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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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kleine Rosen prangten, blühende Rosenstöcke jeder
Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen-
bäume, hoher Rosenlorbeer, und unter diesen in
Töpfen gepflanzten Gewächsen standen zahllose
Körbe voll großer Sträußer von allen Blumen der
verschiedensten Jahrszeiten. Dieser ganze Handel
wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieses hol-
deste Geschlecht aller gestalteten Wesen meistens
in Harlem -- das Reich der Blumenzucht, -- auf
und da fallen denn schon wieder die Flügel der
Phantasie matt nieder, wenn ihr der Vermittler
vorschwebt zwischen der schaffenden Natur und
dem blühenden Mädchen, das jetzt so einen
Strauß an den Busen steckt -- sie erblickt einen
schmutzigen zerlumpten Juden! -- Und doch ist
mirs, als müste dieses arme Volk heitrer und
freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han-
delt. Den Amsterdammern weiß ich es recht
Dank, daß sie die Blumen so lieb haben. War-
um soll es mir nicht gegen die ganze Stadt die
Empfindung geben, die mir jeder eizelne Mensch
giebt? wenn ich einen Unbekannten sehe, der Blu-
men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu-
men sind die Liebe des Kindes, das nur Glück
ahndend in das Leben tritt -- sie sind oft die

kleine Roſen prangten, bluͤhende Roſenſtoͤcke jeder
Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen-
baͤume, hoher Roſenlorbeer, und unter dieſen in
Toͤpfen gepflanzten Gewaͤchſen ſtanden zahlloſe
Koͤrbe voll großer Straͤußer von allen Blumen der
verſchiedenſten Jahrszeiten. Dieſer ganze Handel
wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieſes hol-
deſte Geſchlecht aller geſtalteten Weſen meiſtens
in Harlem — das Reich der Blumenzucht, — auf
und da fallen denn ſchon wieder die Fluͤgel der
Phantaſie matt nieder, wenn ihr der Vermittler
vorſchwebt zwiſchen der ſchaffenden Natur und
dem bluͤhenden Maͤdchen, das jetzt ſo einen
Strauß an den Buſen ſteckt — ſie erblickt einen
ſchmutzigen zerlumpten Juden! — Und doch iſt
mirs, als muͤſte dieſes arme Volk heitrer und
freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han-
delt. Den Amſterdammern weiß ich es recht
Dank, daß ſie die Blumen ſo lieb haben. War-
um ſoll es mir nicht gegen die ganze Stadt die
Empfindung geben, die mir jeder eizelne Menſch
giebt? wenn ich einen Unbekannten ſehe, der Blu-
men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu-
men ſind die Liebe des Kindes, das nur Gluͤck
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[146/0160] kleine Roſen prangten, bluͤhende Roſenſtoͤcke jeder Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen- baͤume, hoher Roſenlorbeer, und unter dieſen in Toͤpfen gepflanzten Gewaͤchſen ſtanden zahlloſe Koͤrbe voll großer Straͤußer von allen Blumen der verſchiedenſten Jahrszeiten. Dieſer ganze Handel wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieſes hol- deſte Geſchlecht aller geſtalteten Weſen meiſtens in Harlem — das Reich der Blumenzucht, — auf und da fallen denn ſchon wieder die Fluͤgel der Phantaſie matt nieder, wenn ihr der Vermittler vorſchwebt zwiſchen der ſchaffenden Natur und dem bluͤhenden Maͤdchen, das jetzt ſo einen Strauß an den Buſen ſteckt — ſie erblickt einen ſchmutzigen zerlumpten Juden! — Und doch iſt mirs, als muͤſte dieſes arme Volk heitrer und freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han- delt. Den Amſterdammern weiß ich es recht Dank, daß ſie die Blumen ſo lieb haben. War- um ſoll es mir nicht gegen die ganze Stadt die Empfindung geben, die mir jeder eizelne Menſch giebt? wenn ich einen Unbekannten ſehe, der Blu- men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu- men ſind die Liebe des Kindes, das nur Gluͤck ahndend in das Leben tritt — ſie ſind oft die

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/160>, abgerufen am 22.12.2024.