kleine Rosen prangten, blühende Rosenstöcke jeder Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen- bäume, hoher Rosenlorbeer, und unter diesen in Töpfen gepflanzten Gewächsen standen zahllose Körbe voll großer Sträußer von allen Blumen der verschiedensten Jahrszeiten. Dieser ganze Handel wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieses hol- deste Geschlecht aller gestalteten Wesen meistens in Harlem -- das Reich der Blumenzucht, -- auf und da fallen denn schon wieder die Flügel der Phantasie matt nieder, wenn ihr der Vermittler vorschwebt zwischen der schaffenden Natur und dem blühenden Mädchen, das jetzt so einen Strauß an den Busen steckt -- sie erblickt einen schmutzigen zerlumpten Juden! -- Und doch ist mirs, als müste dieses arme Volk heitrer und freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han- delt. Den Amsterdammern weiß ich es recht Dank, daß sie die Blumen so lieb haben. War- um soll es mir nicht gegen die ganze Stadt die Empfindung geben, die mir jeder eizelne Mensch giebt? wenn ich einen Unbekannten sehe, der Blu- men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu- men sind die Liebe des Kindes, das nur Glück ahndend in das Leben tritt -- sie sind oft die
kleine Roſen prangten, bluͤhende Roſenſtoͤcke jeder Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen- baͤume, hoher Roſenlorbeer, und unter dieſen in Toͤpfen gepflanzten Gewaͤchſen ſtanden zahlloſe Koͤrbe voll großer Straͤußer von allen Blumen der verſchiedenſten Jahrszeiten. Dieſer ganze Handel wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieſes hol- deſte Geſchlecht aller geſtalteten Weſen meiſtens in Harlem — das Reich der Blumenzucht, — auf und da fallen denn ſchon wieder die Fluͤgel der Phantaſie matt nieder, wenn ihr der Vermittler vorſchwebt zwiſchen der ſchaffenden Natur und dem bluͤhenden Maͤdchen, das jetzt ſo einen Strauß an den Buſen ſteckt — ſie erblickt einen ſchmutzigen zerlumpten Juden! — Und doch iſt mirs, als muͤſte dieſes arme Volk heitrer und freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han- delt. Den Amſterdammern weiß ich es recht Dank, daß ſie die Blumen ſo lieb haben. War- um ſoll es mir nicht gegen die ganze Stadt die Empfindung geben, die mir jeder eizelne Menſch giebt? wenn ich einen Unbekannten ſehe, der Blu- men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu- men ſind die Liebe des Kindes, das nur Gluͤck ahndend in das Leben tritt — ſie ſind oft die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0160"n="146"/>
kleine Roſen prangten, bluͤhende Roſenſtoͤcke jeder<lb/>
Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen-<lb/>
baͤume, hoher Roſenlorbeer, und unter dieſen in<lb/>
Toͤpfen gepflanzten Gewaͤchſen ſtanden zahlloſe<lb/>
Koͤrbe voll großer Straͤußer von allen Blumen der<lb/>
verſchiedenſten Jahrszeiten. Dieſer ganze Handel<lb/>
wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieſes hol-<lb/>
deſte Geſchlecht aller geſtalteten Weſen meiſtens<lb/>
in Harlem — das Reich der Blumenzucht, — auf<lb/>
und da fallen denn ſchon wieder die Fluͤgel der<lb/>
Phantaſie matt nieder, wenn ihr der Vermittler<lb/>
vorſchwebt zwiſchen der ſchaffenden Natur und<lb/>
dem bluͤhenden Maͤdchen, das jetzt ſo einen<lb/>
Strauß an den Buſen ſteckt —ſie erblickt einen<lb/>ſchmutzigen zerlumpten Juden! — Und doch iſt<lb/>
mirs, als muͤſte dieſes arme Volk heitrer und<lb/>
freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han-<lb/>
delt. Den Amſterdammern weiß ich es recht<lb/>
Dank, daß ſie die Blumen ſo lieb haben. War-<lb/>
um ſoll es mir nicht gegen die ganze Stadt die<lb/>
Empfindung geben, die mir jeder eizelne Menſch<lb/>
giebt? wenn ich einen Unbekannten ſehe, der Blu-<lb/>
men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu-<lb/>
men ſind die Liebe des Kindes, das nur Gluͤck<lb/>
ahndend in das Leben tritt —ſie ſind oft die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0160]
kleine Roſen prangten, bluͤhende Roſenſtoͤcke jeder
Gattung, Mirthen, Granaten, kleine Orangen-
baͤume, hoher Roſenlorbeer, und unter dieſen in
Toͤpfen gepflanzten Gewaͤchſen ſtanden zahlloſe
Koͤrbe voll großer Straͤußer von allen Blumen der
verſchiedenſten Jahrszeiten. Dieſer ganze Handel
wird von Juden getrieben. Sie kaufen dieſes hol-
deſte Geſchlecht aller geſtalteten Weſen meiſtens
in Harlem — das Reich der Blumenzucht, — auf
und da fallen denn ſchon wieder die Fluͤgel der
Phantaſie matt nieder, wenn ihr der Vermittler
vorſchwebt zwiſchen der ſchaffenden Natur und
dem bluͤhenden Maͤdchen, das jetzt ſo einen
Strauß an den Buſen ſteckt — ſie erblickt einen
ſchmutzigen zerlumpten Juden! — Und doch iſt
mirs, als muͤſte dieſes arme Volk heitrer und
freier hier herum gehen, weil es mit Blumen han-
delt. Den Amſterdammern weiß ich es recht
Dank, daß ſie die Blumen ſo lieb haben. War-
um ſoll es mir nicht gegen die ganze Stadt die
Empfindung geben, die mir jeder eizelne Menſch
giebt? wenn ich einen Unbekannten ſehe, der Blu-
men gern hat, faß ich Zutrauen zu ihm. Blu-
men ſind die Liebe des Kindes, das nur Gluͤck
ahndend in das Leben tritt — ſie ſind oft die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/160>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.