendien, beſonders fuͤr Auslaͤnder,
ſogar fuͤr Ungarn. Dieſes alte Denkmal von Gei-
ſtesverkehr zwiſchen dem Weſt- und Oſtende von
Europa erfreute mich innig — fuͤr den uͤberall
Licht ſuchenden Menſchengeiſt, fuͤr das ſchoͤne Band
der Wiſſenſchaft, das die fernſten Nationen ver-
ſchlingt, und fuͤr die Ehre dieſer wackern Stadt,
die im Stillen ſo weit verbreitet wohl thut.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="117"/>
ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die<lb/>
Frauenzimmer hier nicht die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte treiben, wie<lb/>
bei ihnen, &#x017F;eyn &#x017F;ie ganz untha&#x0364;tig; weil &#x017F;ie nicht<lb/>
die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen,<lb/>
leben &#x017F;ie blos in den Tag hinein. Die Familienbande<lb/>
&#x017F;cheinen mir hier noch fe&#x017F;t geknu&#x0364;pft, die Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zwi&#x017F;chen Eltern und Kindern der guten alten<lb/>
Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man<lb/>
hat &#x017F;ich bei den zunehmend harten Zeiten weislich<lb/>
be&#x017F;chra&#x0364;nkt, der Luxus &#x017F;cheint hier nicht mit der<lb/>
Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in<lb/>
manchen Gegenden, wo der Krieg &#x017F;eit Jahren &#x017F;eine<lb/>
Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie-<lb/>
&#x017F;ige Univer&#x017F;ita&#x0364;t hat von dem, was wir unter die-<lb/>
&#x017F;em Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele<lb/>
Hu&#x0364;lfsmittel an belehrenden Sammlungen, und<lb/>
zahlreichen Stipendien, be&#x017F;onders fu&#x0364;r Ausla&#x0364;nder,<lb/>
&#x017F;ogar fu&#x0364;r Ungarn. Die&#x017F;es alte Denkmal von Gei-<lb/>
&#x017F;tesverkehr zwi&#x017F;chen dem We&#x017F;t- und O&#x017F;tende von<lb/>
Europa erfreute mich innig &#x2014; fu&#x0364;r den u&#x0364;berall<lb/>
Licht &#x017F;uchenden Men&#x017F;chengei&#x017F;t, fu&#x0364;r das &#x017F;cho&#x0364;ne Band<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, das die fern&#x017F;ten Nationen ver-<lb/>
&#x017F;chlingt, und fu&#x0364;r die Ehre die&#x017F;er wackern Stadt,<lb/>
die im Stillen &#x017F;o weit verbreitet wohl thut.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0131] ihnen, halte man gar nicht haus; nicht weil die Frauenzimmer hier nicht die Geſchaͤfte treiben, wie bei ihnen, ſeyn ſie ganz unthaͤtig; weil ſie nicht die Stundeneintheilung beobachten, wie bei ihnen, leben ſie blos in den Tag hinein. Die Familienbande ſcheinen mir hier noch feſt geknuͤpft, die Verhaͤlt- niſſe zwiſchen Eltern und Kindern der guten alten Zeit treuer wie in vielen andern Gegenden; man hat ſich bei den zunehmend harten Zeiten weislich beſchraͤnkt, der Luxus ſcheint hier nicht mit der Verarmung zugenommen zu haben, wie ich es in manchen Gegenden, wo der Krieg ſeit Jahren ſeine Schrecken verbreitete, beobachtet habe. Die hie- ſige Univerſitaͤt hat von dem, was wir unter die- ſem Namen kennen, wenig Aehnlichkeit, aber viele Huͤlfsmittel an belehrenden Sammlungen, und zahlreichen Stipendien, beſonders fuͤr Auslaͤnder, ſogar fuͤr Ungarn. Dieſes alte Denkmal von Gei- ſtesverkehr zwiſchen dem Weſt- und Oſtende von Europa erfreute mich innig — fuͤr den uͤberall Licht ſuchenden Menſchengeiſt, fuͤr das ſchoͤne Band der Wiſſenſchaft, das die fernſten Nationen ver- ſchlingt, und fuͤr die Ehre dieſer wackern Stadt, die im Stillen ſo weit verbreitet wohl thut.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/131
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/131>, abgerufen am 22.12.2024.